IMI-Analyse 2005/026 - in: analyse und kritik, Nr. 497, 19.8.05
Deutsche Sezessionshilfe im Sudan schürt den Bürgerkrieg
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 29. August 2005
Nachdem Ende Juli der südsudanesische Rebellenchef John Garang bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, sehen viele BeobachterInnen nun den „ohnehin fragilen Friedensprozess bis auf weiteres gefährdet.“ (FAZ, 2.8.05) Allerdings übersieht diese Einschätzung, dass dieser „Friedensprozess“, ob mit oder ohne Garang, in seiner jetzigen Form zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist, denn er hat lediglich das Ziel, im Sudan optimale Bedingungen für die Wahrung deutscher und US-amerikanischer Interessen zu schaffen.
Da es dies erfordert, für eine Seite nahezu unannehmbare Bedingungen zu akzeptieren, konnte der „Friedensprozess“ auch nur unter der Androhung massiver militärischer Gewalt seitens Berlins und Washingtons überhaupt in Gang kommen. In voller Kenntnis der Tatsache, dass dieses Diktat zu einem erneuten Bürgerkrieg führen wird, entsendete die rot-grüne Regierung bereits erste Bundeswehrkontingente im Vorgriff auf die zu erwartenden Auseinandersetzungen, um deutsche Konzerninteressen zu schützen.
Seit der Sudan 1956 die Unabhängigkeit erlangte, befindet sich das Land nahezu permanent im Ausnahmezustand. Schon die Jahre 1963-1972 waren von blutigen Auseinandersetzungen geprägt, denen nach einer nur kurzen Zwischenphase von 1982 bis heute ein zweiter Bürgerkrieg folgte. Im Wesentlichen stehen sich dabei zwei Parteien gegenüber: Einmal die Regierung in Khartum, die die arabischen Muslime im Norden vertritt und geführt wird von dem 1989 durch einen Militärputsch an die Macht gelangten Omar Hassan al Bashir. Zum anderen die lange von John Garang und nun von seinem Nachfolger Salva Kiir befehligte Sudanesische Befreiungsarmee (SPLA), die ihre Machtbasis im überwiegend christlichen Süden hat. Trotz der Tatsache, dass in Folge der Auseinandersetzungen etwa zwei Millionen SudanesInnen umkamen und wohl doppelt so viele vertrieben wurden, zeigte der Westen lange Zeit wenig bis kein Interesse, sich für eine Beilegung des Konfliktes einzusetzen. (1) Nachdem im Sudan bedeutende Ölvorkommen gefunden wurden, hat sich dies aber insbesondere in Berlin und Washington geändert.
Transatlantische Stimmungsmache
War man sich noch in der Frage des US-amerikanischen Alleingangs gegen den Irak spinnefeind, forderten ab 2003, angeblich auf Grund der tragischen Ereignisse in der westsudanesischen Krisenregion Darfur, die im späteren Friedensabkommen jedoch explizit ausgeklammert wurde, deutsche wie US-amerikanische PolitikerInnen einmütig ein bewaffnetes Eingreifen. Schon im Dezember 2003 plädierte die Grüne Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, für eine Intervention. (2) In das gleiche Horn blies Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die sich für die Entsendung einer EU-unterstützten Eingreiftruppe aussprach. (3) Auch Washington deutete durch seinen damaligen Außenminister Colin Powell die Notwendigkeit eines militärischen Eingreifens an. (4) Der US-Kongress forderte die Regierung gar dazu auf, „ernsthaft eine multilaterale oder sogar unilaterale Intervention zu erwägen.“ (5)
Adressat dieser Drohungen war die sudanesische Regierung, der klar signalisiert wurde, dass eine Weigerung, dem „Friedensprozess“ zuzustimmen, zu einer westlichen Militärintervention führen wird. Diese Bemühungen waren schließlich von Erfolg gekrönt; am 9. Januar 2005 unterzeichneten beide Konfliktparteien einen „Friedensvertrag“ (Comprehensive Peace Agreement, CPA), dessen konkrete Inhalte es verständlich machen, weshalb Khartum hierzu förmlich gezwungen werden musste.
Weniger problematisch sind Bestimmungen, denen zufolge die Scharia nur im Norden gelten soll und die Öleinnahmen des Landes künftig hälftig geteilt werden. Schwieriger ist da bereits, dass der SPLA faktisch die Regierungsgewalt im Süden übertragen wird und sie auch Truppen in beliebigem Umfang unterhalten kann. Der eigentliche Knackpunkt des Abkommens ist allerdings, dass es für das Jahr 2011 ein Referendum vorsieht, in dem die Bevölkerung des Südens über die Abspaltung vom Norden entscheiden kann – und wohl auch wird. Genau dieser Passus deckt sich zwar exakt mit den ökonomischen und strategischen Interessen Berlins und Washingtons, ist aber tragischerweise gänzlich ungeeignet, den Bürgerkrieg dauerhaft beizulegen – im Gegenteil. Wie in zahlreichen weiteren heutigen Konflikten ist Öl eine der entscheidenden Triebfedern des Konflikts.
Zwar sind ausländische Ölfirmen schon lange im Sudan aktiv, erst in jüngster Zeit aber kam es zu einem regelrechten Boom in der sudanesischen Ölindustrie: Allein im Zeitraum von 2001 bis Anfang 2004 verdoppelten sich die nachgewiesenen Reserven von 262 auf 563 Millionen Barrel Öl. Die geschätzten Reserven werden vom sudanesischen Energieministerium bei etwa drei Milliarden Barrel vermutet, was den Sudan zu einem der relevantesten mittleren Ölländer macht. Ebenso stieg auch der Export sprunghaft an. Die Fördermenge erhöhte sich von 270.000 Barrel am Tag (b/d) im Jahr 2003 auf 345.000 b/d im Folgejahr und soll 2005 auf 500.000 steigen. Für 2006 werden sogar 750.000 b/d erwartet. (6) Da das Land zusätzlich über erhebliche Erdgasreserven verfügt, kommt ihm somit eine erhebliche strategische und ökonomische Bedeutung zu.
Schon 1974 kaufte sich die US-amerikanische Firma Chevron ins sudanesische Ölgeschäft ein, kurze Zeit später die französische Total. Beide Konzerne zogen sich nach Rebellenangriffen 1984 aus dem Land zurück. Kurz nach dem Ende des Kalten Krieges stellten die USA die Waffenlieferungen an die sudanesische Regierung ein und distanzierten sich insbesondere auf Grund des Drucks christlich-evangelikaler Lobbygruppen zunehmend von dem Regime al Bashirs. Da der Sudan auch zeitweise den Terroristen „Carlos“, vor allem aber zwischen 1991 und 1996 Osama Bin Laden beherbergte, fand sich das Land 1993 auf der Liste der „Schurkenstaaten“ wieder. Nachdem sich die Beziehungen zur sudanesischen Regierung beständig verschlechterten, verhängte Washington 1997 umfassende Wirtschaftssanktionen, die es US-amerikanischen Firmen endgültig verboten, in dem Land zu investieren. Parallel hierzu unterstützte Washington spätestens seit Mitte der 1990er Jahre die SPLA. (7)
Das so genannte Friedensabkommen
Zwischenzeitlich waren kanadische (Talisman), schwedische (Lundin Oil AB) und österreichische (OMV) Konzerne im Sudan aktiv, die allesamt sehr gut von dem Bürgerkrieg profitierten. Dieser ist wiederum, einem ausführlichen Bericht von Human Rights Watch zufolge, untrennbar mit den Profitinteressen der Ölkonzerne verknüpft: „Der Zusammenhang zwischen Krieg und Vertreibungskampagne zur Entwicklung des Ölsektors ist offensichtlich: Die Ölgebiete, in denen die Bevölkerung gezielt vertrieben wurde, sind diejenigen, in denen eine Konzession genehmigt und eine Pipeline fertig gestellt wurde.“ (Human Rights Watch 9/2003)
Allerdings ging die sudanesische Bonanza zunehmend in andere Hände über: „Unter dem Druck internationaler und besonders kanadischer Menschenrechtsgruppen verkaufte Talisman schließlich im Herbst 2002 seine Rechte im Sudan an die indische Firma Videsh – mit einem Gewinn von 30 Prozent … 2003 verkauften Lundin und OMV ihre Rechte an die … malaysische Petronas und die indische Vindesh. Block 6 wurde insgesamt an die staatliche chinesische CNCP vergeben. Jetzt sind alle Öl-Claims in chinesischer, malaysischer, indischer und (zum kleinen Teil) sudanesischer Hand, außer dem ungenutzten Block 5 von TotalFinaElf.“ (T. Steinberg, junge Welt, 16.8.04)
Der Rückzug westlicher Konzerne, die einseitige Einflussnahme auf Seiten der SPLA und die US-amerikanischen Sanktionen ermöglichten China somit den Einstieg ins sudanesische Ölgeschäft. Dieses Engagement ist Teil des chinesischen Interesses, seinen Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent auszuweiten, um hierdurch den rapide steigenden Ölbedarf künftig abzusichern. (8) Einem Bericht von Bill Gertz zufolge, Kolumnist der Bush-nahen Washington Times, hat Peking bereits 4.000 Soldaten im Sudan stationiert, um seine dortigen (Öl-)Interessen zu wahren. Eine hohe Regierungsquelle bestätigte gegenüber dem Journalisten zwar nicht die Zahl, wohl aber die Tatsache, dass sich chinesische Truppen im Land befinden. (9) Während also China und andere relevante Mächte, unter anderem auch Russland, im Sudan an Einfluss gewinnen, scheinen die USA vorläufig aus dem Spiel zu sein. So erklärt sich auch die Situation im Weltsicherheitsrat, in dem Moskau und Peking versuchen, drastischere Aktionen gegen den Sudan zu verhindern. (10)
Vor allem dem chinesischen Einflussgewinn muss aus Sicht der US-Hegemonialstrategie entschieden entgegengewirkt werden, da das Land Washingtons gefährlichster „strategischer Rivale“ (George W. Bush) ist. Laut Zalmay Khalilzad, einem der einflussreichsten Mitglieder der Bush-Administration, ist es das US-Ziel „ein relatives Anwachsen chinesischer Macht im Vergleich zu den Vereinigten Staaten zu verhindern oder zumindest so lange wie möglich hinauszuzögern.“ (11) In diesem Zusammenhang wird in Militärkreisen ganz offen betont, dass für eine solche Eindämmungsstrategie insbesondere die Kontrolle der weltweiten Ölvorräte und ihrer Transportwege von zentraler Bedeutung ist, da hierdurch Peking bei Bedarf buchstäblich der Saft abgedreht werden kann. Auf Grund schwindender Vorräte und rasant wachsenden Bedarfs rechnet man in Sicherheitskreisen ohnehin mit verschärften Auseinandersetzungen insbesondere zwischen den USA und China um die verbleibenden Weltölvorkommen. Offensichtlich droht der Sudan zum Schauplatz dieser Auseinandersetzung zu werden, was es aus US-Sicht erfordert, gezielt auf die Abspaltung des Südens hinzuarbeiten.
Für das Verständnis der Konfliktkonstellation im Sudan ist es wichtig zu wissen, dass sich das sudanesische Öl im Süden des Landes befindet. Es wird per Pipeline in den Norden nach Port Sudan am Roten Meer gepumpt, was der Zentralregierung weiterhin Einfluss auf die Vorkommen ermöglicht. Wie erwähnt wird gegenwärtig davon ausgegangen, dass die südsudanesische Bevölkerung, falls es 2011 zu einem Referendum kommen sollte, mit großer Mehrheit für eine Abspaltung votieren wird. Darin dürfte das eigentliche Interesse der Vereinigten Staaten liegen, denn dies würde es ermöglichen, das Öl nicht mehr nach Norden, sondern nach Südosten zum Indischen Ozean abzutransportieren und damit dem chinesischen Einfluss zu entziehen. Aus der geopolitisch dominierten Sicht der US-StrategInnen würde also eine Spaltung des Sudan Washingtons Position erheblich stärken. Zu allem Überfluss deckt sich dieses Interesse mit dem der Bundesregierung bzw. deutscher Konzerne.
Das Öl schmiert den Bürgerkrieg
Der bisher ausschließlich über den Norden gewährleistete Abtransport des südsudanesischen Öls macht gegenwärtig eine Abspaltung des Südens nahezu unmöglich, da er in diesem Fall ohne Vermarktungsmöglichkeit für seine Ressourcen dastünde. Genau dieses Problem beabsichtigt die nach ihrem Gründer benannte deutsche Firma Thormählen Schweißtechnik AG zu beheben. Sie erhielt von der SPLA den Zuschlag für den Bau einer Eisenbahn, die es ermöglichen soll, sudanesisches Öl und andere Bodenschätze an den Indischen Ozean und von dort auf den Weltmarkt zu transportieren. Insgesamt geht es um eine 4.100 Kilometer lange Strecke von den Ölfeldern des Südsudan mit Abzweigungen nach Uganda bis nach Rongai/Nairobi. Sie soll an das vorhandene alte englische Eisenbahnnetz anschließen, das die Firma im Zuge eines Folgeprojektes ebenfalls erneuern will.
Zusätzlich sind eine Reihe weiterer Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen des Projekts geplant. Dies sind laut einer Pressemitteilung der Thormählen Schweißtechnik AG unter anderem: „Aufbau von Energieerzeugung (insbesondere Wasserkraft); Aufbau der Nilschifffahrt; Aufbau der Telekommunikation; Aufbau einer Fluggesellschaft; Aufbau einer neuen Hauptstadt für den Südsudan.“ Dem Unternehmen zufolge belaufen sich die Kosten auf „2,5 Mrd. US-Dollar alleine für den Gleisoberbau. Insgesamt ist mit einem Investitionsvolumen von ca. 8 Mrd. US-Dollar für diesen Bereich zu rechnen.“ (www.thormaehlen-schweisstechnik.de)
Kein Wunder
also, dass in der deutschen Wirtschaft bezüglich des Sudans eine „Goldgräberstimmung“ (Weltspiegel) herrscht. „Ich bin begeistert, dass die deutsche Wirtschaft ein so großes Interesse daran zeigt, im Sudan tätig zu werden“, so Klaus Thormählen. „Es kamen bereits Anfragen von Firmen, wie viel sie investieren sollen, um unsere Partner zu werden.“ (Hamburger Abendblatt, 17.2.05) Eine Kooperation mit dem Minenräumunternehmen Mine Wolf aus Koblenz ist bereits vereinbart, ThyssenKrupp ist ebenfalls schon eingestiegen. Presseberichten zufolge seien auch Siemens, die Strabag und andere deutsche Konzerne hochinteressiert, sich an dem Geschäft zu beteiligen. Damit man die Bevölkerung auch über die Segnungen deutschen Profitstrebens adäquat aufklären kann, will Thormählen, der sich selbst schon als „Konsul des Südsudan“ sieht (Stormaner Nachrichten, 11.5.05), auch zusammen mit Radio Hamburg einen Radiosender namens „Voice of Sudan“ aufbauen: „Die einfachen Menschen im Sudan können nicht lesen. Das Radio ist die einzige Möglichkeit, sie zu erreichen“, so der Firmenchef gegenüber dem Hamburger Abendblatt.
Bei so viel unternehmerischem Tatendrang ist auch die Bundesregierung nicht weit. Der Deal soll unter tatkräftiger Mithilfe von Bundeskanzler Gerhard Schröder eingefädelt worden sein und ist Teil einer Gesamtstrategie, den deutschen Einfluss in Afrika weiter zu vergrößern. (12) Aus diesem Grund wurde auch gleich eine kräftige Anschubfinanzierung gewährt: „Zehn bis 15 Millionen Euro benötigt Thormählens Unternehmen nun zunächst als Startkapital. Für die Kredite kann das Unternehmen mit Hermes-Bürgschaften rechnen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) habe ihm seine Unterstützung zugesagt.“ (Hamburger Abendblatt, 17.2.05) Grundsätzlich sollen die SüdsudanesInnen das ganze Projekt aber selbstverständlich selbst bezahlen, wie die Pressemitteilung des Unternehmens versichert: „Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft dienen dabei als Sicherheit für die Finanzierung.“ Anders gesagt, es wurde sicher gestellt, dass die Öleinnahmen des Landes direkt in die Taschen deutscher Konzerne wandern.
Wird das Infrastrukturprojekt realisiert, hätte dies für die sudanesische Regierung dramatische Auswirkungen: „Der Transport in die nordsudanesische Hafenstadt Port Sudan entfiele, Khartum verlöre jeden Einfluss auf das Öl und seine Erlöse.“ (13) Hiermit wäre endgültig der Weg zur Spaltung des Landes geebnet. Interessant und aufschlussreich ist deshalb der Zeitplan, den Thormählen in seiner Pressemitteilung bekannt gab: „Der erste Bauabschnitt schließt an die in Kenia vorhandene Meterspurbahn an und verbindet die Städte Rongai (nordwestlich von Nairobi) mit Juba im Südsudan. Es ist geplant, dass zumindest diese Teilstrecke von ca. 1.000 km bis zum Referendum, das in sechs Jahren im Sudan stattfinden soll, in Betrieb gehen kann.“ Damit wäre der Abtransport des Öls zum Indischen Ozean genau zu dem Zeitpunkt sicher gestellt, an dem davon ausgegangen wird, dass sich der Südsudan vom Norden abspalten wird – aktive Sezessionshilfe könnte man hierzu wohl sagen. Bemerkenswert offen wurde dies vom Unternehmenssprecher gegenüber German-Foreign-Policy.com bestätigt: „Die meisten gehen davon aus, dass Nord- und Südsudan sich trennen werden.“ (14)
Deutsche Schweißtechnik spaltet
Damit sich die gigantischen Profitinteressen der deutschen Wirtschaft aber tatsächlich realisieren lassen, ist die Beilegung des Bürgerkriegs eine notwendige Bedingung und somit der eigentliche Grund für die deutsch-amerikanischen Interventionsdrohungen: „Wir können erst anfangen, wenn sich die politische Lage dort bessert“, wurde ein Thormählen-Mitarbeiter vor Abschluss des „Friedensvertrages“ zitiert. (Deutsche Welle, 30.8.04) Exakt an diesem Punkt beißt sich aber die Katze in den Schwanz, da genau dieser „Friedensprozess“ gleichzeitig die Bedingungen für eine Teilung des Landes schafft. Es ist mehr als unwahrscheinlich das Khartum dieser Entwicklung auf Dauer tatenlos zusehen wird, denn der unfruchtbare Norden wäre seiner einzigen Einkommens- und damit Überlebensquelle beraubt. Von Überlegungen, dem Norden über einen wie auch immer gearteten Interessensausgleich zwischen den Konfliktparteien eine Überlebensperspektive zu bieten, war bislang nirgends etwas zu lesen. Spätestens wenn sich also eine Abspaltung des Südens konkretisiert, dürfte sich der Norden gezwungen sehen, mit einer Wiederaufnahme des Bürgerkrieges zu reagieren – im schlimmsten Fall unterstützt durch China. (15) Willkommen zurück im Zeitalter des Kalten (Stellvertreter-)Krieges.
In der Tat wird die unbestreitbare Involvierung Khartums in die grausamen Vorgänge in Darfur von BeobachterInnen auch als Warnschuss an den Süden – und an Widerstandsbewegungen im Osten, die unterstützt durch die SPLA im Juni ebenfalls eine Offensive starteten, gewertet, dass Sezessionsversuchen von Seiten der Regierung mit äußerster Härte und Unnachgiebigkeit begegnet wird: „In Sorge um das eigene Überleben könnte Sudans regierendes Regime schlicht eine Nachricht übermitteln – dass Rebellion Gräueltaten nach sich zieht.“ (16)
Obwohl also Khartum eine erhebliche Schuld am Drama in Darfur zukommt, ist die Realität vor Ort deutlich komplizierter, als dies von deutschen Politikern und Medien, mit ihrer ausschließlichen Verurteilung der sudanesischen Regierung, dargestellt wird. So betont der UN-Koordinator für Nothilfe in Krisengebieten, Jan Egeland, die Übergriffe in Darfur seien „nicht nur die Schuld der Regierung. Es gibt dort viele Milizen und andere Kräfte … Die selben Stämme sind vertreten, sowohl unter denjenigen, die andere vertreiben, als auch unter denjenigen, die vertrieben werden.“ Weiter gibt der UN-Mitarbeiter an, alle Bürgerkriegsparteien seien an der Eskalation beteiligt: „Die sogenannten Janjawid-Milizen, organisierte Kriminelle, zu viele Arbeitslose mit zu vielen Gewehren, Regierungstruppen und mit Bestimmtheit auch Streitkräfte der Aufständischen.“ Dies wird auch von amnesty international bestätigt: „Es gibt Berichte über Missbrauch und Folter, einschließlich Vergewaltigung durch Mitglieder der SLA und der JEM“, die beide Rebellenorganisationen sind. (Obransmayr 2004) An solch einem differenzierteren Bild aber scheinen Politik und Medien nicht interessiert zu sein.
So ist ein Großteil der Berichterstattung auch als Vorgriff auf einen im Falle einer neuerlichen Eskalation des Bürgerkrieges notwendigen „humanitären Friedenseinsatz“ durch die interessierten Mächte zu werten. Es wird ein „Stimmungsteppich für westliches Eingreifen ausgebreitet – nützlich für den Fall, dass die Transporttrasse nach Kenia nicht ungestört gebaut werden kann.“ (T.I. Steinberg, junge Welt, 16.8.04) Zur Vorbeugung und gegebenenfalls schnellen Durchführung genau dieses Szenarios wurden inzwischen auch Bundeswehrsoldaten in das Land entsendet.
Nachdem die Bundesregierung (und andere NATO-Staaten) seit 2004 in Darfur stationierte Truppen der Afrikanischen Union sowohl logistisch als auch finanziell unterstützt, vollzog man dieses Jahr den endgültigen Schritt zur direkten militärischen Beteiligung. Am 22. April beschloss der Bundestag die Entsendung von bis zu 75 SoldatInnen in den Südsudan, die Teil der UN-Mission im Sudan (UNMIS) sind. Diese basiert auf der UN-Sicherheitsratsresolution 1590 vom 24. März 2005 und hat ein so genanntes robustes Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta, was die Lizenz zur Anwendung militärischer Gewalt zur Überwachung des „Friedensabkommens“ einschließt.
Bundeswehr – Söldnerheer
Offensichtlich soll diese Truppe die gewünschte Stabilität gewährleisten, bis alle Voraussetzungen zur Abspaltung des Südsudan erfüllt sind. Anders ist jedenfalls Verteidigungsminister Peter Strucks Aussage, man richte sich auf eine Mandatszeit von „bis zu sechs Jahren“ ein, kaum zu deuten. Vor diesem Hintergrund liest sich der Antrag der Bundesregierung an das Parlament wie eine Drohung: „Ohne internationale Unterstützung besteht die Gefahr, dass die Regelungen des am 9. Januar 2005 geschlossenen Friedensvertrages zwischen Nord und Süd nicht eingehalten werden und es zu einem erneuten Ausbruch von Kampfhandlungen kommt.“ (Vgl. T. Pflüger/J. Wagner, junge Welt, 22.4.05)
Dass der Vorsitzende des EU-Militärkomitees, Gustav Hägglund, die Krise im Sudan als prototypisch für künftige Einsätze der neu geschaffenen schnellen europäischen Eingreiftruppen, den sogenannten Battlegroups, bezeichnet, kommt nicht von ungefähr. (J. Dempsey, Financial Times, 12.4.04)
Natürlich hat jeder Konflikt auch spezifisch regionale Ursachen. Im Falle des Sudan spielen materielle Konflikte um Wasser und Land, wie auch Rivalitäten der lokalen Eliten eine wichtige Rolle. Die Chancen für eine friedliche Beilegung sinken aber erheblich, wenn weite Teile der Bevölkerung auch auf Grund gezielter westlicher Ausbeutungspolitik auf das Drastischste verarmt sind, wie selbst die Weltbank inzwischen zugesteht. (17) Gerade in diesem Kontext ist der Sudan tatsächlich auf tragische Weise prototypisch. In den 1980er Jahren übernahm das bettelarme Land, um Kredite zu bekommen, die Vorgaben von Internationalem Währungsfond (IWF) und Weltbank, was zu den allseits bekannten Resultaten führte: „Die Politik von IWF und Weltbank hat die Armut und soziale Spaltung des Landes weiter vorangetrieben“, resümiert Gerald Oberansmayr.
Die militärische Stabilisierung so genannter fehlgeschlagener Staaten wie des Sudan, die von westlicher Ausbeutungspolitik immer weiter in Armut und Konflikte gestürzt werden, ist essenziell, um deutsche Handelsinteressen zu wahren, wie Der Spiegel unmissverständlich klar macht: „Solche Geschäfte brauchen stabile politische Rahmenbedingungen. Joschka Fischers klare Ansage, man könne Darfur ,nicht sich selbst überlassen', ist deshalb keine Phrase, sondern ein Programm. Ausufernde Unruhen und eine Regierung, die ihren eigenen Staat nicht im Griff hat, sind Gift für profitablen Handel.“ (R. Falksohn/T. Thilke, Spiegel Online, 1.8.04)
Gegenüber den acht Mrd. US-Dollar, die die deutschen Großkonzerne einfahren werden, sind die Kosten für den Bundeswehreinsatz in Höhe von 1,3 Mio. Euro vergleichsweise gering. Allerdings könnte man doch so ehrlich sein und – wie in Afrika ja leider nicht unüblich – gleich eine Söldnertruppe zum Schutz der Konzerninteressen engagieren; ist der Auftrag der Bundeswehr im Südsudan denn etwas anderes?
Jürgen Wagner ist geschäftsführender Vorstand der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (www.imi-online.de)
Quellen/Anmerkungen:
1) Martin Pabst: Der Sudan – Land der Gegensätze. In: Österreichische Militärische Zeitschrift 1/2004
2) Otfried Nassauer: Das neue sicherheitspolitische Interesse an Afrika. In: Streitkräfte und Strategien, 21.8.04
3) Gerald Oberansmayr: Sudan: Vor der nächsten Militärintervention. In: Guernica 3/2004
4) Norm Dixon: Crisis in Sudan, Counterpunch, 9.8.04
5) Oberansmayr 2004
6) US Department of Energy: Sudan Country Analysis Brief, 9.7.04
7) US Steps up Support for South Sudanese Resistance. In: Middle East Intelligence Bulletin 11/1999
8) Amy Myers Jaffe/Steven W. Lewis: Beijing's Oil Diplomacy. In: Survival, Spring 2002.
9) Bill Gertz: Chinese in Sudan: Notes from the Pentagon, www.gertzfile.com/gertzfile/ring030504.html (17.9.04)
10) China asks U.S. to revise draft on Sudan's Darfur. Reuters, 14.9.04
11) Zalmay Khalilzad: U.S. Strategy Toward China. In: F. Carlucci u.a.: Taking Charge. Santa Monica 2001, S. 64
12) Die Bahn zur Unabhängigkeit, Informationen zur deutschen Außenpolitik, 18.7.04
13) Informationen zur deutschen Außenpolitik, 18.7.04
14) Keimzelle, Informationen zur deutschen Außenpolitik, 27.7.04
15) Martin Pabst: Der Sudan – Land der Gegensätze. In: Österreichische Militärische Zeitschrift 1/2004. Allerdings sollte betont werden, dass es fraglich ist, ob China in naher Zukunft bereit sein wird, einen heftigen Konflikt mit Washington zu riskieren.
16) Nelson Kasfir: Sudan's Darfur: Is It Genocide? In: Current History 5/2005
17) World Bank: Breaking the Conflict Trap: Civil War and Development Policy, Oxford 2003