IMI-Analyse 2015/014 - in: AUSDRUCK (April 2015)

AFRICOM und EUCOM in Stuttgart

Zusammenarbeit und Widerstand

von: Thomas Mickan | Veröffentlicht am: 13. April 2015

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Der Fragenkatalog der Bundesregierung an die US-Regierung zum Drohnenkrieg vom AFRICOM in Stuttgart aus wurde Ende Februar 2015 „versenkt“.[1] Der simulierte Aufklärungswillen der Bundesregierung ließ sich damit befriedigen, dass darauf verwiesen wurde, von Deutschland aus würden keine Drohnen starten. Mit der Beteiligung des AFRICOM in dem mehrteiligen Prozess des Drohnenkrieges – der auch in Afrika immer weiter vorangetrieben wird[2] – von der Zielauswahl bis zur Tötung hat dies jedoch nichts zu tun, lediglich die Bundesregierung scheint in diesem fadenscheinigen Argument einen Ausweg aus dem Skandal „Geheimer Krieg“ zu erkennen.[3]

Es ist auch wenig verwunderlich, dass die Bundesregierung sich mit dieser Art Antwort zufrieden gibt, stehen doch politische Entscheidungsträger_innen im Austausch mit den US-Streitkräften und haben dem US-Afrikakommando (AFRICOM) sowie dem nur einen Kilometer entfernten US-Europakommando (EUCOM) zahlreiche Besuche abgestattet oder standen mit diesen anderweitig in Kontakt. Eine kurze Auflistung soll dies exemplarisch verdeutlichen:

  • Am 22.8.2012 besuchten die damalige FDP-Abgeordnete im Bundestag und Mitglied des Verteidigungsausschuss Elke Hoff zusammen mit dem AFRICOM-Verbindungsoffizier der Bundeswehr Manfred Antes das AFRICOM in Stuttgart Möhringen.[4]
  • Am 21.9.2012 verlieh Manfred Antes dem Soldaten des EUCOMs Allen W. Batschelet das Goldene Ehrenkreuz der Bundeswehr für seine Verdienste bei der Zusammenarbeit der US-amerikanischen und deutschen Streitkräfte.[5]
  • Am 10.1.2013 stattete Manfred Antes gemeinsam mit seinen europäischen Militärkollegen dem AFRICOM einen Besuch ab, um gemeinsame Kooperationsmöglichkeiten zu besprechen.[6]
  • Bereits vor der Ausgliederung des AFRICOM aus dem EUCOM fanden und finden bis heute zahlreiche Übungen zwischen den vom AFRICOM aus koordinieren US-Streitkräften und der Bundeswehr (auch dem KSK) statt.[7] Jüngere Beispiele waren 2014 eine gemeinsame Übung in Malawi (Exercise Southern Accord 14)[8] und die Marineübung Obangame Express (2014 im Golf von Guinea und im Mai 2015 vor Ghana).[9]
  • Am 29.4.2014 trafen sich Vertreter_innen der Bundeswehr „offiziell“ im AFRICOM, um eine engere Kooperation zu besprechen.[10]
  • Am 24.4.2014 empfing der Grüne-Oberbürgermeister Fritz Kuhn den Kommandeur des EUCOM General Philip M. Breedlove im Rathaus und ließ ihn mit dem Satz „Thank you for your great partnership“ ins Goldene Buch der Landeshauptstadt Stuttgart eintragen;[11] am 27.8.2014 setzte William B. Garrett III. als neuer stellvertretender EUCOM-Kommandeur die Tradition fort sich ins Goldene Buch der Stadt Stuttgart einschreiben zu dürfen.[12]
  • „Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, Dr. Markus Grübe, besuchte am 28. August 2014 das AFRICOM-Hauptquartier. Angehörige des BMVg suchten sowohl das AFRICOM-Hauptquartier als auch die Luftstreitkräftebasis Ramstein mehrfach zu Arbeitsbesuchen auf.“ [13]
  • Am 23.10.2014 führten das Bundeskanzleramt, das Auswärtiges Amt und das Verteidigungsministerium Gespräche mit dem stellvertretenden Befehlshaber vom AFRICOM, Generalleutnant Steven Hummer[14]
  • „Darüber hinaus haben Vizepräsidenten [!] des BND in der Vergangenheit AFRICOM im Rahmen der Kontaktpflege Besuche abgestattet.“[15]

Diese Liste ließe sich sowohl auf kommunaler als auch auf Bundesebene noch beträchtlich ausbauen, zeigt sie doch vor allem die enge Zusammenarbeit zwischen AFRICOM/EUCOM und den politischen Entscheidungsträger_innen und der Bundeswehr in Stadt, Land und Bund. Die Betonung liegt dabei auch auf „Zusammenarbeit“, es ist ein gegenseitiges Nehmen und Geben, Austauschen und Profitieren, – mit dem in manchen politischen Kreisen verbreiteten Vorurteil, Deutschland würde hier untergeordnet nach der „US-Pfeife“ tanzen, hat dies nichts gemeinsam.

Stuttgart: Krieg beginnt hier – unsere Verantwortung heißt Frieden

Stuttgart spielt somit neben Ramstein und den angrenzenden US-Einrichtungen in Rheinland-Pfalz und Kalkar/Uedem[16] eine wichtige Rolle für die aktuellen und zukünftigen Kriege, seien das Drohneneinsätze in Afrika, der Einsatz von Spezialkräften, die Kontrolle über die in Europa und Büchel[17] gelagerten Atomwaffen oder die Eskalation zwischen der NATO und Russland.

Für Stuttgart gibt es dabei zwei winzige Lichtblicke: So ist geplant, das europäische Hauptquartier der „Defense Information Security Agency“ (DISA) und der „Defense Information Technology Contracting Organisation“ (DITCO), als Teil von DISA, nach Landstuhl zu verlegen.[18] Dem DISA als IT-Logistikabteilung der US-Streitkräfte wird eine wichtige Rolle im US-Drohnenkrieg beigemessen; es stellt beispielsweise den Life-Video-Stream der Predator und Reaper Drohnen zur Verfügung.[19] Außerdem soll bis 2018 das „6th ASG CFMO Warehouse“ an der Motorstraße, Hausnummer 42 in Stuttgart Weil im Dorf geschlossen werden – ein 15.000 m² großes Möbellager, das die US-Streitkräfte seit 1983 betreiben und nun in die Robinson Barracks im Burgholzweg Bad Cannstatt verlegt werden soll. Der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) als Eigentümerin lege jedoch noch keine „förmliche Freigabeerklärung vor“ und auch die militärische oder zivile Weiternutzung sei noch ungeklärt.[20]

Diese winzigen Lichtblicke, die mit einer immer stärkeren Konzentration der US-Armee in Rheinland-Pfalz zu tun haben,[21] werden jedoch nicht ausreichen, das Agieren beider Kommandostrukturen transparent zu machen und die deutsche Zusammenarbeit zu beenden. Dafür regte sich bereits seit Anfang der Achtziger Jahre immer wieder Widerstand, mit Höhepunkten wie der Menschenkette Stuttgart-Ulm 1983, über mehrere Entzäunungsaktionen vor allem in den Neunziger Jahren bis hin zur Umkreisung des EUCOM mit 6.000 Menschen im Jahr 2003. In den letzten zwei Jahren hat sich auch mit dem Erscheinen des Buches „Geheimer Krieg“ und dem Drohnenkrieg von Stuttgart aus der Protest wieder verstetigt. Die geplante Modernisierung der Atomwaffen in Büchel und die Spannungen zwischen der NATO und Russland tragen weiter dazu bei. Der Ostermarsch 2014 hatte das AFRICOM, der Ostermarsch 2015 das EUCOM als Ausgangspunkt. Das nächste große Ereignis für Stuttgart ist der Kirchentag 2015 Anfang Juni.

Mit Blick auf die Möglichkeiten des Kirchentages, den Widerstand gegen das AFRICOM/EUCOM und die deutsche Zusammenarbeit zu lenken, hat sich ein loser Zusammenschluss von Gruppen gebildet unter dem Motto „Krieg beginnt hier – unsere Verantwortung heißt Frieden“. [22] Bereits am 4. Juni 2015 wird es im Zusammenhang mit dem Kirchentag im „Zentrum Frieden“ eine Veranstaltung mit IMI-Beteiligung geben unter dem Titel: „Kriegshauptstadt Stuttgart EUCOM und AFRICOM: Kommandozentralen für Atomwaffen- und Drohneneinsätze“ (15-17.30 Uhr, Gemeinderaum 1, Evangelische Friedensgemeinde Schubartstraße 12, Stuttgart).[23] Der 6. Juni soll dann der Höhepunkt des Protestes bilden. Den Auftakt dafür macht die Friedenskette. Diese Menschenkette beginnt nach derzeitigen Stand am Zentrum Frieden, Friedenskirche und endet am Mahnmal auf dem Stauffenbergplatz. Um 11.15 Uhr beginnt der Aufbau der Menschenkette an den Sammelpunkten Stauffenbergplatz, Charlottenplatz, Schauspielhaus, Planetarium und Friedenskirche. Um 11.55 Uhr, also Fünf vor Zwölf, wird die Menschenkette für den Frieden geschlossen. Um 12.10 Uhr löst sich die Kette schließlich auf.[24] Ab 17 Uhr wird es eine von der Gesellschaft Kultur des Friedens angemeldete Kundgebung vor dem AFRICOM in Stuttgart-Möhringen geben. An dieser Kundgebung werden u.a. der Musiker Konstantin Wecker, der Aktivist Aziz Fall, die Lebenslaute, Lokomotive Stuttgart und Angehörige von Kriegsdrohnenopfern ihre Stimme gegen die US-Kommandozentrale erheben. Im Anschluss an die Kundgebung um 20 Uhr endet schließlich der Protesttag mit einer Konzertlesung mit Konstantin Wecker und Margot Käßmann in der Martinskirche [!] Stuttgart-Möhringen, nicht weit vom AFRICOM entfernt unter dem Motto „Entrüstet-Euch – Für ein Menschenrecht auf Frieden“.

Anmerkungen

[1] Monroy, Matthias (Netzpolitik, 20.3.2015): Weiterer „Fragenkatalog“ versenkt – Deutsche Unterstützung des US-Drohnenkriegs soll nicht aufgeklärt werden.

[2] Offiziere.ch (6.4.2015): US Expands African Drone Aprons.

[3] Fuchs, Christian/Goetz, John (2013): Geheimer Krieg. Rowohlt.

[4] Warner, Brianne (AFRICOM, 27.8.2012): German Parliament Member Visits AFRICOM Headquarters in Stuttgart. Sowie: AFRICOM, 24.8.2012.

[5] Spencerdailyreporter (21.9.2012): Batschelet earns Iron Cross of the German Armed Forces.

[6] Flickr US-Army (10.1.2013): Foreign liaison officers visit USARAF.

[7] Marischka, Christoph (Telepolis, 1.7.2013): US-AfriCom und KSK seit Jahren in Mali aktiv.

[8] USAFRICOM (30.7.2014): U.S., partner nations gather in Malawi for Exercise Southern Accord 14.

[9] Y (5.6.2014): Gefährliche See vor Lagos. Sowie: Marine (24.3.2015): Opening Ceremony für Obangame Express 2015.

[10] Reisinger, Christoph/Weißenborn, Michael (Stuttgarter Nachrichten, 28.4.2014): Bundeswehr und Africom wollen kooperieren.

[11] Stadt Stuttgart (24.4.2014): OB Kuhn empfängt Kommandeur des US-Europakommandos.

[12] Stadt Stuttgart (27.8.2014): Lieutenant General William B. Garrett III. zum Antrittsbesuch bei OB Kuhn.

[13] Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Bundestagsdrucksache 18/2589: Die Rolle des Africom-Commands und der US-Militärbasis in Ramstein für US-Drohnenangriffe, Frage 14.

[14] Ebd., Frage 5.

[15] Ebd., Frage 18.

[16] Ausführlich dazu Dagdelen, Sevim (2015): Kriegstreiber am Niederrhein. Die Luftwaffenstützpunkte von Bundeswehr und NATO in Kalkar/Uedem (NRW).

[17] Petermann, Anke (Deutschlandfunk, 2.4.2015): Aktivisten demonstrieren gegen US-Atomwaffen. Sowie: Büchel atomwaffenfrei – Büchel 65.

[18] Antwort auf die Kleine Anfrage 18/4175 der Fraktion die Linke: Neustationierung und Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit im Raum des Militärflughafens Spangdahlem, Beilage zu Frage 1.

[19] „DISA’s Unified Video Dissemination Service (UVDS) takes live video streams from Predator and Reaper drones and transmits them via Teleports such as those at the DISN comms hubs in Naples and Landsthul [sic] and Bahrain.” Ballard, Mark (ComputerWeekly, 13.6.2014): Drone kill communications net illustrated. Sowie Marischka, Christoph (IMI, 26.10.2014): 4. Oktober 2014: Die Infrastruktur der Drohnenkriegführung sichtbar machen.

[20] Schüler, Leonie (Stuttgarter Zeitung, 26.1.2015): US-Militär schließt Lager im Gewerbegebiet.

[21] Ausführlich dazu: Pflüger, Markus (IMI, 10.2.2015): US-Truppenaufstockung heißt mehr Kriegsunterstützung. „Rheinland Pfalz Gewinner im Verteilprozeß“.

[22] Krieg beginnt hier – unsere Verantwortung heißt Frieden, via Facebook.

[23] Zentrum Frieden, Veranstaltungsankündigung.

[24] Website der Friedenskette auf dem Kirchentag: http://friedenskette2015.de/.