Pressebericht in: Schwäbisches Tagblatt, 13.11.2007
Kein Job wie jeder andere
10. Imi-Kongress: Militarisierung erreicht Schüler und junge Erwachsene
von: dhe | Veröffentlicht am: 13. November 2007
Wehrdienstberater der Bundeswehr sind in Berufsinformationszentren der Agentur für Arbeit aktiv. Ihre Zielgruppe: Schüler/innen und junge Erwachsene. Die Tübinger Informationsstelle Militarisierung (Imi) kritisierte das bei ihrem 10. Kongress am Wochenende im Schlatterhaus als unzulässig.
Auf junge Erwachsene unter 25 Jahren und auf junge HartzIV-Empfänger werde Druck ausgeübt, sich für einen Job bei der Bundeswehr zu entscheiden, sagte Imi-Vorstandsmitglied Jürgen Wagner. Die nächste derartige „Info-Veranstaltung zu Berufsorientierung“ in der Region ist am 5. Dezember in Nagold. „Die Berater zeigen unverbindlich verschiedene Werdegänge in der Bundeswehr auf. In einer Altersspanne von 17 bis 24 Jahren besteht die Möglichkeit zu einer beruflichen Ausbildung.“ So steht es auf der Website der Agentur für Arbeit. In Köln schirmten bewaffnete Feldjäger den Flur im Berufsinformationszentrum gegen Protest-Aktionen ab. Das berichtete Markus Gross von der Initiative „Bundeswehr wegtreten“ am Sonntag im Schlatterhaus. Inzwischen seien die Feldjäger durch „normale Polizisten“ ersetzt worden. Gross sieht in solchen Info-Veranstaltungen eine „Kampagne zur Anwerbung von Jugendlichen in Arbeitsämtern“.
Zum Kongress kamen rund 100 Teilnehmer/innen aus Friedensgruppen aus Süddeutschland und dem weiteren Bundesgebiet. Tobias Pflüger, Imi-Vorstandsmitglied und Europa-Abgeordneter, sprach vom „Sozialabbau als Rekrutierungshilfe“. Die Imi sieht zudem einen Zusammenhang zwischen der Kürzung von Sozialausgaben und steigenden Kosten für militärische Zwecke. „Für neue Rüstungsgüter sind in den nächsten zehn Jahren 85Milliarden Euro veranschlagt“, sagte Wagner, „zusätzlich zu den bestehenden Kosten.“ Er rechnet mit einer Erhöhung des Rüstungshaushalts.
Mit dem geplanten EU-Reformvertrag drohe eine weitere demokratische „Entgrenzung“ militärischer Einsätze: Wird der Vertrag in seiner jetzigen Fassung verabschiedet, „kann der Ministerrat Militäreinsätze beschließen“, sagte Wagner. Damit sei die Gewaltenteilung aufgehoben, die (nationalen) Parlamente würden ausgehebelt. Auch der Europäische Gerichtshof könne gegen einen solchen Beschluss kein Veto einlegen. Ebenfalls der parlamentarischen Kontrolle entzogen seien die Einsätze des Calwer Kommandos Spezialkräfte (KSK) – jüngst wegen der Foltervorwürfe von Murat Kurnaz in den Schlagzeilen. Für Pflüger ist das KSK geradezu „ein Symbol der neuen Bundeswehr“ – grundgesetzwidrig an Kriegseinsätzen im Ausland beteiligt.