IMI-Standpunkt 2006/068

Kongo und Iran: Prototypen deutscher Kriegseinsätze

Rede auf dem Antikriegstag in Heilbronn, 1. September 2006

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 3. September 2006

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„Nie wieder Krieg“, lautet das traditionelle Motto zum Antikriegstag am 1. September, dem Tag, des deutschen Angriffs auf Polen im Jahr 1939. Mit ihm Gedenken wir nicht aber nicht nur der Opfer des deutschen Militarismus, sondern dieser Antikriegstag soll auch an die Lehren erinnern, die hieraus insbesondere für Deutschland gezogen wurden.

Diese Lehre war für Deutschland eindeutig: „Nie wieder Krieg – nie wieder deutsche Kriegseinsätze.“ Auch im Grundgesetz wurde diese Schlussfolgerung mit dem Verbot von Angriffskriegen und der expliziten Beschränkung auf den Verteidigungsauftrag der Bundeswehr verankert. In Artikel 87a (1) heißt es hierzu unmissverständlich: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“ und Artikel 26, Absatz 1 gibt an: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

Die Realität, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, sieht leider anders aus. In den letzten Jahren ist das, was ex-Kanzler Gerhard Schröder so prägnant als die „Enttabuisierung des Militärischen“ zu einem zentralen Ziel seiner Amtszeit erhob, auf erschreckende Weise vorangeschritten. Inzwischen haben mehr als 195 000 deutsche Soldaten bereits an Auslands- d.h. Kriegseinsätzen teilgenommen. Aktuell sind etwa 7.700 Soldaten im Einsatz.

Da dieser Militarismus unvereinbar mit dem Grundgesetz ist, wird versucht uns allerlei Sand in die Augen zu streuen und die Lehren aus der Geschichte zu vergessen. Diese Versuche zeigen sich bspws. in dem Ausspruch von ex-Verteidigungsminister Peter Struck, Deutschland werde „am Hindukusch“ verteidigt. Verteidigt – besser – durchgesetzt werden dort und an den vielen anderen Orten deutscher Kriegseinsätze aber primär deutsche Interessen.

Ich möchte hier auf zwei Konflikte zu sprechen kommen, die jeweils prototypisch für deutsche Kriegseinsätze im 21. Jhd. sein dürften. Der Einsatz im Kongo sowie die Eskalation im Nahen und Mittleren Osten.

Libanon: Krieg gegen die Zivilbevölkerung

Die israelische Offensive gegen die Hisbollah verfolgte vordergründig zunächst einmal zwei Ziele, die beide auf dramatische Weise verfehlt wurden. Einmal wollte man die Hisbollah entwaffnen, was – unabhängig, ob man dieses Ziel für gut oder schlecht befindet – offenbar schlicht unmöglich ist. Zum anderen erhoffte man, mit umfangreichen Bombardierungen die primär zu Lasten der Zivilbevölkerung gingen, der Hisbollah den Rückhalt in der libanesischen Bevölkerung zu entziehen. Ein Report von Amnesty International (MDE 18/007/2006) stellt fest: „Die Beweise legen deutlich nahe, dass die umfangreiche Zerstörung von öffentlichen Einrichtungen, Kraftwerken, Privathäusern und Industrieanlagen gezielt stattfand und eher ein integraler Teil der Militärstrategie war, denn bloße ‚Kollateralschäden‘.“ Auch hier kann festgestellt werden, dass sich im Ergebnis die israelische Strategie sich als hochgradig kontraproduktiv erweist: Die Hisbollah ist beliebter denn je.

Dass trotz des eindeutig völkerrechtswidrigen Vorgehens der israelischen Armee (bswps. wurden Streubomben eingesetzt), weder von Seiten der Europäischen Union, noch weniger aus Washington Druck auf die Beendigung des Kriegseinsatzes gemacht wurde, wirft dabei Fragen auf. Der gegenwärtige Waffenstillstand ist mehr als brüchig, spätestens wenn versucht werden sollte – entweder von Israel oder einer UN-Truppe – die Hisbollah tatsächlich zu entwaffnen ist mit einer neuerlichen Eskalation zu rechnen.

Gründe für das westliche Schweigen

Die von Israel angewendete Militärstrategie ist im Wesentlichen nichts anderes als das von US-Stratege John A. Warden entwickelte „Fünf-Ringe-Modell“, bei dem die Zerstörung ziviler Infrastruktur ins Zentrum rückt, während das gegnerische Militär ein lediglich nachgeordnetes Ziel darstellt (vgl. hierzu Oberstleutnant Jürgen Rose: Der Herr der Ringe, Freitag 32/2006).

Nun lässt sich aber nicht glaubhaft eine Kriegsstrategie kritisieren, wenn diese seitens der USA und ihrer Verbündeter ebenfalls zum Einsatz kam, bspws. beim Angriffskrieg gegen Jugoslawien, der unter maßgeblicher deutscher Beteiligung große Teile des Landes zerstörte. Auch der israelische Einsatz von Streumunition (M483A1) im Libanon wurde bereits in zahlreichen Kriegen zuvor praktiziert. Da also USA und EU selbst im Glashaus sitzen, werden sie sicher nicht mit dem kritischen Finger auf Israels Kriegsführung zeigen, umso mehr, da sie an einer diplomatischen Lösung wohl auch kaum ernsthaft interessiert waren.

Die Libanon-Offensive als Vorspiel für einen Angriff auf den Iran?

Die Washington Post zitierte am 2. April, also vor Beginn der israelischen Offensive, einen anonymen Pentagonberater mit folgenden Worten, die einen Einblick in das Kalkül der US-Regierung geben: „Das bestorganisierteste Terrornetzwerk der Welt [die Hisbollah] ist in den vergangenen Jahren im Kampf gegen den Terror neutral geblieben. [Ein Angriff auf den Iran] wird sie aber mobilisieren und die Gruppe gegen uns aufbringen, die Israel aus dem Südlibanon vertrieben hat. Wenn wir gegen den Iran vorgehen wird die Hisbollah nicht einfach zusehen. Wenn die Israelis sie nicht ausschalten werden sie gegen uns mobilisieren.“ Hieraus erklärt sich auch das offenkundige Desinteresse an einer nichtmilitärischen Lösung, wie etwa von US-Außenministerin Condeoleezza Rice am 21. Juli: „Ich bin nicht an Diplomatie interessiert, nur um Israel und Libanon zum Status quo ante zurückzuführen. Ich denke, dies wäre ein Fehler. Was wir hier sehen, ist in gewissem Sinne das Entstehen – die Geburtswehen eines neuen Mittleren Ostens.“

Die „Transformation des Mittleren Ostens“, von US-Präsident George W. Bush im Jahr 2003 zur offiziellen Regierungspolitik erhoben, zielt darauf ab, buchstäblich mit Feuer und Flamme in der ölreichsten Region der Welt US-freundliche Regime zu installieren. Während der Irak – und vor allem die dort lebende Bevölkerung – die ersten Opfer dieser Strategie darstellte, laufen inzwischen die Vorbereitungen für einen Angriff auf den Iran ebenfalls auf Hochtouren. Fatalerweise lassen sich dabei die Europäische Union und vor allem Deutschland vor den US-amerikanischen Kriegskarren spannen.

Iran: Konflikteskalation und die Rolle Deutschlands

Die Verbreitung von Atomwaffen zu stoppen ist ein dringendes Anliegen, dem unbedingt zuzustimmen ist. Die Frage ist aber, wie dieses Ziel effektiv erreicht werden kann und wer dessen Verwirklichung – aktuell im Fall der Auseinandersetzung mit dem Iran – entgegensteht.

Offiziell begann der Konflikt im August 2002, als die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) geheime Nuklearanlagen im Iran (Arak und Natanz) entdeckte. Nach immer konkreteren US-amerikanischen Kriegsdrohungen trat Mitte 2003 die EU-Troika (Großbritannien, Frankreich und Deutschland) als „Vermittlerin“ auf den Plan. Nach langwierigen Verhandlungen war es der deutschen Kanzlerin Angela Merkel vorbehalten im Februar 2006 in ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz an der Eskalationsspirale zu drehen: „Der Iran hat mutwillig – ich muss das leider so sagen – die ihm bekannten roten Linien überschritten. Wir wollen und müssen die Entwicklung iranischer Nuklearwaffen verhindern.“

Diese Aussage wirft doch einige Fragen auf, insbesondere, welche „roten Linien“ denn damit gemeint waren. Denn es sollte nie vergessen werden, dass dem Iran bis heute kein Verstoß gegen den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag nachgewiesen (NVV) werden konnte. Dennoch wird von der Politik das Bild erzeugt, das von den Medien bereitwillig aufgegriffen wird, die EU habe dem Iran großzügige Angebote unterbreitet, die stur zurückgewiesen worden seien. Die Schuld, dass es zu keiner Verhandlungslösung komme läge somit ausschließlich bei Teheran.

Betrachtet man sich jedoch besagte großzügige Angebote einmal näher, stellt sich ein gänzlich anderes Bild dar. Teheran müsse – als einziges Land auf der Welt – dauerhaft auf seine im NVV festgeschriebenen Rechte zur Anreicherung von Uran und zum Austritt aus dem NVV verzichten, so die Forderung der EU-Troika. Das Problem mit diesen doch recht weit reichenden Forderungen ist allerdings, dass keinerlei substanzielles Zugeständnis gemacht wird, der dem Land eine solch umfangreiche Abgabe von Rechten schmackhaft machen könnte.

Erlaubt bzw. in Aussicht gestellt wurden dem Iran lediglich Dinge, die ihm ohnehin laut Nuklearem Nichtverbreitungsvertrag zustehen. Kern der Auseinandersetzung ist die Frage um eine Nicht-Angriffsgarantie im Austausch für den iranischen Verzicht auf eine Urananreicherung. Es ist geradezu grotesk, dass diesbezüglich das einzige EU-Angebot darin besteht, das Land nicht mit französischen oder britischen nuklearen Waffen anzugreifen, wohlgemerkt man behält sich einen Angriff mit konventionellen Waffen weiterhin vor. Zudem ist es die Hauptsorge des Irans, sich vor einem US-amerikanischen Angriff zu schützen, gerade von Washington wird aber eine Nicht-Angriffsgarantie kategorisch abgelehnt, was aber wohl die einzige Möglichkeit wäre, Teheran zu einem dauerhaften Verzicht auf Atomwaffen bewegen zu können. Denn eine zentrale Ambition besteht schlicht darin, sich mittels dieser Waffen vor einem Angriff schützen zu können.

„Verhandlungen, die Erfolg haben wollen, versuchen ein plausibles Verhältnis zwischen Forderungen und Gegenangeboten herzustellen, wenn dies nicht der Fall ist, nennt man das üblicherweise Erpressung.“ (Claudia Haydt: Iran: Bombendrohunhen aus dem Glashaus, AUSDRUCK – Das IMI-Magazin (April 2006) Dabei wird vom Iran nicht nur verlangt, vertraglich zugesicherte Rechte ohne Gegenleistung abzugeben, es sind US-amerikanische und europäische Staaten, die permanent den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag verletzen und so maßgeblich zu dessen Krise beiragen.

Doppelte Standards und die Hybris des Westens

Während Brüssel und Washington auf der einen Seite darauf pochen, dass, wie im NVV unmissverständlich festgelegt, Staaten dauerhaft auf Atomwaffen verzichten, vergessen sie geflissentlich den anderen Teil der dort niedergeschriebenen Vereinbarung mit den nuklearen Habenichtsen. Denn Artikel VI des NVV schreibt gleichzeitig folgendes vor: „Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung und strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.“

Nun ist es aber offensichtlich, dass dieser Teil des NVV-Gesamtpakets von den etablierten Atommächten vollständig ignoriert wird. Weder die USA, noch Großbritannien oder Frankreich (auch nicht Russland und China) denken auch nur im Geringsten daran, ihre Arsenale abzurüsten. Im Gegenteil, wir erleben derzeit eine Renaissance nuklearer Waffen in den Einsatzplänen von EU und USA, etwa im European Defence Paper oder im US-amerikanischen Nuclear Posture Review, der den Iran sogar als ein mögliches Ziel solcher Atomschläge benennt.

Das Kernproblem besteht also darin, dass dem Iran keine glaubhafte Nicht-Angriffsgarantie gegeben wird: „Es gäbe Mittel und Wege, die Krisen zu minimieren, wahrscheinlich sogar, sie zu beenden. Als Erstes müssen die durchaus glaubhaften Drohungen Amerikas und Israels gegen den Iran verschwinden. Diese Drohungen zwingen den Iran – im Sinne der Abschreckung – praktisch zur Entwicklung von Atomwaffen.“ (Noam Chomsky: Im Atomkonflikt mit dem Iran wäre eine Verhandlungslösung greifbar nah, ZNet Kommentar 19.06.2006) Genau dies kommt aber nicht in Frage, es würde es unmöglich machen mißliebige Länder in der ölreichsten Region der Welt zu maßregeln.

Ölkrieg und militärische Versorgungssicherung

Angesichts dramatisch schwindender Ölvorkommen nimmt die militärische Versorgungssicherung einen immer größeren Stellenwert in den westlichen Strategiedokumenten ein. Sowohl der Entwurf für ein Weißbuch, ein bindendes militärisches Planungsdokument, der Bundeswehr, als auch sein Pendant auf EU-Ebene, das European Defence Paper (EDP), sprechen diesbezüglich Klartext.

Im EDP (S. 18f.) finden sich auch Hinweise, weshalb die Verbreitung von Atomwaffen unbedingt verhindert werden muss: „eine Nuklearisierung des höchst instabilen Mittleren Ostens hätte direkte Konsequenzen für Europa…Manche mögen argumentieren, dass diese Proliferationsrisiken keine direkte militärische Gefahr für die Union als solche darstellen, aber da 50 Prozent des europäischen Energiebedarfs aus dieser Region kommt, sind sie eine direkte Bedrohung.“

Im selben Dokument wird sogar ein konkreter Kriegseinsatz mit folgenden Worten beschrieben: „Künftige regionale Kriege könnten europäische Interessen tangieren […] indem Sicherheit und Wohlstand direkt bedroht werden. Bspws. durch die Unterbrechung der Ölversorgung und/oder einer massiven Erhöhung der Energiekosten, [oder] der Störung der Handels- und Warenströme.“ (EDP: S. 81) Konkret wird folgendes, augenscheinlich an den Golfkrieg 1991 angelehntes Szenario beschrieben, der auch offen als Vorbild benannt wird: „In einem Land x, das an den indischen Ozean grenzt haben anti-westliche Kräfte die Macht erlangt und benutzen Öl als Waffe, vertreiben Westler und greifen westliche Interessen an.“ Ziel sei es „das besetzte Gebiet zu befreien und die Kontrolle über einige der Ölinstallationen, Pipelines und Häfen des Landes x zu erhalten.“ (EDP: S. 83) Geht es nach den Vorstellungen würde sich die Europäische Union in einem solchen mit insgesamt 60.000 an einer US-geführten Truppe im Umfang von 250.000 Soldaten beteiligen. Ersetzt man nun X mit Iran und den indischen Ozean mit dem Persischen Golf ist man bedrohlich nahe an dem, was demnächst traurige Realität werden könnte.

Zwar plant Washington keine Bodenoffensive, sondern „lediglich“ massive Luftangriffe, dennoch werden die Zerstörungen und die zivilen Opfer im Iran ein dramatisches Ausmaß annehmen. Zudem ist eine weitere Eskalation nicht ausgeschlossen, denn ein westlicher Angriff wird zu einer beispiellosen Solidarisierung mit dem iranischen Regime führen, worauf bspws. Nobelpreisträgerin und Regimekritikerin Shirin Ebadi wiederholt hingewiesen hat.

Nachdem nun der Iran den Verzicht auf die Urananreicherung als Vorbedingung für weitere Verhandlungen abgelehnt hat, steht zu befürchten, dass sich der Konflikt in den nächsten Wochen und Monaten weiter zuspitzen wird. In diesem Zusammenhang muss sich die deutsche Regierung für eine friedliche Lösung des Konfliktes einsetzen, statt selbst eifrig an der Eskalationsspirale mit zu drehen. Während der Konflikt mit dem Iran primär mit den schwindenden Ölvorkommen zusammenhängt, liegen die Ursachen für den zweiten zentralen heutigen Konflikttyp allgemeiner in der Wirkungsweise des gegenwärtig dominierenden Weltwirtschaftssystems.

Der Kongo als Prototyp der Globalisierungskriege

Vorgeblich zur Absicherung der Wahlen, entsandte die Europäische Union unlängst etwa 2000 Soldaten, 765 davon von der Bundeswehr in den Kongo. Ihre Mission sei, so die Homepage der Bundeswehr, die „Hilfe beim demokratischen Neubeginn.“ Diese Begründung ist absurd. Denn die größte Oppositionspartei, die UDPS, boykottierte die Wahl, so dass lediglich die Warlords Joseph Kabila und Jean-Pierre Bemba antraten, die beide tief in den immer noch wütenden Bürgerkrieg verstrickt sind.

Tatsächlich geht es bei dem Einsatz um die Absicherung deutscher Interessen, wie Verteidigungsminister Franz Josef Jung bestätigte. „Es geht auch um zentrale Sicherheitsinteressen unseres Landes! […] Stabilität in der rohstoffreichen Region nützt auch der deutschen Wirtschaft.“ Allgemeiner lässt sich sagen, dass die Globalisierung den westlichen Großkonzernen neue Profitmöglichkeiten eröffnete, sie aber gleichzeitig auch anfälliger für Krisen und Konflikte in der Dritten Welt gemacht hat. Christian Schmidt, CSU-Staatssekretär im Verteidigungsministerium, schreibt etwa: „Die Destabilisierung bestimmter Entwicklungs- und Schwellenländer kann das internationale Wirtschafts- und Finanzgeschehen und unsere Interessen als Exportnation negativ tangieren.“

Die Ursachen der Globalisierungskonflikte

Derzeit ist viel die Rede von so genannten „Neuen Kriegen“, innerstaatlichen Gewaltkonflikten, die angeblich völlig neue Merkmale aufweisen würden. Erstens hätten sie ihre Ursachen in religiösen, ethnisch-kulturellen Streitigkeiten, und zweitens habe der Westen keinerlei Schuld an diesen Konflikten.

Betrachtet man das empirische Material stellt sich aber ein ganz anderes Bild dar. Viele Konflikte in der Dritten Welt, werden von westlichen Waffenlieferungen maßgeblich angeheizt. Sie entstehen vorwiegend dort, wo Rohstoffreichtum zum Fluch wird, weil das westliche Interesse an deren Ausbeutung maßgeblich vorhandene Konflikte schürt.

Für den Kongo etwa stellte ein UN-Bericht fest, dass sich 85 Firmen, u.a. fünf deutsche Konzerne, darunter die Bayer Tochter H.C. Starck, am Bürgerkrieg bereichert haben und schlug gegen 25 davon Sanktionen vor. Leider verschwand dieser Bericht nach kürzester Zeit wieder aus dem Internet.

Der entscheidende Faktor aber, weshalb Konflikte gewaltsam eskalieren, ist Armut, wie inzwischen selbst Weltbank-Studien (Breaking the Conflict Trap, 2003) bestätigen. Somit trägt also der Westen, der durch die Ausweitung der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung maßgeblich für die Verarmung weiter Teile der Weltbevölkerung gesorgt hat, die primäre Verantwortung für Kriege und Konflikte in der Dritten Welt.

Jährlich sterben 45 Millionen Menschen an Hunger und Unterernährung. Es ist diese soziale Perspektivlosigkeit und die nackte Angst vor dem Überleben, die Menschen in die Gewalt treibt und die wiederum militärisch „befriedet“ wird, um für die Stabilität des neoliberalen Systems zu garantieren. Hierfür werden Milliarden in die Rüstung gepumpt, während die Opfer der im Weltwirtschaftssystem angelegten strukturellen Gewalt weitgehend ignoriert werden, für sie ist kein Geld da.

Militäreinsätze als neoliberaler „Stabilitätsexport“

Die dickste Lüge besteht aber in der Behauptung, westliche Militäreinsätze seien notwendig, um Stabilität für eine wirtschaftliche Entwicklung gewährleisten zu können. Denn wer „Sicherheit“ und „Staatlichkeit“ herbeibomben will, um Länder anschließend so lange unter die Schirmherrschaft westlicher Protektorate zu stellen, bis sie neoliberalen Spielregeln gehorchen, perpetuiert damit lediglich den Teufelskreis aus Armut und Gewalt. Exakt dies ist aber die traurige Praxis, die sich hinter dem beschönigenden Begriff des „Stabilitätsexports“ verbirgt.

Auch wenn dies alles offiziell unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung geschieht, in vielen Teilen der Welt werden westliche Soldaten keineswegs als Wohltäter, sondern als Besatzer gesehen, gegen die sich mehr und mehr zur Wehr setzen. Peter Ustinov sagte einmal: „Der Terrorismus ist der Krieg der Armen und Krieg ist der Terrorismus der Reichen.“ Es ist dieser Teufelskreis, aus dem ausgebrochen werden muss.

Fazit: No Justice, No Peace! Kein Friede ohne Gerechtigkeit!

Ohne eine grundsätzliche Änderung des neoliberalen Wirtschaftssystem wird es zu immer weiteren Konflikte kommen, die der Westen dann „befriedet“ um den Teufelskreis aus Armut und Gewalt und damit den Dampfkessel der Globalisierungskonflikte halbwegs unter Kontrolle zu halten.

Offenbar – und dies ist durchaus positiv – lehnen immer größere Teile in Deutschland solche Einsätze der Bundeswehr ab, das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr spricht bereits besorgt von einem „Akzeptanzproblem“ für derlei Einsätze. Jüngsten Umfragen zufolge sprachen sich bspws. 59 Prozent der Deutschen gegen den Kongo-Einsatz aus, wobei die Befürwortung unter Besser- und Bestverdienenden dramatisch höher ist, als in den niedrigeren Einkommensschichten. Gleichzeitig hat die Bundeswehr – trotz sinkender Akzeptanz – derzeit kein Nachwuchssorgen, denn der drastische Sozialabbau in Deutschland hat zur Folge, dass mehr und mehr Jugendliche in der Bundeswehr ihre einzige Möglichkeit sehen, eine gesicherte berufliche Existenz aufbauen zu können. Wenn also Michael Dauderstädt von der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung in der Financial Times Deutschland (13.01.2004) „Kanonen statt Butter“ fordert, fordern wir hier Abrüstung und soziale Gerechtigkeit statt Sozialabbau, sowohl in Deutschland, als auch weltweit.