Frauen und Bundeswehr – Gleiches Recht für alle! Niemand und Keiner zur Bundeswehr!

Erklärung des Bezirksfrauenausschusses der IG Metall Baden-Württemberg

von: | Veröffentlicht am: 31. Dezember 1999

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Wir sind für Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen. Alle Stellen und Berufe im öffentlichen Dienst und der privaten Wirtschaft – eingeschlossen die in qualifizierten technischen Bereichen – sollen in allen Hierarchiestufen bis hinauf zu Ministern und Geschäftsführern zu 50 % von Frauen besetzt werden. Bei Kanzler und Präsidenten könnte ein abwechselndes Verfahren eingeführt werden.

Aber wir lehnen es ab, Frauen auch im Wachdienst � „also auch mit der Waffe“ in der Bundeswehr einzusetzen. Denn es geht bei diesem Vorstoß von Minister Scharping nach dem nun erfolgten Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg nicht um Gleichstellung oder Gleichberechtigung von Frauen. Zwei andere Dinge sollen vielmehr vorangetrieben werden:

– die Militarisierung der Gesellschaft
– die Idee eines sozialen Billig-Jahr für alle

Die Militarisierung der Gesellschaft

Hintergrund ist die neue Weltmachtrolle, in die die alte und neue Bundesregierung unser Land bringen will. Ihrer Meinung nach gehört dazu die Militarisierung der Außenpolitik. Dazu wiederum gehöre eine Bundeswehr, die überall auf der Welt schnell ein- greifen kann, um unsere Märkte und Rohstoffbasen zu vertei- digen. �Wir befinden uns am Beginn einer neuen Phase deut- scher Außenpolitik, die ich die Globalisierung deutscher Außen- politik nenne möchte. … Wenn alle anderen Mittel versagt haben, müssen wir bereit sein, militärische Macht einzusetzen� (Roman Herzog vor der Gesellschaft für Auswärtige Politik, 1996)

Hindernis auf diesem Weg ist die Kriegsunwilligkeit der deut- schen Bevölkerung. Immer noch müssen Kriegseinsätze der Bundeswehr wie z.B. in Jugoslawien als �humanitäre Einsätze� für Menschenrechte ausgegeben werden. Die Verweigerungsrate der jungen Männer ist nach wie vor hoch.

Wir sind nicht der Meinung, dass es der �Natur und Bestim- mung� der Frau widerspricht, eine Maschine zu bedienen, auch nicht eine Maschine, deren einziger Zweck es ist, zu töten.

Aber wir halten die Bundeswehr für überflüssig, weil spätestens nach dem Ende der Systemkonkurrenz die Verteidigungsarmee nicht mehr gebraucht wird. Wir sehen aber, dass die Bundesregierung sich die Option schaffen will, in anderen Ländern an- und einzugreifen. Deswegen sind wir gegen die Bundeswehr, deswegen sind wir gegen Soldaten und gegen Soldatinnen. Zur �Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt�, wie es in den Verteidigungspolitische Richtlinien von 1992 heisst, ist eine Bundeswehr auch nicht nötig.

Wir wollen nicht, dass in diesem Land noch mehr Menschen zum Töten ausgebildet werden. Es ist keine Gleichberechtigung und keine Gleichstellung, wenn Frauen auf Kommando von anderen töten müssen. Das Wort �Dienst� sagt aus, wie weit uns Frauen eine verantwortliche Position zugebilligt wird. Außerdem fehlt uns das Verständnis dafür, dass es Fortschritt für Frauen aus den USA gewesen sein soll, dass sie an den Kriegen in Korea, Vietnam, El Salvador, Grenada, auf den Philippinen und am Golf beteiligt sein �durften�.

Soziales Billig-Jahr für alle

Entsprechend der neuen Außenpolitik wird die Bundeswehr zur Zeit umgerüstet. Ihr Schwerpunkt sollen schnelle Eingreif- truppen werden, die „hinter den feindlichen Linien“ agieren sollen. Dafür eignet sich ein Berufsheer besser als eine Wehr- dienstarmee. Aus Sicht von Teilen der Bundesregierung und der Hardthöhe müsste der Wehrdienst abgeschafft und ein aus �Freiwilligen� bestehendes Berufsheer eingerichtet werden. Das führt zu einem neuen Problem: Es gibt dann keine �billigen� Wehrdienstverweigerer mehr, die für `n Appel und `n Ei soziale Dienste überall dort leisten, wo tarifgerecht bezahlte Fachkräfte abgebaut wurden.

Hat man keine Zivildienstleistenden mehr für diese Arbeiten, muss man etwas neues schaffen. Die Lösung: Das soziale Jahr für alle. Die Einführung einer allgemeinen militärischen und sozialen Dienstpflicht für alle Männer und Frauen wurde bereit im September 1991 auf dem „Fürstenfeldbrucker Symposium für Führungskräfte aus Bundeswehr und Wirtschaft“ – veranstaltet von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber- verbände und der Bundeswehr – gefordert.

Wenn Frauen auch �Dienst� an der Waffe tun �dürfen�, ist die Bundesregierung in der öffentlichen Diskussion ein Stück weiter gekommen, dass man von Männer und Frauen gleiche „Dienste“ verlangen kann. Die Idee des sozialen Jahrs ist in den Köpfen der Menschen ein Stückchen mehr verankert.

In unserem Interesse ist: Kein Militär auf der Welt
Militär ist ein Instrument der Unterdrückung, der Zerstörung von Menschen und der Natur, und dient der Aufrechterhaltung von Machtinteressen. Brutale Unterdrückungen der Frau von sexuelle Nötigungen bis zu Vergewaltigungen sind in der amerikanischen Armee gang und gäbe.

Unsere Frauen-Interessen liegen woanders. Frauen stehen an der Spitze der Arbeitslosen, finden sich am unteren Ende der Lohn- und Gehaltsskala. Sie haben die schlechtesten Aufstiegs- chancen und die wenigsten Qualifizierungsmaß- nahmen. Ihnen stehen überwiegend nur die niedrigst bezahlten Ausbildungs- plätze offen. Frauen sind die Ärmsten im Land. Sie stellen den größten Teil der SozialhilfeempfängerInnen. Sie haben die niedrigsten Renten. Frauendiskriminierung, Sexismus und Gewalt gehören nach wie vor zum Bild dieser Gesellschaft.

Gleichberechtigung und Gleichstellung schaffen bedeutet im ersten Schritt diese Ungerechtigkeiten abzuschaffen. Verbesserung der Lebensqualität für alle Menschen ist unser Ziel, nicht im „Dienst an der Waffe“ auf Kommando zu töten.

Wir sprechen uns gegen eine Wehrpflicht für Frauen aus. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes beseitigt ein Beschäfti- gungsverbot für Frauen. Es darf aber nicht dazu genutzt werden, Frauen „an die Waffen zu drängen“. Frauen geht es nicht um den Dienst in Kampfeinheiten sondern um technisch anspruchs- volle Arbeitsplätze. Es ist höchste Zeit, dass auch die private Wirtschaft die immer noch bestehenden Benachteiligungen von Frauen in qualifizierten technischen Bereichen endlich beseitigt.

Wir wollen keinen Dienst an der Waffe – weder für Frauen noch für Männer.