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EU-Gipfel brachte weitere Militarisierung der EU-Verfassung

Beim EU-Gipfel in Brüssel am 17./18. Juni 2004 sind Veränderungen gegenüber dem Originalentwurf vorgenommen worden, die den Charakter der EU-Verfassung als Militärverfassung verschärfen.

von: Gerald Oberansmayr / Friedenswerkstatt Linz / Dokumentation | Veröffentlicht am: 5. Juli 2004

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Beim EU-Gipfel in Brüssel am 17./18. Juni 2004 sind nicht nur die Abstimmungsmodalitäten überarbeitet worden, es sind auch substantielle inhaltliche Veränderungen gegenüber dem Originalentwurf vorgenommen worden, die den Charakter der EU-Verfassung als Militärverfassung verschärfen.

Vor allem zwei Punkte müssen hier erwähnt werden:

* Die Einrichtung einer expliziten militärischen Beistandsverpflichtung
* Das Protokoll über die sog. „Ständige strukturierte Zusammenarbeit“, d. h. die Bildung des militärischen „Kerneuropas“

Einrichtung einer militärischen Beistandsverpflichtung

Art. I-40 Abs. 7

Im Altentwurf war zwar auch bereits die sog. „engere Zusammenarbeit im Bereich der gegenseitigen Verteidigung“ vorgesehen. Das war eine militärische Beistandsverpflichtung jener, die es wollten, also freiwillig. Das ist nun in eine für alle verbindliche Beistandsverpflichtung umgewandelt worden. Wörtlich heißt es im Art. I-40 Abs. 7 nun:

„Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates müssen die anderen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung leisten. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.“

Bemerkenswerterweise ist diese EU-Beistandsverpflichtung härter als etwa die NATO-Beistandsverpflichtung. Der letzte Satz könnte zwar noch als Möglichkeit zur Wahrung der Neutralität interpretiert werden, wird aber mit Sicherheit von der Regierung über den „Kriegsermächtigungsartikel“ 23f, etc. weggedrückt werden, wenn es zum militärischen Ernstfall kommt. Dieser neutralitätswidrige Artikel 23f ermöglicht die Teilnahme Österreichs an weltweiten EU-Militäraktionen. Wer es mit der Verteidigung der Neutralität ernst meint, müsste die sofortige Streichung des Artikel 23f verlangen. Gerade aber die Befürworter der EU-Verfassung – von Voggenhuber, Platter, Gusenbauer bis Haider – tun gerade das nicht.

Die ständige strukturierte Zusammenarbeit (SSZ)

Art. I-40 Abs. 6
Aus der „Strukturierten Zusammenarbeit“ wird nun eine „Ständige strukturierte Zusammenarbeit“ (SSZ).

Art. III-213
Im Altentwurf steht lapidar, dass jene „die hinsichtlich der militärischen Fähigkeiten anspruchsvollere Kriterien“ erfüllen, eine SZ bilden. Nun gibt es genaue Regeln dafür:

* Über Erstteilnahme an der SSZ entscheidet der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit.

* Über die Teilnahme weiterer Mitglieder entscheiden nur die Außenminister der SSZ mit qualifizierter Mehrheit.
* Über den Ausschluss aus der SSZ entscheiden nur die Außenminister der SSZ mit qualifizierter Mehrheit.

Über die SSZ ist auch elegant das Vetorecht in der GASP und ESVP umschifft, indem der Zugang bzw. die Hinauskomplimentierung aus der SSZ mit qualifizierter Mehrheit der Klubmitglieder erfolgt. Wer nicht spurt, riskiert rauszufliegen. Wer nicht „zuverlässig“ agiert, kommt erst gar nicht rein.

Protokoll über die ständige strukturierte Zusammenarbeit:

Artikel 1

An der ständigen strukturierten Zusammenarbeit gemäß Artikel I-40 Absatz 6 der Verfassung kann jeder Mitgliedstaat teilnehmen, der sich ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags über eine Verfassung für Europa verpflichtet,

a) seine Verteidigungsfähigkeiten durch Ausbau seiner nationalen Beiträge und gegebenenfalls durch Beteiligung an multinationalen Streitkräften, an den wichtigsten europäischen Ausrüstungsprogrammen und an der Tätigkeit des Europäischen Amtes für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten (nachstehend „Amt“) intensiver zu entwickeln und

b) spätestens 2007 über die Fähigkeit zu verfügen, entweder als nationales Kontingent oder als Teil von multinationalen Truppenverbänden bewaffnete Einheiten bereitzustellen, die auf die in Aussicht genommenen Missionen ausgerichtet sind, taktisch als Kampftruppen konzipiert sind, über Unterstützung unter anderem für

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Transport und Logistik verfügen und fähig sind, innerhalb von 5 bis 30 Tagen Missionen nach Artikel III-210 aufzunehmen, um insbesondere Ersuchen der Organisation der Vereinten Nationen nachzukommen, und diese Missionen für eine Dauer von zunächst 30 Tagen, die bis auf 120 Tage ausgedehnt werden kann, aufrechtzuerhalten.

Artikel 2

Die an der SSZ teilnehmenden Mitgliedstaaten verpflichten sich zwecks Erreichung der in Artikel 1 aufgeführten Ziele zu

a) einer Zusammenarbeit ab dem Inkrafttreten des Vertrags über eine Verfassung für Europa zur Verwirklichung der vereinbarten Ziele für die Höhe der Investitionsausgaben für Verteidigungsgüter und zur regelmäßigen Überprüfung dieser Ziele im Lichte des Sicherheitsumfelds und der internationalen Verantwortung der Union;

b) einer möglichst weit gehenden Angleichung ihres Verteidigungsinstrumentariums, indem sie insbesondere die Ermittlung der militärischen Erfordernisse harmonisieren, ihre Verteidigungsmittel und -fähigkeiten gemeinsam nutzen und gegebenenfalls spezialisieren sowie die Zusammenarbeit auf den Gebieten Ausbildung und Logistik stärken;

c) konkreten Maßnahmen zur Stärkung der Verfügbarkeit, der Interoperabilität, der Flexibilität und der Verlegefähigkeit ihrer Truppen insbesondere, indem sie gemeinsame Ziele für die Entsendung von Streitkräften aufstellen und gegebenenfalls ihre nationalen Beschlussfassungsverfahren überprüfen (z. B. Eliminierung von Parlamentsvorbehalten, etc.; Anm. G. O.)

d) einer Zusammenarbeit mit dem Ziel, dass sie die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um u. a. durch multinationale Konzepte und unbeschadet der sie betreffenden Verpflichtungen innerhalb der NATO die im Rahmen des „Mechanismus zur Entwicklung der Fähigkeiten“ festgestellten Lücken zu schließen;

e) einer eventuellen Mitwirkung an der Entwicklung gemeinsamer oder europäischer Programme für wichtige Güter im Rahmen des (Rüstungs-)Amtes.

Artikel 3

Das (Rüstungs-)Amt trägt zur regelmäßigen Evaluierung der Beiträge der teilnehmenden Mitgliedstaaten zu den Fähigkeiten bei, insbesondere der Beiträge nach den in erster Linie auf der Grundlage von Artikel 2 aufgestellten Kriterien, und erstattet hierüber mindestens einmal jährlich Bericht. Die Evaluierung kann als Grundlage für die Empfehlungen sowie für die Beschlüsse des Rates dienen, die gemäß Artikel III-213 der Verfassung erlassen werden.

Wir müssen davon ausgehen, dass die SSZ zum eigentlichen Machtzentrum der EU werden wird. Interessanterweise werden Teile der EU-Verfassung – wie eben die Herausbildung der SSZ, aber auch die Schaffung eines diplomatischen Dienstes für den EU-Außenminister – bereits jetzt in Angriff genommen, obwohl die EU-Verfassung noch nicht ratifiziert ist. Das ist eine offene Verletzung der Rechtsstaatlichkeit. D. h. es werden einfach vollendete Fakten für den Fall geschaffen, dass die EU-Verfassung den Prozess der Ratifizierung in den EU-Staaten nicht übersteht. Wenn man das Protokoll zur SSZ und die anderen Passagen der EU-Verfassung anschaut, insbesondere den Artikel I-40 (Aufrüstungsverpflichtung, Rüstungssamt, Militärmissionen, …), dann muss man davon ausgehen, dass sich mit der SSZ eine EU-Struktur herausschält, die den Führungsanspruch des militärisch-industriellen Komplexes in Verfassungsrang erhebt, indem

* eine Aufrüstungsverpflichtung im Verfassungsrang samt Überprüfungsbehörde festgeschrieben wird,

* eine sich ausschließlich nach militärischen Kriterien bestimmt ständige Führungsstruktur (SSZ) bildet, die über die Selbstreproduktion (Aufnahme und Ausschluss) selbst verfügen kann,

* deren oberstes Ziel die Fähigkeit zum raschen militärischen Intervenieren rund um die Welt ist,

* die sich der permanenten „Evaluierung“ durch ein Rüstungsamt unterwirft (also im Grunde durch sich selbst plus die Repäsentanten von Rüstungsindustrie und Generalität).

(Quelle: http://www.friwe.at/EUVerfassung/EUMilitaerverfassungNeues.htm )

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