IMI-Analyse 2023/46

Die Bundeswehr im Funkloch 

Digitalisierung als nächstes Beschaffungsdesaster

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 5. Oktober 2023

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Seit Jahren gleicht das Beschaffungswesen der Bundeswehr einer Realsatire, über die man sich amüsieren könnte, wenn – ganz abseits der grundsätzlichen Frage, inwieweit Kriegsgerät überhaupt beschafft werden sollte – dadurch nicht Milliardenbeträge versenkt würden. Ganz aktuell sind die Umstände, unter denen die Anschaffung neuer digitaler Funkgeräte verbockt wurde, regelrecht spektakulär. Dabei ist es nicht allein die Tatsache, dass bei der Bestellung schlicht vergessen wurde, dass man sich auch um den Einbau kümmern muss, auch Verteidigungsminister Boris Pistorius macht bei der ganzen Angelegenheit keine gute Figur. Dass es jetzt zu massiven Verzögerungen kommt, obwohl hier auf ein extra vor nicht allzu langer Zeit geschaffenes Prozedere zur Beschleunigung des Beschaffungswesens zurückgegriffen wurde, setzt dem Ganzen dann die Krone auf. Generell deutet zudem nichts darauf hin, dass künftige Beschaffungsprojekte reibungsloser über die Bühne gehen werden – im Gegenteil.

Von Panne zu Panne

Im bislang letzten 17. Rüstungsbericht der Bundesregierung wird das Beschaffungsdebakel mit Zahlen unterlegt: Demzufolge weisen die Großprojekte der Bundeswehr eine durchschnittliche Verspätung von 33 Monaten bei Gesamtkostensteigerungen von 11,849 Mrd. Euro auf. Auf den ersten Blick stellt dies zumindest für Rüstungsbefürworter womöglich eine Verbesserung dar, schließlich war zB im 14. Rüstungsbericht vom Dezember 2021 noch von einer Verspätung von 52 Monaten und Kostensteigerungen von 13,8 Mrd. Euro die Rede. Diese Entwicklung rührt aber vor allem daher, dass in den letzten Jahren einige der problematischsten Projekte zum Abschluss gebracht worden waren. Gleichzeitig kamen eine Reihe neuer Beschaffungsvorhaben hinzu, die bislang kaum oder wenig Gelegenheit hatten, drastische Verspätungen oder Kostensteigerungen zu fabrizieren (im aktuellen Bericht zB F-35A, Boxer, Arrow… siehe IMI-Standpunkt 2023/21).

Schlagzeilen machte in jüngster Zeit unter anderem der Pannenpanzer Puma, der nach 69-monatiger Verspätung deutlich teurer als geplant ausgeliefert wurde. Dabei befand er sich allerdings in einem so erbärmlichen Zustand, dass er für hohe dreistellige Millionenbeträge nachgerüstet werden musste, nur damit dann von diesen bereits aufgebohrten Panzern im Dezember letzten Jahres 18 von 18 Stück bei einer Übung den Geist aufgaben (siehe IMI-Analyse 2023/02). Dennoch gab der Haushaltsausschuss nach etwas Hin und Her nicht nur die Gelder für die Aufrüstung von 143 weiteren Pumas frei, sondern auch 1,5 Milliarden Euro für die Beschaffung von 50 weiteren dieser Prachtexemplare. Ähnlich „reibungslos“ verläuft die Beschaffung neuer Flottendienstboote, bei denen die Kosten mittlerweile von zwei Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden Euro geklettert sind (siehe IMI-Standpunkt 2023/024).

Auch das Luftverteidigungssystem Arrow 3 scheint sich hier nun einzureihen: Nur kurz nachdem der Haushaltsausschuss im Juni 2023 die vier Milliarden hierfür bewilligt hatte, meldeten sich erste Stimmen, die dem Projekt weitgehende Nutzlosigkeit attestierten. So wurde bereits im Juli 2023 unter anderem aus den Reihen des Frankfurter Friedensforschungsinstituts (PRIF) darauf hingewiesen, dass sich Arrow 3 überhaupt nicht für die Abwehr der bedrohlichsten russischen Raketen eignet: Die größte Bedrohung für Deutschland und Europa geht derzeit vor allem von russischen Kurzstreckenraketen des Typs 9K720 Iskander und der Hyperschallwaffe Kh-47M2 Kinzhal sowie von russischen Marschflugkörpern aus. Allen diesen Waffensystemen ist allerdings gemein, dass sie die Erdatmosphäre während ihres Fluges gar nicht verlassen. In anderen Worten: Arrow 3 kann russische Kurzstreckenraketen oder Marschflugkörper überhaupt nicht abfangen.“ Dementsprechend zitiert der PRIF-Artikel auch andere Forscher, die zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen. Simon Højbjerg Petersen, Experte für die Abwehr ballistischer Raketen, wird mit den Worten wiedergegeben, er halte den Kauf von Arrow 3 für „die seltsamste Beschaffungsentscheidung, die ich seit langem gesehen habe.“

Diese Kritik wurde dann auch von der Welt (28.09.2023, Nr. 189, S. 10) aufgegriffen: „Der Deal wird aktuell so schnell abgewickelt wie kaum ein Rüstungsgeschäft vor ihm. So schnell, dass Kritiker des Deals kaum zu Wort kommen. Doch hinter den Kulissen der deutschen Verteidigungspolitik brodelt es. Diverse Experten zweifeln öffentlich am Nutzen der Arrow 3 für Deutschland und Europa. Sie monieren, dass praktische Gründe bei der Beschaffung augenscheinlich nur eine untergeordnete Rolle spielen – und dass die Bundesregierung die Kritik gar nicht erst wahrnehmen möchte.“ So wird Frank Sauer, Strategieexperte bei der Bundeswehruniversität München, mit den Worten zitiert: „Arrow 3 schließt eine Fähigkeitslücke, zu der es in Europa zurzeit gar keine passende Bedrohung gibt. […] Zur Abwehr klassischer Marschflugkörper oder auch zur Abwehr der neuen Hyperschallwaffen wie der russischen ‚Kinschal‘ ist [Arrow 3] nicht geeignet. Denn diese Raketen fliegen allesamt innerhalb der Atmosphäre.“

Während sich das Luftverteidigungssystem Arrow 3 erst am Anfang seiner Beschaffungsmisere befindet, steckt die Digitalisierung der Bundeswehr bereits mittendrin.

Funkgeräte: Einbau vergessen

Nach aktuellen Planungen soll dem Bereich „Führungsfähigkeit/Digitalisierung“ rund ein Viertel des Bundeswehr-Sondervermögens zufließen. Im Zentrum steht dabei die „Digitalisierung Landbasierter Operationen“ (D-LBO), die auf eine Vollvernetzung von der taktischen bis hin zur strategischen Ebene zielt. Dafür müssen unter anderem sämtliche bislang analog arbeitende Funkgeräte in zigtausend Fahrzeugen der Bundeswehr ausgetauscht werden. Die Gelder für die Bestellung internettauglicher und abhörsicherer Funkgeräte wurden vom Haushaltsausschuss am 14. Dezember 2022 bewilligt. Freigegeben wurden 1,35 Milliarden Euro für etwa 20.000 Funkgeräte. Ferner wurde mit dem Hersteller, dem Münchner Unternehmen Rohde & Schwarz, eine Option für den Kauf weiterer 14.000 Funkgeräte zum Preis von 1,52 Milliarden Euro vereinbart (für die Betriebskosten in den kommenden 20 Jahren wurden außerdem 2,2 Milliarden Euro veranschlagt).

Diese Funkgeräte laufen nun zu – oder besser: auf. Denn augenscheinlich hat sich niemand darüber Gedanken gemacht, dass die Teile auch in die Fahrzeuge eingebaut werden müssen: „Seit Januar laufen Monat für Monat Funkgeräte zu – um dann in Depots eingelagert zu werden. […] Der Grund: In den zuständigen Abteilungen des Verteidigungsministeriums und des nachgeordneten Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung hat sich offenbar niemand um die Detailfrage der Montage gekümmert – jedenfalls nicht rechtzeitig und abgestimmt.“ (Die Welt, 27.9.2023)

Pistorius: Von der Offensive zum Rückzug

Kurz nach Aufkommen der Kritik am Funkgeräte-Beschaffungsvorgang ging Verteidigungsminister Boris Pistorius erst einmal in die Offensive, nur um kurz darauf wieder zurückrudern zu müssen: „‘Falscher als falsch“ nannte Boris Pistorius Berichte über erhebliche Probleme mit neuen Funkgeräten. Nun zeigt sich: Informiert war der Minister schlechter als schlecht.“ (Zeit online , 27.9.2023)

Der Versuch, die Angelegenheit herunterzukochen, scheiterte schon allein daran, dass Spiegel Online (25.9.2023) eine interne Einschätzung der Bundeswehr durchgestochen wurde, die das genaue Gegenteil dessen besagte, was der Verteidigungsminister von sich gab: „In dem vertraulichen Sachstand jedenfalls räumt sein [Pistorius‘] Haus erhebliche Fehlplanungen bei der Beschaffung der neuen Funkgeräte-Generation ein. […] Im Kern räumt das als Verschlusssache eingestufte Papier ein, dass sich die Planer der Bundeswehr bei der Entscheidung für das Funkgerät D-LBO des Herstellers Rohde und Schwarz offenbar gar keine Gedanken gemacht hatten, wie man die Geräte in die verschiedenen Bundeswehr-Fahrzeugtypen einbaut. […] Der bisherige Zeitplan für die Einführung des Systems wirkt angesichts der Probleme völlig unrealistisch. ‚Die unterschätzte Komplexität‘, so räumt das Ministerium jetzt ein, führe zu erheblichen Verzögerungen.

Allerdings sind auch diese Aussagen einigermaßen dubios, es bleibt wohl das Geheimnis des Verteidigungsministeriums, weshalb man sich dort keine Gedanken um den Einbau der Funkgeräte gemacht haben soll, wenn – worauf Thomas Wiegold, Betreiber des Blogs Augen geradeaus! hinwies – das Problem bereits im 8. Bericht des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten vom Dezember 2018, wenn auch etwas verklausuliert, angesprochen wurde: „Die großen Herausforderungen und Risiken von D-LBO liegen wegen der Vielzahl und Verschiedenartigkeit der zu betrachtenden mobilen Elemente sowie der Integration verschiedener Kommunikationstechnologien in der zeitlichen und inhaltlichen Strukturierung der durchzuführenden Beschaffung bei gleichzeitig dynamisch fortschreitender technischer Innovation im Bereich Digitalisierung. Vor allem geht es dabei um zeitgerechte Integration in die unterschiedlichen Plattformen, um die identifizierten Kräftedispositive unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen wie u.a. der Erhalt der Einsatzbereitschaft oder der Industriekapazität zur Plattformintegration, zeitgerecht ausstatten und umrüsten zu können.“

Jedenfalls änderte Pistorius schnell seine „Falscher-als-falsch-Rhetorik“: Er sei „sehr verärgert“ über die Fehlinformationen, die er über die Angelegenheit aus seinem Haus erhalten habe – seine Verantwortung sei das Desaster allerdings nicht, schließlich wären die Funkgeräte noch unter seiner Vorgängerin Christine Lambrecht bestellt worden. Ganz als kampferprobter Krisenmanager versuche er nun „zu heilen, was zu heilen ist„.

Recht gallig beschreibt Zeit online (27.9.2023) die als Kommandokette daherkommende stille Beschaffungspost der Bundeswehr mit folgenden Worten: „Es funktioniert so: Dort, wo man bei der Bundeswehr Maschinengewehre anfasst, Flugzeuge, Schiffe und Helikopter auseinander- und wieder zusammenschraubt oder halt Funkgeräte einbaut, stellt jemand fest: Da ist was kaputt, da fehlt was, da braucht man was Neues. In der Meldekette nach oben wird in jedem Glied – und davon gibt es viele – das Kaputte ein wenig weniger kaputt, das Fehlende etwas, das bestimmt schon unterwegs ist, und das, was man neu braucht, zu etwas, was so neu gar nicht sein muss. Und am Ende sind die Dinge ‚noch verwendbar‘, ‚im Zulauf‘ oder ‚gehen auch so noch‘.“

Doch auch damit ist die Geschichte noch nicht auserzählt – denn vor allem der Informationsfluss im unmittelbaren Umfeld des Verteidigungsministers wirft einige Fragen auf: „Wie der Business Insider aufgrund eigener Recherchen berichtet, nahm Nils Hilmer (SPD), Staatssekretär im Verteidigungsministerium, am 16. August an einem Treffen teil, bei dem die Probleme mit den Funkgeräten besprochen wurden. Bei dem Treffen im Beschaffungsamt Koblenz seien die Probleme mit dem Einbau, deren zeitliche Auswirkungen und Kosten thematisiert worden. Entspricht der Bericht der Wahrheit, so stellen sich zwei Fragen. Hat Pistorius nur vorgegeben, nicht schon früher von dem Debakel gewusst zu haben? Oder wurden dem Verteidigungsminister von einem seiner engsten Vertrauten Informationen vorenthalten?“ (Fuldauer Zeitung, 27.9.2023)

Juristische Querelen

Eigentlich müssen Rüstungsaufträge europaweit ausgeschrieben werden – in dringenden Fällen nationalen Interesses und zum Schutz von Schlüsseltechnologien pocht die Bundesregierung aber darauf, Ausnahmen machen zu können – so auch im Fall der Funkgeräte, wo der Auftrag direkt Rhode & Schwarz zugeschustert wurde.

Das Prozedere erboste den Mitkonkurrenten Thales derart, dass er gegen die Vergabe vor Gericht zog. Ein kleines, aber durchaus pikantes Detail ist in diesem Zusammenhang die Ursache, weshalb der Konzern wohl juristische Schritte ergriff, offenbart es doch viel über den aktuellen Stand der deutsch-französischen „Freundschaft“: „Beobachter gehen davon aus, dass Thales Deutschland die Klage vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit der Konzernmutter in Paris abgestimmt hat. Da sich Thales in Teil-Staatsbesitz und letztlich aufgrund der Beziehung zu den französischen Streitkräften als wichtigstem Kunden quasi unter Staatskontrolle befindet, könnte die Klage […] auch als Spitze Frankreichs gegen das deutsche Verteidigungsministerium interpretiert werden. [Sie] wird in Fachkreisen als Retourkutsche von Staatspräsident Emmanuel Macron für die offenbar ohne Absprache mit Paris erfolgte Umsetzung der European Sky Shield Initiative (ESSI) in der Luftverteidigung durch Deutschland gesehen.“ (Europäischen Sicherheit & Technik, 29.6.2023)

Welche Motivation auch immer dahinterstecken mag, die Klage ist weiterhin anhängig und würde ihr stattgegeben, müsste wohl eine Neuausschreibung des Auftrags erfolgen. Dass dennoch mit der Auslieferung der Funkgeräte begonnen werden konnte, war nur durch kürzliche rechtliche Änderungen möglich: „Dass die Führungsfunkgeräte trotz des anhängigen Rechtsstreits ausgeliefert und auch bezahlt werden, liegt an von Pistorius‘ Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) durchgesetzten Änderungen im Vergaberecht, die Verzögerungen in der Zeitenwende verhindern sollten.“ (Tagesspiegel, 24.9.2023)

NATO-Ziele versenkt – nächster Skandal bahnt sich an

Die Bundeswehr hat der NATO zugesagt, bis 2025 eine digitalisierte Division (~15.000-20.000 Soldat*innen) zur Verfügung zu stellen (siehe IMI-Analyse 2022/45). Da die Funkgeräte in über 100 unterschiedliche Fahrzeugtypen eingebaut werden müssen und sich dabei derzeit wohl allerlei neue bislang ungeahnte Probleme auftun, gehen Beobachter*innen nicht davon aus, dass der bisherige Zeitplan eingehalten werden kann: „Dabei drängt die Zeit. Die Bundesregierung steht bei der Nato im Wort, ab 2025 eine voll ausgerüstete Division mit drei Brigaden und 15.000 Soldaten bereitzustellen. Die vorbereitenden Übungen und Zertifizierungen stehen bereits 2024 an. Dafür müssten rund 10.000 Fahrzeuge mit einer digitalen Anfangsbefähigung (‚D-LBO basic‘) zur Verfügung stehen. Ohne diese Ausstattung wäre die Division mit veralteter Kommunikationstechnik nicht führungsfähig, die Zusage an die Nato obsolet – eine Blamage für den Kanzler und seinen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).“ (Die Welt, 27.9.2023)

Unterdessen bahnt sich bereits der nächste Skandal an: So meldete der Business Insider (2.10.2023), bis Ende des Jahres solle mit Airbus ein Vertrag zur Lieferung von bis zu 82 H145M-Helikoptern abgeschlossen werden. Sie sollen die Tiger-Kampfhubschrauberflotte der Bundeswehr ersetzen und das, obwohl hiergegen massive Bedenken geäußert wurden: „[Es] gibt […] innerhalb des Ministeriums sowie der Bundeswehr gravierende technische, finanzielle, operative sowie juristische Bedenken gegen das Beschaffungsvorhaben. Die zuständige Wehrtechnische Dienststelle der Bundeswehr etwa schrieb von einer ‚rein politischen Entscheidung, die am operationellen Bedarf vorbeigeht‘; die Unterabteilung Strategische Fähigkeitsentwicklung im BMVg warnte vor ‚Einschränkungen bei Gefechtstauglichkeit, Durchsetzungs- und Durchhaltefähigkeit sowie dem Schutz der Besatzung‘.“

Erneut ohne Ausschreibung sollen die wohl acht Milliarden Euro an Airbus gehen, was auch damit zusammenhängen dürfte, dass Airbus laut Business Insider zusammen mit dem Bundeswehr-Beschaffungsamt die Anforderungen für das Projekt ausgearbeitet haben soll, um etwaige Konkurrenten von vorneherein hinauszudrängen: „Begründung: Trotz möglicher Alternativen von Bell oder Leonardo könne nur Airbus mit seinen H145M das leisten, was die Truppe brauche. Eine Argumentation, die jedoch nach neuen Recherchen von Business Insider konstruiert wirkt. Denn der Konzern hat nach vorliegenden Informationen an der Erstellung der Vergabeunterlagen für den Milliardendeal im Vorfeld kräftig mitgearbeitet. So half das Unternehmen den Beamten des Bundeswehr-Beschaffungsamtes (Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz: BAAINBw), die Anforderungen an das Rüstungsprojekt so zu formulieren, dass es auf das spätere Angebot von Airbus passt.“ (ebd.)

Mit Tempo gegen die Wand

Was diese ganzen Affären vor allem vor Augen führen, ist die Vielebenen-Dysfunktionalität des Bundeswehr-Beschaffungssystems. Doch ein Ende ist nicht in Sicht: Schon von einem 63seitigen Reformpapier, das noch unter Verteidigungsministerin Christine Lambrecht erarbeitet wurde, gingen Beobachter*innen nicht davon aus, dass es geeignet sei, die Probleme im Beschaffungsprozess zu beheben. Ihr Nachfolger Boris Pistorius kassierte dieses Reformpapier dann gleich ganz ein und setzt stattdessen auf Tempo. In einem als „Pistorius-Doktrin“ bekanntgewordenen Tagesbefehl Ende April 2023, postulierte er, bei der Beschaffung habe vor allem der „Faktor Zeit“ fortan „oberste Priorität“.

Und tatsächlich wurden laut Handelsblatt (4.10.2023) im Zeitraum zwischen 1. Januar und 21. August 2023 bereits 31 Beschaffungsvorlagen mit einem Gesamtwert von rund 21 Milliarden Euro vorgelegt  – rund doppelt so viel wie im Vorjahr. Möglich sei dies geworden, weil es aus der Ministeriumsspitze die klare Ansage gegeben habe, es sei kein Beinbruch, wenn zugunsten des Tempos auch einmal Flüchtigkeitsfehler passieren würden. Allerdings scheint genau dies nun unter anderem bei der Beschaffung der Funkgeräte zu den beschriebenen Problemen geführt zu haben, berichtet das Handelsblatt weiter: „Größeres Tempo kann aber auch ein höheres Fehlerrisiko bedeuten und die Rechtssicherheit der Verfahren einschränken. Bei der Auftragsvergabe für die neuen Digitalfunkgeräte ist offenbar der technische Aufwand, die Geräte in Hunderte verschiedene Fahrzeugtypen zu integrieren, nicht ausreichend bedacht worden. Die Folge: Der Zeitplan für die Einführung wird sich wohl um mindestens ein Jahr verzögern.“

Gleichzeitig schießen durch das Sondervermögen die Rüstungsinvestitionen der Bundeswehr durch die Decke: Im kommenden Jahr sollen sie auf 21,9 Mrd. Euro klettern (von 8,9 Mrd. Euro (2022) und 16,2 Mrd. Euro (2023)). Wie ein schon zuvor hoffnungslos überforderter Beschaffungsapparat mit diesen zusätzlichen Geldern zurande kommen soll, bleibt das Geheimnis derjenigen, die immer mehr Geld für die Bundeswehr fordern – immer häufiger sogar verknüpft mit der schamlosen Forderung, zur Re-Finanzierung die Sozialausgaben radikal zusammen zu kürzen (siehe IMI-Studie 2023/2).

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine erweiterte und aktualisierte Fassung eines Beitrags, der zuerst bei Telepolis erschien.