IMI-Analyse 2022/45

Divisionen im Eiltempo – 2025, 2027…

Bundeswehr auf NATO-Kurs?

von: Martin Kirsch | Veröffentlicht am: 16. August 2022

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Pünktlich zum NATO-Gipfel in Madrid Ende Juni 2022 wurden auch die neuen Strukturpläne des Bündnisses veröffentlicht.[1] Demnach sollen nicht nur die unmittelbar an der Ostflanke stationierten Bündnistruppen aufgestockt werden, auch die Eingreiftruppen des Bündnisses sollen massiv wachsen. Bisher hatte die NATO Responce Force (NRF) einen Umfang von gut 40.000 Soldat*innen. Hinzu kam die Planung der NATO-Bereitschaftsinitiative, die die Bereitschaft von weiteren rund 30.000 Truppen vorsah. Im Rahmen des sogenannten New Force Model wird jetzt mit der Mobilisierung von bis zu 800.000 Soldat*innen unter dem Kommando des Bündnisses geplant.

Bereits vor zwei Jahren hatte die damalige Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer das Ziel ausgegeben, Deutschland solle 10% der NATO-Fähigkeiten zur Verfügung stellen.[2] Was das genau bedeutet und wie die Bundeswehr das leisten soll, beantwortete sie damals nicht. Jetzt ist die Rechnung klarer. Die Bundeswehr müsste, um ein Zehntel der NATO-Truppen zu stellen, 80.000 Soldat*innen samt Schiffen und Flugzeugen in abgestufter Kampfbereitschaft halten.

Eine Veröffentlichung des Reservemagazins Loyal gibt jetzt zumindest erste Einblicke in die Planungen der Bundeswehrspitze. In einem „Zielbild Einsatzkräfte Heer“ wird der aktuelle Verhandlungsstand zur künftigen Struktur der Truppe aufgezeigt.

NATO New Force Model

Laut den in Madrid veröffentlichten Plänen will sich die NATO bis 2025 in die Lage versetzen, bis zu 800.000 Soldat*innen zu mobilisieren. In einer ersten Phase (Tier 1) innerhalb von zehn Tagen ist die Abrufbereitschaft von 100.000 Soldat*innen geplant. Darunter eine 40.000 Soldat*innen umfassende Schnelle Eingreiftruppe (Allied Reaction Force), die permanent der NATO unterstehen soll.[3] In einem zweiten Schritt (Tier 2) sollen innerhalb von zehn bis 30 Tagen 200.000 weitere Soldat*innen aktiviert werden können. Schlussendlich ist der Plan, im Ernstfall eine Truppenstärke von bis zu 800.000 zu erreichen. Dazu würden in einer dritten Phase (Tier 3) innerhalb von ein bis sechs Monaten 500.000 weitere Soldat*innen aktiviert.

Neben dieser Verzehnfachung der für die Mobilisierung unter NATO-Kommando eingeplanten Truppen soll auch die Präsenz des Bündnisses entlang der Ostflanke aufgestockt werden. Bisher war die NATO Response Force (NRF) für örtlich undefinierte Einsätze auf dem gesamten Globus vorgesehen. Abgesehen von der Allied Reaction Force, die diesen Job übernimmt, ist jetzt geplant, den jeweiligen nationalen Armeen klare Einsatzräume entlang der Ostflanke zuzuweisen. Für Deutschland könnte das einen Bereich zwischen Litauen im Norden und der Slowakei im Süden bedeuten.

Diese Verortung soll nicht nur für die NATO-Battlegroups gelten, die von Bataillons- auf Brigadestärke (bis zu 5.000) aufgestockt werden. Auch die Folgekräfte sollen bereits in definierten Einsatzräumen üben, um die lokalen Truppen und geographischen Gegebenheiten kennenzulernen. Zudem ist von der Einlagerung von Material wie Munition, Verpflegung, aber auch Großgerät in diesen Einsatzräumen die Rede.[4]

Mit der aktuellen Truppenrotation wurde die Battlegroup in Litauen unter deutscher Führung bereits um Anteile eines Brigadestabes ergänzt.[5] Über die weiteren deutschen Pläne war bisher nur bekannt, dass die Bundeswehr ab 2025 bis zu 30.000 Truppen mit 85 Schiffen und Flugzeugen in 30-Tage-Bereitschaft halten will.[6] Mit welchen Truppen das aber geschehen sollte, blieb offen.

Zielbild Einsatzkräfte Heer

Am 8. August 2022 veröffentlichte das Magazin des Reservistenverbandes „Loyal“ erste Einblicke in die Planungen für die neuen Strukturen der Bundeswehr.[7] Auch wenn es sich dabei explizit nicht um einen von der Ministeriumsspitze beschlossenen Plan handelt, sondern um den aktuellen Verhandlungsstand, gibt das dort gezeigte „Zielbild Einsatzkräfte Heer“ einen Eindruck davon, wohin die Reise gehen wird.

Sofort ins Augen fällt, dass entgegen dem „Plan Heer“ von 2018 (erste Division bis 2027 und zwei weitere bis 2031) nicht nur die Fertigstellung der ersten Division (10. Panzerdivision), wie bereits im März angekündigt, den NATO-Zielen entsprechend bis 2025 einsatzbereit gemacht werden soll.[8] Laut dem “Zielbild Einsatzkräfte Heer” ist auch die Einsatzbereitschaft einer zweiten Division (1. Panzerdivision) bereits bis 2027 geplant. Die dritte Division (DSK) würde dann, folgt man einer Rede von Heeresinspekteur Mais, bis Ende der Dekade voll einsatzbereit sein.[9]

Ansonsten sieht die Struktur der alten oberflächlich relativ ähnlich. Es gibt drei Divisionen und je nach Zählung siebeneinhalb bis acht Brigaden. Der Blick ins Detail zeigt allerdings einige relevante Umbauten. Darunter auch den Aufbau bisher nicht existenter Korpstruppen.

Korps- und Divisionstruppen

Vor 1990 bestand die Bundeswehr aus 36 Brigaden (je ca. 5.000 Soldat*innen) in 12 Divisionen (bis zu 20.000), die wiederum jeweils in drei Korps (50-100.000) gegliedert waren. Während die Brigaden die Kampftruppen und einige Unterstützungstruppen beinhalteten, fand sich das Gros der Unterstützungstruppen auf Korps- und Divisionsebene. In den 2000er Jahren wurden diese Ebenen massiv abgebaut. Für Auslandseinsätze waren die Massen an Unterstützungstruppen schlicht nicht nötig. Wie aus einem Baukasten wurden Einsatzkontingente für Afghanistan oder Mali zusammengebaut.

Die Pläne, wieder Korps- und Divisionstruppen aufzubauen und sich damit wieder für einen potenziellen Krieg mit Russland zu rüsten, existieren seit 2018. Die NATO fordert diese Unterstützungskräfte für die Meldung von Großverbänden für das Bündnis. Jetzt werden sie erstmals konkreter. Mit wenigen Ausnahmen sollen in den drei geplanten Divisionen und auf Korpsebene wieder Fernmelde-, Artillerie-, Aufklärungs-, Pionier- und Versorgungsbataillone angesiedelt werden. Im Vergleich zum jetzigen Stand müssen die Bataillone der Fernmelde- und Artillerietruppe dafür etwa verdoppelt werden.

Die 2021 von Kramp-Karrenbauer angekündigte Auflösung der Streitkräftebasis (SKB) und die Teilung des Sanitätsdienstes[10] wird nach aktuellen Plänen allerdings nicht kommen.

Vielmehr ist geplant, spezifische Einheiten der Flugabwehr (Luftwaffe), der Logistik, Militärpolizei, ABC-Abwehr und Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit (SKB), des Sanitätsdienstes und der durch das Kommando CIR geführten Truppen für Elektronische Kampfführung und Operative Kommunikation den drei Divisionen zuzuordnen.[11]

Die Einheiten verbleiben dann im Normalbetrieb unter dem Kommando ihres jeweiligen Organisationsbereichs. In einem sogenannten Couleurverhältnis üben sie aber regelmäßig zusammen mit den Heerestruppen, mit denen sie auch in den Kampf ziehen würden.

Deutsch-Niederländische Heereskooperation

Über die bereits beschriebenen Veränderungen hinaus fällt auf, dass auch drei Brigaden der niederländischen Armee auf dem Schaubild auftauchen. Bereits seit 1995 haben sich das deutsche und das niederländische Heer zusammengeschlossen und betreiben gemeinsam das 1. Deutsch-Niederländische Korps mit Sitz in Münster. In den letzten Jahren wurde außerdem eine weitreichende Heereskooperation vereinbart.[12] Sowohl die Doktrin als auch das Material der Niederländer und der Deutschen sollen schrittweise angeglichen werden, um gemeinsam kämpfen zu können. In 2014 wurde die 11. Luftmobile Brigade der niederländischen Armee in die deutsche Division Schnelle Kräfte integriert. Zwei Jahre später folgte die Integration der 43. Mechanisierten Brigade in die 1. Panzerdivision samt Aufbau eines Deutsch-Niederländischen-Panzerbataillons in Bergen-Lohheide in Niedersachsen.

Die niederländischen Brigaden stehen weiterhin unter niederländischem Befehl. Sie üben aber im Rahmen der deutschen Divisionen und können so ohne Vorbereitung zusammen in den Kampf geschickt werden. Im Gegenzug ist die deutsche Marineinfanterie in das niederländische Korps Marinier integriert.

Mit der jetzt angekündigten Integration der 13. Leichten Brigade (Infanterie mit Boxer) in die 10. Panzerdivision sind alle drei niederländischen Brigaden mit je einer deutschen Division verzahnt.

Gemeinsam mit den niederländischen Brigaden bestehen die zwei Panzerdivisionen damit aus je einer Panzerbrigade, einer Panzergrenadierbrigade und zwei Mittleren Brigaden.

Mittlere Kräfte – In Tagen an der Bündnisgrenze

Nach längeren Diskussionen und Vorbereitungen scheint es jetzt festzustehen: Die Jägertruppe der Bundeswehr, Infanterie mit Radpanzerfahrzeugen, wird grundlegend umgebaut.

Als Ziel sollen drei Mittlere Brigaden entstehen. Diese beinhalten nicht nur neue Radschützenpanzer – Boxer mit Turm für Maschinenkanone und Panzerabwehrraketen – für die Kampftruppe, sondern auch auf Radpanzern oder LKW bewegliche Unterstützungseinheiten.

Diese neuen Mittleren Brigaden sind zwar deutlich leichter bewaffnet und gepanzert als die klassischen Panzer(grenadier)brigaden. Ihr Vorteil ist aber die hohe Beweglichkeit.[13]

Mit unter 40 Tonnen je Fahrzeug können sie über alle Brücken fahren, die für größere zivile LKW zugelassen sind. Außerdem können sie sich auf den eigenen Rädern quer durch Europa bewegen und sogar in zwei Tagen aus eigener Kraft zentrale Teile der Ostflanke der NATO erreichen. Für die Verlegung einer Panzerbrigade wären Sattelschlepper bzw. Güterzüge und eine deutlich längere Transportzeit nötig. Diese Funktionsweise wurde im Februar 2022 von einer US Stryker Brigade mit Radpanzern vorgeführt. Noch vor Kriegsausbruch verlegte sie innerhalb von Tagen Einheiten aus Süddeutschland nach Ungarn, Rumänien und Bulgarien, um dort Präsenz zu zeigen.[14]

Nach diesem Vorbild soll neben der bisherigen Panzerbrigade 21 aus NRW auch die bisherige Panzergrenadierbrigade 41 aus Mecklenburg-Vorpommern umgebaut werden, die dann für das Kommando der NATO-Truppen in Litauen und die schnelle Verlegung von Bundeswehreinheiten dorthin zuständig sein soll. Über diese Funktion für Abschreckung und Krieg in Europa hinaus können die Mittleren Kräfte mit relativ geringem Aufwand in Transportflugzeuge verladen und so auch in Auslandseinsätze weltweit geflogen werden.

Im Kern sind die Mittleren Kräfte allerdings die neue Fähigkeit der Bundeswehr, mit der die Aussage von Kanzler Scholz „Wir werden jeden Zentimeter des Nato-Territoriums verteidigen“ umsetzbar gemacht werden soll. In ihrer Aufstellung steckt die Klarheit, dass die Bundeswehr im Ernstfall nicht mehr an der Elbe und im Bayerischen Wald kämpfen wird, sondern an den Grenzen zu Belarus und Russland.

Leichte Division

Das Einfliegen von Soldat*innen ist allerdings die Spezialität der dritten Division der Bundeswehr. Bisher existierte die Division Schnelle Kräfte (DSK) aus Stadtallendorf in Hessen eher als organisatorischer Rahmen für Fallschirmjäger, Spezialkräfte und Hubschraubereinheiten. Das ändert sich jetzt. Auch die DSK erhält Divisionstruppen und gibt das Kommando Hubschrauber an die Korpsebene ab. Dafür bekommt sie das Kommando über die Gebirgsjägerbrigade 23 aus Bad Reichenhall. Die Gebirgsjäger werden vollständig zu leichten Luftbeweglichen Infanterieverbänden für den Kampf in extremem Gelände und unter extremen Witterungsbedingungen umgebaut. Das beinhaltet nicht nur Gebirge und Hochgebirge wie im Alpenraum, sondern auch extreme Kälte in der Arktis (Norwegen/Finnland/…), Hitze und Trockenheit in der Wüste (Afghanistan/Mali/…) sowie Hitze und Feuchtigkeit im Dschungel (Tropen).

Zudem werden die Strukturen der Gebirgsjägerbrigade und der Luftlandebrigade 1 angeglichen. Dort werden wieder, wie bereits vor 1990, drei Fallschirmjägerbataillone samt Unterstützungskräften angesiedelt. In Merzig im Saarland entsteht dafür eine neues Fallschirmjägerbataillon. Die so reorganisierte Fallschirmjägerbrigade könnte dann z.B. im Rahmen der bereits erwähnten Allied Reaction Forces der NATO unterstellt werden.

Das für die sogenannte Nationale Krisenvorsorge äußerst relevante Fallschirmjägerregiment in Seedorf bleibt nämlich parallel bestehen. Dort werden alle vier Spezialfallschirmjägerkompanien (EGB)[15] angesiedelt. Diese können weiter zur Unterstützung der Spezialkräfte (KSK und KSM) eingesetzt werden. Ihr Hauptauftrag ist allerdings die Rettung von im Feindgebiet isolierten Soldat*innen und die Durchführung von Militärischen Evakuierungsoperationen, wie sie zuletzt im August 2021 am Flughafen Kabul vor den Augen der Weltöffentlichkeit durchgeführt wurden.

Alles in allem bedeutet das einen Ausbau der Fallschirmjägertruppe und eine weitere Konzentration von Einheiten für Spezialoperationen. Die angeblichen Reformprozesse rund um Rechte Netzwerke und das KSK hatten noch im letzten Jahr das Ziel, diese Konzentration aufzulockern, um die Bildung von extremem Korpsgeist und rechten Strukturen zu verhindern.

Neue Standorte

Um all diese Umstrukturierungen umsetzen zu können, werden an mindestens sieben bestehenden Standorten (Seedorf, Lüneburg, Havelberg, Stallendorf, Schwarzenborn, Stetten, Weiden) die dort stationierten Truppen deutlich aufgestockt. Das allein wird den neuen Platzbedarf allerdings nicht decken. Daher sieht das Konzept zwei völlig neue Bundeswehrstandorte vor.

Bereits im März 2021 hatten die damalige Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und der sächsische Ministerpräsiden Kretschmer angekündigt, zur Stationierung neuer Truppeneile und zur Strukturförderung in der Braunkohleregion Oberlausitz einen neuen Bundeswehrstandort einrichten zu wollen.[16] Auf den jetzt veröffentlichten Schaubildern finden sich zwei neue Artilleriebataillone, die anscheinend in Bautzen stationiert werden sollen. Wo genau diese Kaserne gebaut werden soll, ist bisher allerdings nicht bekannt.

Etwas klarer scheint das Bild an einem zweiten neuen Standort. Bereits Ende Juni 2022 geisterte es durch die Presse, dass die Bundeswehr in Oerbke in der Heide einen neuen Standort errichten will.[17] Das Schaubild enthält jetzt zwei Artilleriebataillone, ein Panzerpionier- und ein Versorgungsbataillon mit der Ortsbezeichnung Osterheide. Dabei handelt es sich um einen Bereich auf dem riesigen Truppenübungsplatz Bergen, in dem sich eine große Kaserne befindet, die 2015 von den letzten britischen Soldat*innen verlassen wurde. Nachdem dort zwischenzeitig Geflüchtete in Massenunterkünften untergebracht waren, entsteht hier ein neuer Großstandort der Bundeswehr. Damit wird der Trend der Gegenkonversion, also die Wiederinbeschlagnahme bereits abgegebener Militärstandorte und die Inbesitznahme ehemals ziviler Flächen weiter fortgesetzt.

Und das Personal

Auch wenn es sich bei den beiden neuen Standorten um eher strukturschwache Regionen handelt, scheint eine Frage für die Bundeswehr allerdings weiter ungeklärt. Woher soll das Personal für die neuen Verbände kommen? Schließlich müssen rund 14 neue Bataillone und diversen neue Kompanien nicht nur mit Kasernen und Material ausgerüstet werden.

Ein Teil des Umbaus trügt allerdings. So sind die aktuellen Artilleriebataillone beispielsweise so personalstark, dass ohne große Verluste fast zwei aus ihnen gemacht werden können. Personaleinsparungen durch neue Technologie kommen hinzu. So werden die künftigen Radhaubitzen nicht mehr von vier, sondern nurnoch von zwei Soldat*innen bedient. Zudem werden einige künftige Bataillone schlicht kleiner sein als ihre aktuellen Vorgänger.

Einen weiteren Weg weist das Stichwort „Tiefe Integration der Reserve“.[18] So ist auf dem Schaubild zur Bundeswehrstruktur bisher nur ein eigenständiges Reservebataillon zu sehen. Die weiteren bestehenden Reservebataillone könnten aufgelöst und als Personalverstärkung in die neuen Verbände integriert werden.

Nichtsdestotrotz läuft die Bundeswehr wie alle anderen Arbeitgeber auf eine demographische Delle zu. Aktuell sinken die Zahlen der aktive Soldat*innen soagr leicht, anstatt wie geplant deutlich zu steigen. Daher setzt die Bundeswehr aktuell wieder verstärkt auf Werbe- und Rekrutierungsmaßnahmen.[19] Während Standorte und Kriegsmaterial mit 100 Milliarden Euro eingekauft werden können, scheint die Rekrutierungsfrage komplexeren Gesetzen zu folgen. Die Intensität der Versuche Menschen in die Bundeswehr zu locken, wird daher deutlich zunehmen.

Fazit

Die Bundeswehr macht sich also, sofern es die Personallage zulässt und alle Beschaffungsprojekte nach Plan laufen, NATO-Fit. Teil davon ist die faktische Verschmelzung des Niederländischen und des Deutschen Heeres. Die künftigen Strukturen von NATO und Bundeswehr ähneln auf erschreckende Weise denen aus dem letzten Kalten Krieg. Allerdings auch mit deutlichen Anpassungen. Stand die Bundeswehr vor 1990 in vorderster Front, soll sie jetzt als Verstärkung an die Bündnisgrenzen eilen können, um dann dort zu kämpfen. Um diesen NATO-Auftrag zu erfüllen, werden Fallschirmjäger und Spezialkräfte ausgebaut bzw. konzentriert und ganze Panzerbrigaden zu Mittleren Brigaden mit Radpanzern umgebaut. Die Bundeswehr folgt damit dem Weg, den die USA, Frankreich und Großbritannien schon länger eingeschlagen haben. Die Truppen sollen beides erfüllen können: An der NATO-Ostflanke in Europa sollen sie abschrecken und bei Bedarf auch kämpfen und zugleich weiterhin für die Option zur Verfügung stehen, in Auslandseinsätze auf andere Kontinente geschickt zu werden.

Sollte dem Verteidigungsministerium dieser Umbau der Bundeswehr trotz diverser Komplikationen gelingen, wäre die deutsche Armee tatsächlich nicht nur auf dem Papier im Club der größten Militärmächte in der NATO angekommen. Welche erschreckenden politischen Ambitionen einige führende Politiker*innen daraus ableiten, lässt sich stellvertretend in Reden von SPD Generalsekretär Lars Klingbeil[20] und der grünen Außenministerin Annalena Baerbock[21] nachverfolgen. Dort ist dann von militärischer Gewalt als legitimem Mittel der Politik und von einer deutschen „Führungspartnerschaft” mit den USA die Rede.

Anmerkungen

[1]     NATO: New NATO Force Model, nato.int.

[2]     Spiegel-Online: Bundeswehr soll künftig „zehn Prozent der Fähigkeiten“ in der Nato stellen, 17.07.21, spiegel.de.

[3]     Stiftung Wissenschaft und Politik, Claudia Major und Göran Swistek: SWP-Aktuell – Die Nato nach dem Gipfel von Madrid: Norderweiterung, neues Strategisches Konzept und militärische Neuaufstellung, swp-berlin.org.

[4]     Ebd.

[5]     Augen Geradeaus: NATO-Battlegroup in Litauen – Wechsel an der Spitze, Weichen für künftige Brigade gestellt, 10.08.22, augengeradeaus.net.

[6]     Bundesministerium der Verteidigug: New Force Model – Wie Deutschland sich ab 2025 in der NATO engagiert, 25.07.22, bmvg.de.

[7]     Reservistenverband, Magazin Loyal: Neue Heeresstruktur weist den Weg in die Zukunft, 08.08.22, reservistenverband.de.

[8]     Hardthöhen-Kurier: Landdivision soll schon 2025 einsatzbereit sein, 22.03.22, hardthoehenkurier.de.

[9]     Bezüglich der dritten Division: Förderkereis Deutsches Heer e.V.: Rede Inspekteur des Heeres im Rahmen des Parlamentarischen Abends des FKH e.V. „Deutsche Landstreitkräfte und die NATO – Ostflanke“ am 6. April 2022, fkhev.de.

[10]   IMI, Martin Kirsch: IMI-Studie 2021/05, Bundeswehr der Zukunft – Eckpunkte für den Kalten Krieg 2.0, 26.05.21, imi-online.de.

[11]   Reservistenverband, Magazin Loyal: Neue Heeresstruktur weist den Weg in die Zukunft, 08.08.22, reservistenverband.de.

[12]   Bundesministerium der Verteidigung: Deutsch-Niederländische Militärintegration: Kräfte bündeln, Handlungsfähigkeit … , 04.02.16, bmvg.de.

[13]   BehördenSpiegel: Defence Days – Mittlere Kräfte des Heeres, 14.12.21, via Youtube: youtube.com.

[14]   IMI, Martin Kirsch: IMI-Analyse 2022/05, Die NATO macht mobil – Deutschland als Aufmarschgebiet, 01.03.22, imi-online.de.

[15]   Bundeswehr: EBG – Spezialisierte Kräfte des Heeres, bundeswehr.de.

[16]   Süddeutsche: Bundeswehr unterstützt Strukturwandel in der Lausitz, 21.03.21, sueddeutsche.de.

[17]   NDR: Oerbke wird neuer Bundeswehr-Standort – mit 2.000 Soldaten, 28.06.22, ndr.de.

[18]   Reservistenverband, Magazin Loyal: Neue Heeresstruktur weist den Weg in die Zukunft, 08.08.22, reservistenverband.de.

[19]   Horizont – Margaux Adam: Neue Imagekampagne – Die Bundeswehr kämpft erstmals seit 2016 wieder im TV um Nachwuchs, 08.08.22, horizont.net.

[20]   Friedrich-Ebert Stiftung: Zeitenwende – Der Beginn einer neuen Ära, Rede von Lars Klingbeil, 21.06.22, via Youtube: youtube.com.

[21]   Auswärtiges Amt: In schwierigen Zeiten den transatlantischen Moment nutzen – unsere gemeinsame Verantwortung in einem neuen globalen Umfeld. Rede von Außenministerin Annalena Baerbock an der New School/ New York, 02.08.22, auswaertiges-amt.de.