IMI-Analyse 2022/39 - in: Ausdruck Juni 2022
Unendliche Weiten …
Weltraum als Militärshow
von: Andreas Seifert | Veröffentlicht am: 21. Juli 2022
Jenseits profaner Satelliten existiert mit dem Weltall ein unendlicher Raum, den wir längst mit Geschichten angefüllt haben. Captain Kirk, Borgs, Darth Vader und Wookies sind Familienmitglieder und das mit ihnen verknüpfte Merchandising verleiht ihnen in gewissen Kreisen Omnipräsenz – eine Omnipräsenz, die wie nebenbei auch Elemente des Militärischen reproduziert.
Wenn man sich mit wirkmächtigen Zukunftsvisionen für den Weltraum in der Popkultur beschäftigt, so landet man schnell bei den einschlägigen Serien und Weltraumopern Star Wars und Star Trek. Während ersteres als episches Kriegsszenario (A long time ago in a galaxy far, far away…) zwischen Gut und Böse angelegt ist und vor allem in den Filmen besteht, hat uns letztere auch im Fernsehen über Jahrzehnte „begleitet“. Die Serien, angefangen von der Originalserie 1966-1969 über die Next-Generation 1987-1994, weiter über Deep-Space-Nine 1993-1999 und Raumschiff Voyager 1995-2001, die Enterprise 2001-2005 bis hin zum neuesten Ableger Discovery ab 2017 sind Gemeingut: Kaum eine militärische Einheit kann sich einer solch kontinuierlichen Aufmerksamkeit erfreuen wie die Sternenflotte – wissenschaftliche eingeschlossen. Wer gräbt, stößt beispielsweise auf „Ethica Themen“, die als militärethische Publikation des Instituts für Religion und Frieden im Rahmen der kath. Seelsorge des österreichischen Bundesheeres herausgegeben wurde.1 Unter dem Titel „Star Trek für Auslandseinsätze?“ versammeln die Herausgeber die Beiträge einer Tagung von 2009, die hier in ein paar Auszügen aufgegriffen werden soll.2 Das spannende ist dabei nicht nur die Auseinandersetzung an sich, sondern natürlich auch der Kontext des Bundesheeres, das den Fokus von vornherein auch auf militärische Motive in Star Trek legt.
Im Beitrag von Robert Hector (57-69) wird der Grundplot der unterschiedlichen Serien umrissen. Für ihn ist die Serie zutiefst humanistisch und ihre Philosophie von positiven Ideen durchzogen: Ein lebenswürdiges Gesellschaftsmodell der Zukunft; die Reise ins All ist eine Reise ins Innere der menschlichen Psyche; Gewalt ist eher ein Problem, nie aber Lösung; Menschen sind keine Eroberer, sondern Entdecker (68-69). Werner Suppanz (101-120) macht eine enge Verflechtung der Originalserie mit den politischen Einstellungen des Kalten Krieges und der Reproduktion gängiger Feindmuster aus: Sternenflotte/Föderation, friedliebend = USA; Klingonen, kriegerisch = UDSSR; Romulaner, verschlagen = maoistisches China. Diese Anleihen sind nicht zufällig, sondern gewollt: Anknüpfungspunkte in der Erlebniswelt der ZuschauerInnen. „Interessant ist, dass Kriege, Rassismus, Hunger etc. auf der Erde […] immer wieder ausdrücklich als Erscheinungen ‚primitiver‘ historischer Epochen angesprochen werden. Gleichzeitig prägen ähnliche Problemlagen den ‚Star Trek‘-Kosmos mehrere Jahrhunderte in der Zukunft.“(102) „Imperien analog den Flächenstaat und Einflussgebieten der Geopolitik und Militär, das an den Grenzen Stellung bezieht, suggerieren ebenso eine Übertragung der Aufteilung der irdischen Welt in kosmische Konstellation […]. Angesichts enormer Distanzen und der großen Leerräume zwischen den Sonnensystemen ist diese Entsprechung zwar fragwürdig, macht aber den Transfer von Konfliktkonstellationen und Kriegsszenarien anhand des irdischen Beispiels für Science-Fiction-LeserInnen und SeherInnen verständlich und nachvollziehbar.“ (104-105) Die Reproduktion der Kalte-Kriegs-Muster findet sich auch in der wiederholten Warnung vor der eigentlichen Kriegsaustragung, die als aussichtslos und tödlich umrissen wird.
Oliver Groß (121-130) knüpft hier an und fragt nach der Ausgestaltung der Vision für eine friedliche Zukunft und identifiziert den Willen zur Völkerverständigung: „Die Mannschaft der Enterprise will ‚verstehen‘ und so Licht (Aufklärung) in die Galaxis bringen. Dass sie allerdings mit diesem aufgeklärten Idealismus der Völkerverständigung auch an ihre Grenzen stoßen kann, wird auch gezeigt.“(122-123). Die Idealisierung der eigenen Lebensweise geht aber darüber hinaus, schließlich ist es eine militärische Einheit, die dieses Ideal in den Weltraum trägt: „[D]as Militärische in Star Trek wird nie ikonenhaft überhöht, aber auch nie wirklich in Frage gestellt.“(123). Die „Beschaulichkeit“ dieses militärischen Selbstverständnisses identifiziert er als Problem. Stefan Gugerel (163-183) versucht in seinem Zugang zum Thema Star Trek der Rolle von Frauen in Uniform näher zu kommen. Die Suche nach Star Trek-Vorbildern für Frauen im österreichischen Bundesheer gerät zu einem erhellenden Exkurs über Frauenbild und Frauenrollen in den verschiedenen Serien. Er konstatiert, dass nicht nur die Originalserie patriarchalen Mustern verhaftet geblieben ist.
Aus Sicht von Christian Wagnsonner (185-223) behandelt Star Trek ausdrücklich militärische Themen und die ProtagonistInnen sind durchweg Militärangehörige. „Nur ganz selten begegnen in den Serien zivile Bürger der Föderation, manchmal Wissenschaftler, sehr selten Politiker oder zivile Beamte. Oft übernehmen hohe Offiziere der Sternenflotte (Admiräle) politische bzw. diplomatische Funktionen, fällen außenpolitische Entscheidungen und handeln interstellare Verträge aus. Das mag dramaturgische (Übersichtlichkeit) und pragmatische (große Entfernungen) Gründe haben, demokratiepolitisch sind diese Praktiken als durchaus bedenklich einzustufen […].“(187) Er sieht im Einsatzspektrum von Star Trek aktuelle militärische und militärethische Fragestellungen inklusive der „Legitimität einer humanitären Intervention, die – ganz im Einklang mit der komplizierten Rechtslage in der Wirklichkeit – kontrovers diskutiert und in einzelnen Folgen auch sehr unterschiedlich beantwortet wird.“(189) Der identifizierte „militärische Dilettantismus“ (202) steht dabei im Widerspruch zur technologischen Überlegenheit der Schiffe und Waffensysteme. So kaschiert der friedliche Anspruch den missionarischen Sendungsglauben einer durchmilitarisierten Gesellschaft, die zur Durchsetzung der Mission auch Gewalt anzuwenden bereit ist. Er hinterfragt damit die der Föderation zugrundeliegenden sozialen und politischen Muster und macht ein Beharrungsvermögen klischeehafter Vorurteile aus, die sich sowohl in rassistischer Form äußern als auch durch diverse Leerstellen im politischen System der Föderation deutlich werden.
Star Trek wird in diesem lesenswerten Band zum dankbaren Forschungsgegenstand, da die Serie aktuelle, reale Probleme überhöht und in andere Sternensysteme verlagert und dort diskursiv behandelt – der Grundplot der Serie setzt der Behandlung jedoch Grenzen, wie auch die Festlegung auf den militärischen Träger ebenfalls bestimmte Muster der Bearbeitung limitiert. Star Trek allein prägt nicht unser Bild der „Eroberung“ des Weltraums, aber es legt die Akzeptanz militärischer Durchdringung der Raumfahrt als Basis von Erforschung nahe. Das Selbstverständnis, mit dem ZuschauerInnen bereit sind, dem militärischen Akteur auf der Leinwand moralische Reife zuzumessen, ist aber sicher überdenkenswert. Mit Banal Militarism wurde schon 2004 ein theoretischer Zugang vorgelegt, der vielleicht helfen kann, Serien wie Star Trek mit mehr Sensibilität zu begegnen.3 Die Omnipräsenz dieser Serie, wie auch ggf. des Star Wars-Imperiums, kann man nicht rückgängig machen, man kann aber den militärischen Gehalt verdeutlichen.
1 Das Institut gehört zum Militärordinariat (www.mildioz.at) und seine Publikationen werden mit dem Logo des Bundesheeres herausgegeben.
2 Christian Wagnsonner, Stefan Gugerel (Hg.), Star Trek für Auslandseinsätze? Konfliktstrategien und Lösungsansätze für reale Probleme in Science fiction, Ethica Themen, Wien 2011. (open access) Es bleibt anzumerken, dass Raumschiff Discovery keine Berücksichtigung finden konnte. Alle Angaben in Klammern beziehen sich auf die Seitenzahlen der Publikation.
3 Tanja Thomas, Fabian Virchow (Hg.), Banal Militarism, Zur Veralltäglichung des Militärischen im Zivilen, Transcript: Cultural Studies Bd. 13, Bielefeld 2013. (open access)