IMI-Analyse 2019/018 - in: junge Welt, 12.6.2019 (Update 18.6.)
Paramilitärische Polizei – Vorbild Bundeswehr
Die Innenministerkonferenz koordiniert die bundesweite Aufrüstung und Militarisierung der Polizei
von: Martin Kirsch | Veröffentlicht am: 18. Juni 2019
UPDATE: Der folgende Artikel wurde zum Auftakt der Innenministerkonferenz am 12.06.19 als Junge Welt Themenseite veröffentlicht. Erste bekannt gewordene Beschlüsse der IMK in Kiel sind eine Gesetzesinitiative zum Entzug der Staatsbürgerschaft für Personen, die der sogenannten „Clan-Kriminalität“ zugerechnet werden, die temporäre Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien und die Ausweitung der Abschiebebemühungen in das Kriegsgebiet Afghanistan. Zudem wurde über die Option beraten die Daten von „smarten“ Haushaltsgeräten zur polizeilichen Überwachung freizugeben. Die Gesamtliste der Beschlüsse ist noch nicht öffentlich. An den angekündigten Demonstrationen nahmen nach einem Bericht des Bündnisses „noimk2019“ bis zu 1.000 Personen teil.
Seit den Terroranschlägen von Paris und Brüssel 2015 befinden sich die deutschen Polizeibehörden in einer Aufrüstungsspirale. Während die Bundespolizei und einige Länderpolizeien neue Spezialeinheiten aufstellen, werden Streifenbeamte in paramilitärischen Schnellkursen geschult. Neues Material wie Maschinenpistolen und schwere Schutzausrüstung finden ihren Platz in den Streifenwagen. Bei dieser Aufrüstung wird auf Erfahrungen bei den Auslandseinsätzen der Polizei zurückgegriffen sowie auf Wissen und Infrastruktur der Bundeswehr. Als Koordinierungsgremium dieser Entwicklung fungierte in den vergangenen Jahren die Innenministerkonferenz (IMK), die ab heute zu ihrer 210. Sitzung in Kiel zusammenkommt.
Um die aktuellen Militarisierungstendenzen in der Polizei zu verstehen, lohnt ein Blick nach Afghanistan. Seit 2002 befinden sich deutsche Polizisten – im Schlepptau der Bundeswehr – am Hindukusch. In den ersten drei Jahren war die Bundesrepublik sogar Leitnation für den Aufbau einer neuen afghanischen Nationalpolizei. Seitdem ist der Afghanistan-Einsatz jährlich Thema bei der IMK.
Bei ihren Auslandseinsätzen in Afghanistan oder Mali, zu denen sie sich freiwillig melden, agieren die Polizisten zumeist von Militärbasen aus. Die Kooperation mit der Bundeswehr ist eng, und auch Uniform und Ausrüstung gleichen eher der von Soldaten als der eines Schutzmanns bei der Verkehrskontrolle.
Im Anschluss an ihre Auslandseinsätze kehren die Beamten nach einem kurzen Sonderurlaub wieder auf ihre alten Dienststellen zurück. Im Gepäck haben sie die Erfahrungen aus Aufstandsbekämpfungsmissionen: die Bundeswehr als selbstverständlicher Partner, permanente Gefahr von Anschlägen und Hinterhalten, die Alltäglichkeit, sich morgens eine schwere Schutzweste überzustreifen, sich das Gewehr umzuhängen und mit einem gepanzerten Fahrzeug in den Einsatz zu fahren. Außerhalb der befestigten Basen lauern überall potentielle Feinde.
Ausgehend von dieser Erfahrung forderte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Frühjahr 2015, kurz nach dem Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris die Ausstattung und Bewaffnung der Bundespolizei nach dem Vorbild der Auslandseinsätze – rund 80 Panzerfahrzeuge und Gewehre inklusive. Ein klares Zeichen, dass mit der Terrorhysterie auch die für Aufstandsbekämpfungsmissionen in der Ferne getesteten Rüstungsgüter und die damit einhergehende Logik in die Metropolen zurückkehren.
Neue Spezialeinheiten
Wie die GdP hatte auch der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bereits kurz nach den Anschlägen ein Rezept parat: die Gründung neuer Spezialeinheiten. Bereits Ende 2015 wurde die erste Teileinheit der BFE+ der Bundespolizei in Blumberg bei Berlin präsentiert. Für ihren Aufbau schöpfte das Innenministerium aus den bestehenden Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE), die zuvor als Greiftrupps bei Demonstrationen und Fußballspielen sowie bei Razzien eingesetzt wurden.
Das »Plus« erhalten die Einheiten von je 50 Beamten an fünf Standorten in der Republik infolge einer Zusatzausbildung bei der Spezialeinheit GSG 9. Dort werden sie geschult, die bestehenden Spezialkräfte bei Fahndungsmaßnahmen nach bewaffneten Terroristen, beim Schutz gefährdeter Orte und schlussendlich bei Razzien und Festnahmen zu unterstützen. Um diesen Auftrag ausführen zu können, haben sie neue Schutzausrüstung, Sturmgewehre und Fahrzeuge erhalten.
Erste bekannte Einsätze hatte die BFE+ bei Razzien, im Objektschutz auf dem Messegelände während des G-20-Gipfels 2017 in Hamburg und nach einer Anschlagswarnung am Stuttgarter Flughafen. Zudem waren Kräfte der BFE+ nach einem Anschlag auf den Strasbourger Weihnachtsmarkt im Dezember 2018 an den Grenzübergängen zwischen Baden-Württemberg und Frankreich aktiv, wo sie mit gezogenen Waffen den Verkehr kontrollierten.
Noch vor dem G-20-Gipfel war es die Polizei Hamburg, die ihre BFE-Kräfte nach dem Vorbild der Bundespolizei schulte und ausrüstete. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Rahmen der IMK befasste sich dann ab der zweiten Jahreshälfte 2017 mit der taktischen und technischen Ausrichtung der BFE. Auch wenn die Resultate dieser Arbeitsgruppe nicht öffentlich sind, ist klar zu erkennen, zu welchem Schluss sie gekommen ist: Mittlerweile haben mindestens acht Bundesländer Schritte unternommen, ihre BF-Einheiten der BFE+ der Bundespolizei anzugleichen.
Eingeführt wurden die BFE der Bereitschaftspolizei in den 1980er und 1990er Jahren. Die erste Einheit wurde 1985 in Hessen als Reaktion auf die Schüsse auf Polizisten während einer Demonstration gegen den Bau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens aufgestellt. Zur bundesweiten Einführung der BFE kam es dann, nach einer längeren Testphase, auf Empfehlung der Innenministerkonferenz 1995.
Damals wurde argumentiert, durch die Aufstellung einer Demospezialeinheit auf den Einsatz der Antiterrorspezialeinheiten (SEK) bei Versammlungen und Protestereignissen verzichten zu können. Zuvor war es zu teils erheblicher Kritik an dem besonders gewalttätigen Vorgehen der SEK, z. B. bei Räumungen von Blockaden und Besetzungen, gekommen. Es ist eine zynische Wendung der Geschichte, dass ausgerechnet diese BF-Einheiten jetzt von den SEK zu Antiterroreinheiten ausgebildet werden. Neben dieser zusätzlichen Aufgabe kommen sie im Alltag weiterhin als Greiftrupps bei Versammlungen und Fußballspielen zum Einsatz.
Panzer und Antiterrorstreifenwagen
Als weiteren Schritt der Aufrüstung erhalten die BFE+ der Bundespolizei momentan neue gepanzerte Fahrzeuge. Bei dem beschafften Modell handelt es sich um den LAPV Enok – eine gepanzerte Version eines Daimler-Geländewagens. Das leichte, geschützte Patrouillenfahrzeug wurde für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr entwickelt und ist daher mit der Option für eine fernlenkbare Waffenstation auf dem Dach ausgestattet. Auf eben diese Option, Spezialkameras, Scheinwerfer und ein Maschinengewehr aus dem Wageninneren zu steuern, will jetzt auch die Bundespolizei zurückgreifen. Zu diesem Zweck hat sie bereits 21 Waffenstationen vom Kassler Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann und dazu passende Maschinengewehre MG5A1 von Heckler & Koch bestellt.
Die Bedienung der Waffenstationen lässt sich die Bundespolizei von der Bundeswehr beibringen. Im März nahmen zwei Schießtrainer der Bundespolizeiakademie dafür an einem Lehrgang der Infanterieschule des Heeres im bayrischen Hammelburg teil. Gefragt nach der Kooperation von Bundeswehr und Bundespolizei sagte Polizeioberkommissar Sascha Reinemann gegenüber bundeswehr.de: »Es macht einfach keinen Sinn, das Rad neu zu erfinden.« Ein in Anbetracht der deutschen Geschichte geradezu beeindruckender Pragmatismus, der zeigt, dass es bei der Polizei kaum noch Hemmungen gibt, sich von der Bundeswehr ausbilden zu lassen.
Für ein anstehendes Großvorhaben, die Beschaffung von bis zu 74 neuen »geländegängigen, geschützten Mehrzweckfahrzeugen«, sprich Panzerwagen, geht das Bundesinnenministerium einen ähnlich pragmatischen Weg. So wird in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion zur Amtshilfe der Bundeswehr von diesem März ein Ersuchen des Innenministeriums für die Nutzung der Wehrtechnischen Dienststelle 41 in Trier zur »Unterstützung technischer Erprobung« aufgeführt. Speziell in dieser Bundeswehr-Liegenschaft werden militärische Ketten- und Radfahrzeuge erprobt. Ein klarer Hinweis darauf, dass dort die bundeseinheitliche Beschaffung von modernen Panzerfahrzeugen für die 17 deutschen Bereitschaftspolizeien vorbereitet wird. In einer Bekanntmachung des Beschaffungsamtes des Innenministeriums aus dem vergangenen Jahr werden die Eckdaten skizziert. Die bis zu 74 Fahrzeuge mit einem Höchstgewicht von 16 Tonnen sollen Platz für neun Personen bieten und gegen Minen, Sprengsätze, Splitter und Geschosse Schutz bieten. Zudem besteht die Option auf ein Räumschild an der Front und eine Waffenstation auf dem Dach.
Mit dem Verkauf von Fahrzeugen dieses Typs an Spezialeinheiten der Länderpolizeien haben die Rüstungsschmiede Rheinmetall und der österreichische Spezialfahrzeughersteller Achleitner bereits Fuß auf diesem Markt gefasst. Laut Informationen des Magazins Focus plant Rheinmetall sogar, bis zu 200 Panzerfahrzeuge des Modells »Survivor R« an deutsche Polizeibehörden zu verkaufen.
Die aktuelle Aufrüstung macht bei Spezialeinheiten und Panzerwagen nicht halt. Auch die Streifenwagenbesatzungen werden paramilitärisch geschult und ausgerüstet. Mit der länderübergreifenden Vereinheitlichung entsprechender Konzepte befassten sich die beiden Innenministerkonferenzen des Jahres 2016. Herausgekommen ist das Konzept der »lebensbedrohlichen Einsatzlagen«.
Kriegermentalität
Hinter dem Begriff verbirgt sich eine neue Polizeistrategie. Streifenbeamte sollen nicht länger nur absperren und auf das Eintreffen von Spezialkräften warten, wenn bewaffnete Straftäter aktiv sind. Vielmehr sollen sie als Erstinterventionskräfte selbst zu den Waffen greifen und die Verdächtigen stellen können.
Dafür erhalten sie eine ein- bis zweiwöchige Zusatzausbildung, in der sie Grundlagen des militärischen Vorgehens im urbanen Raum erlernen sollen. Ein Entwickler dieses Konzepts, Thomas Wimmer, verantwortlich für das Fachgebiet Einsatz an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz, beschrieb den Entstehungsprozess gegenüber dem SWR am 4. Juli 2017 so: »Wir haben uns schlau gemacht in Ländern rings um – von Frankreich bis Israel und bei der Bundeswehr waren wir auch, um uns militärische Taktiken anzuschauen.« Wimmer zieht daraus den Schluss, dass sich diese Taktiken gut »auf polizeiliches Vorgehen adaptieren« ließen. Um für diese Einsätze entsprechend gerüstet zu sein, werden bundesweit neue Waffen und Schutzkleidung beschafft.
Die neue Ausrüstung in Schleswig-Holstein, dem Gastgeberland der IMK, sieht wie folgt aus: je zwei modernisierte Maschinenpistolen MP5 von Heckler & Koch, schwere Schutzwesten von Mehler aus Fulda, dem Hersteller der Infanteriewesten der Bundeswehr, sowie ballistische Titanhelme aus Österreich, Splitterschutzbrillen und Erste-Hilfe-Sets, speziell für Schuss- und Sprengverletzungen. Ähnlich rüsten elf weitere Bundesländer auf.
Schleswig-Holstein geht allerdings noch einen Schritt weiter. Bereits im vergangenen Jahr wurden mehr als 500 halbautomatische Gewehre von SIG Sauer aus Eckernförde für rund 1,2 Millionen Euro ausgeliefert. Die Hälfte der Gewehre steht den Spezialeinheiten zur Verfügung. Die verbleibenden 250 finden ihren Platz in den großen Streifenwagen im nördlichsten Bundesland.
Während die Mehrzahl der Länderpolizeien für die Streifenwagen primär auf die leichteren, kleinkalibrigen Maschinenpistolen setzt, hat Hessen von Anfang an einen anderen Weg eingeschlagen und ein »Streifengewehr« ausgeschrieben. Mitte Mai meldete das Rüstungsfachblatt Europäische Sicherheit und Technik die Auftragsvergabe an Heckler & Koch. Noch in diesem Jahr sollen die ersten der rund 2.000 halbautomatischen Gewehre vom Typ G38 geliefert werden. Das HK G38 wird als potentieller Nachfolger des in Verruf geratenen Standardgewehrs der Bundeswehr gehandelt. Bereits im Einsatz ist es bei den Spezialkräften der Bundeswehr und als Standardwaffe der französischen und norwegischen Streitkräfte. Ab 2020 soll diese Kriegswaffe in jedem Polizeifahrzeug in Hessen deponiert werden.
Mit der beschriebenen materiellen Aufrüstung geht zudem eine Veränderung des Selbstbildes der Polizei einher. Heiner Busch, Autor des Standardwerks der kritischen Polizeiforschung »Die Polizei in der Bundesrepublik«, stellte dazu schon 1985 fest: »Die Ausstattung mit spezifischen Waffen drückt die politische Bereitschaft zum Einsatz dieser Waffen aus. Zudem programmiert die Ausstattung mit spezifischen Waffen die Lösung innergesellschaftlicher Konflikte bis in Alltagssituationen hinein vor. In der Bewaffnung äußern sich Auftrag und Selbstverständnis der Polizei.«
Ähnlicher Auffassung ist der Soziologe Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg, ein interner Kritiker der aktuellen Entwicklungen des Polizeisystems. Er spricht von der Ausbreitung einer »Kriegermännlichkeit« innerhalb des Apparates, die nach seiner Auffassung mit jedem Aufrüstungsschritt weiter zunimmt. Als Vertreter des liberalen Konzepts der Bürgerpolizei stellt Behr fest: »Mit jedem Magazin mehr am Gürtel geht diese Idee verloren.«
Ein Beispiel dafür, wie sich dieser Mentalitätswandel auch in den Führungsebenen ausbreitet, liefert die Polizei NRW, einst Vorbild in Sachen Bürgerpolizei. Hier wurde in den 1980er Jahren das »Wort als wesentliches taktisches Einsatzmittel« und die Augenhöhe mit der Bevölkerung zum Ausgangspunkt der Arbeit gemacht. Unter dem CDU-Innenminister Herbert Reul hat sich der Wind gedreht. So heißt es in einem geleakten Entwurf für ein neues Leitbild nach Informationen der Rheinischen Post vom 27. Februar 2018: »Die Polizei NRW muss an Konsequenz, Stabilität, Führungsstärke und Robustheit deutlich zulegen.« Über die Einsatzkräfte heißt es weiter, »Polizeibeamte müssen durchsetzungsfähig und -stark und damit letztlich gewaltfähig, aber nicht gewaltaffin werden«. Politische Rückendeckung für solcherlei Vorstöße erhält die Polizei von der Union, die in einer Social-Media-Kampagen auf Twitter mit dem Schlagwort »#StarkerStaat« für Gesetzesverschärfungen und die Aufrüstung der Polizei wirbt.
Der G-20-Gipfel in Hamburg gab einen Vorgeschmack darauf, wie sich der »starke Staat« gegen Protest auf der Straße zukünftig präsentieren wird. Während der Gipfelwoche war der gesamte Einsatz von Polizeigewalt und temporärem Ausnahmezustand geprägt. Zudem wurde die Vermutung, die offiziell für die Terrorbekämpfung beschafften Waffen könnten auch gegen die Opposition in Stellung gebracht werden, mit Taten untermauert.
Nachdem es im Schanzenviertel zu teils schweren Auseinandersetzungen gekommen war, mobilisierte die Polizeiführung Teile der insgesamt 800 Spezialkräfte, die für die Absicherung des Gipfels in die Stadt verlegt worden waren. Während der Räumung mehrerer Straßen und eines Hausdaches kamen Schnellfeuerwaffen als Abschreckungswerkzeug zum Einsatz. Mit den Laserpointern der Zieleinrichtungen wurde in den betroffenen Straßenzügen selbst auf Bewohner an Fenstern und auf Journalisten gezielt. Neben Verdächtigen wurde auch eine Gruppe Demosanitäter mit vorgehaltenen Waffen abgeführt. Aber auch am deutlich ruhigeren Samstag standen moderne Panzerfahrzeuge der Bundespolizei rund um den Hauptbahnhof in Bereitschaft, und als die Nacht hereinbrach, wurden die Spezialeinheiten erneut – diesmal rein präventiv – ins Schanzenviertel entsendet.
Auch wenn es sich bei dem Polizeieinsatz in Hamburg de facto um einen Ausnahmezustand gehandelt hat, eine Situation, die sich nicht direkt auf den Alltag übertragen lässt, wurden Versuche in eben diese Richtung unternommen. Nur wenige Monate nach dem Gipfel zeigte das vollbewaffnete SEK Sachsen auf einer angemeldeten antifaschistischen Demonstration in Wurzen bei Leipzig Präsenz. Auf eine Anfrage der Linkspartei im Sächsischen Landtag zu den Ereignissen erklärte die Landesregierung, dass Spezialeinheiten regelmäßig bei Demonstrationen mit hohem Gewaltpotential im Hintergrund bereitstünden. Seitdem ist es nicht zu vermehrten offenen Einsätzen von bewaffneten Spezialkräften bei Demonstrationen gekommen. Die entsprechenden Konzepte liegen allerdings, spätestens seit den Ereignissen von Hamburg, in den Schubladen der Einsatzleitungen. Für den Demonstrationsalltag ist davon auszugehen, dass die in Terrorabwehr geschulten BF-Einheiten und auch die mental aufgerüsteten, einfachen Bereitschaftspolizeien noch weniger zu Deeskalation neigen werden, als das bisher der Fall war.
Gegenwind
Gegen die Maßnahmen der Aufrüstung, an vorderster Stelle gegen die neuen Polizeigesetze, die laut Plänen der Innenministerkonferenz zu einem Musterpolizeigesetz zusammengeführt werden sollen, formiert sich breiter werdender Widerstand. Das beeindruckendste Beispiel dafür war die Massenmobilisierung gegen das Polizeiaufgabengesetz in Bayern im Mai 2018.
Bei diversen, auch kleineren Demonstrationen und Kundgebungen zeigt sich ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass es sich bei den beschriebenen Verschärfungen nicht um isolierte, überzogene Vorstöße, sondern um Bausteine einer größeren autoritären Strategie handelt.
Dementsprechend wird am heutigen Mittwoch in Kiel bei zwei sich ergänzenden Veranstaltungen gegen die Konferenz der Innenminister und deren Politik protestiert werden. Während die erste Demonstration um 18 Uhr ihren Fokus auf die rassistische Migrations- und Asylpolitik der IMK legen wird, findet die zweite Versammlung im unmittelbaren Anschluss unter dem Motto »Gegen Repression, Rechtsruck und autoritäre Formierung!« statt.