IMI-Analyse 2014/08 - in: AUSDRUCK (April 2014)
Zentralafrika: „Machtvakuum“ oder Arena der Mächte
von: Christoph Marischka | Veröffentlicht am: 19. Februar 2014
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Kurz vor dem Rat der EU-Außenminister am 20. Januar hatte Außenminister Steinmeier die Katze aus dem Sack gelassen. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung kündigte er in Absprache mit der neuen Verteidigungsministerin von der Leyen nicht nur ein verstärktes militärisches Engagement in Mali, sondern auch eine direkte militärische Unterstützung durch Lufttransport in die Zentralafrikanische Republik an. „Europa kann Frankreich dabei nicht alleine lassen“, begründete Steinmeier den Vorstoß und reiste gleich nach dem EU-Gipfel gemeinsam mit von der Leyen nach Frankreich, um dort den neuen Schulterschluss zwischen Deutschland und Frankreich in der Afrika-Politik zu unterstreichen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz bestärkten sowohl Steinmeier als auch von der Leyen die Absicht, sich auch in Zentralafrika verstärkt militärisch zu engagieren.[1] Zwar war zwischendurch auch von vermeintlich humanitären Zielen und einem drohenden Völkermord die Rede, vordergründig aber wurde auf der Sicherheitskonferenz und danach mit der Größe, der Wirtschaftsmacht und der Abhängigkeit Deutschlands von Rohstoffen und Märkten – kurz gesagt: mit dem Machtanspruch Deutschlands – argumentiert. Dass der erklärte Wille, diesen Machtanspruch zukünftig verstärkt auch militärisch zu unterstreichen, für Deutschland geradewegs nach Zentralafrika führt, ist ebenso naheliegend wie gefährlich.
Chaotischer, internationalisierter Sicherheitssektor
Die Zentralafrikanische Republik ist der Inbegriff dessen, was unter einem gescheiterten Staat verstanden wird. Tatsächliche faire und freie Wahlen hat das Land seit seiner Unabhängigkeit nicht erlebt, die meisten Staatsführer gingen aus Putschen hervor, kamen aus dem Militär und waren stets von internationaler Unterstützung abhängig. Zudem stützten sie sich häufig auf ethnisch konotierte Patronagenetzwerke und stets auch auf informelle und formelle bewaffnete Gruppen ab. Während dies in anderen Staaten mit langer Putschgeschichte häufig zu aufgeblähten und komplexen Sicherheitsstrukturen führte, resultierte in der Zentralafrikanischen Republik, wo der Aufbau neuer Einheiten mit der völligen Vernachlässigung alter Strukturen einherging, zu einem eher kleinen, aber völlig unüberschaubaren Sicherheitssektor, dessen Elemente teilweise vollständig und offiziell, teilweise inoffiziell und undurchsichtig durch Drittstaaten kontrolliert werden. Mehrfach in der jungen Geschichte der Republik wurden ganze Verbände aus Nachbarstaaten importiert und schlossen sich (später wieder) den Armeen der Nachbarstaaten an. Bei vielen (ehemaligen) Soldaten ist unklar, ob sie überhaupt noch zur Armee gehören, da sie ihren Lebensunterhalt als Landwirte und/oder (Teilzeit-)Banditen verdienen. Über den Umfang der Truppen der offiziellen Streitkräfte liegen nur vage Schätzungen vor, die selten über 4.000 Soldaten liegen, deren Bewaffnung häufig noch auf dem Stand des ersten Weltkrieges oder davor liegt. Hinzu kommen etwa 1.000 bis 2.000 Mitglieder der Gendarmerie, die schlecht bewaffnet über das Land von den fast zweifachen Ausmaßen Deutschlands (mit knapp 5 Mio. Einwohner_innen) verteilt sind. Am besten ausgerüstet sind die Angehörigen der Präsidentengarde, die einige Jahre direkt französischem Kommando unterstand und zu der gelegentlich auch Truppen aus dem Tschad gezählt werden, mit denen ihr Umfang auf etwa 1.000 Soldaten geschätzt wird. Die Polizei besteht aus knapp 2.000 Kräften, die von der Regierung (im Vergleich zu Teilen der Bevölkerung) sehr schlecht bewaffnet werden, sich aber (wie andere Sicherheitskräfte) oft persönlich, bei Verhaftungen oder auf illegalem Wege zusätzliche Ausrüstung anschaffen.[2]
Betrachtet man zusätzlich die Situationen in der Nachbarschaft der Zentralafrikanischen Republik und der gesamten Region, so wundert man sich fast, dass im Land selbst bislang keine größeren bewaffneten Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Im Süden grenzt es an die Republik Congo und die notorisch von Bürgerkriegen erschütterte Demokratische Republik Kongo, im Osten an den Sudan und den nach zwanzigjährigem Bürgerkrieg von diesem abgespaltenen (und ebenfalls in bürgerkriegsähnliche Konflikte abgegleiteten) Südsudan. Im Norden grenzt das Land an den militärisch ähnlich chaotischen und von Frankreich abhängigen, aber ungleich stärkeren Tschad. Im Westen grenzt das Land an Kamerun, über die durchlässigen Grenzen des Tschad jedoch können auch Kämpfer, Waffen, Schmuggelware und damit verbundene Konflikte aus Nigeria, Niger, Libyen und der westlichen Sahel-Region die Zentralafrikanische Republik als Rückzugsraum, Umschlagplatz oder im Transit nutzen. Ähnliches gilt für die Demokratische Republik Kongo als unkontrollierter Brückenkopf nach Uganda und das Horn von Afrika. Sowohl von den Regierungen in Libyen, dem Tschad und Uganda wurden seit den 1990er Jahren Waffen und höchstwahrscheinlich auch Soldaten in die Zentralafrikanische Republik geschickt, um verschiedene Konfliktparteien im kongolesischen Bürgerkrieg, Putschisten oder auch die Regierung in der Zentralafrikanischen Republik zu unterstützen. 2001 und 2002 unterstützte die kongolesische Rebellengruppe MLC mit libyscher Unterstützung mit starken Verbänden den zenralafrikanischen Präsidenten Patassé gegen Putschversuche, die vom Tschad und Frankreich gefördert wurden. Auch die Reste der ursprünglich aus Uganda stammenden Lords Resistance Army (LRA) halten sich gegenwärtig mutmaßlich im Südosten der Zentralafrikanischen Republik auf.
Mos Eisley Cantina in Bangui
Als Umschlagplatz für Waffen und bewaffnete Gruppen staatlicher und nicht-staatlicher Provenienz sind in der Zentralafrikanische Republik zahllose Kleinwaffen, Söldner und bewaffnete Gruppierungen präsent. Ohne das dadurch verursachte Leid negieren zu wollen, blieb die Zivilbevölkerung (und auch die abgesetzten Staatschefs) abgesehen vom weitverbreiteten Banditentum für dieses Ausmaß von größeren bewaffneten Auseinandersetzungen im Vergleich zu den Nachbarstaaten relativ verschont. Bemerkenswerter Weise spielten dabei – abgesehen von den kruden ideologischen Grundlagen der LRA und einer großen Vielfalt religiöser Subkulturen – religös geprägte Konflikte eine eher marginale Rolle. Fast scheint es so, als gäbe es neben einer „Tradition“ von eher unblutigen Putschen ein stillschweigendes Einverständnis unter Söldnern, Diplomaten und Rebellenführern, die Zentralafrikanische Republik zwar als Drehscheibe, nicht aber als Schauplatz ihrer Auseinandersetzungen zu nutzen – entsprechende Narrative finden sich auch in den Berichten ehemaliger Soldaten aus den angrenzenden Staaten, die fast alle auch von Stationierungen in der Zentralafrikanischen Republik berichten und diese meist als eher „entspannt“ erinnern. Einer von ihnen verglich die Hauptstadt Bangui mit der Mos Eisley Cantina aus der Star Wars Saga, wo Schmuggler und Söldner ihre Geschäfte machen – eine Konstellation, die trotz der Abwesenheit größerer Kampfhandlungen natürlich fatale Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Menschenrechtssituation hat. Es wäre allerdings falsch, diese spezielle Ausformung oder das Phänomen „Scheiternder Staatlichkeit“ allgemein nur oder primär auf lokale Faktoren oder eine misslungene Dekolonisierung zurückzuführen. Ganz im Gegenteil sind es im Wesentlichen Frankreich und andere westliche Akteure, die hier aktiv sind und solche Anlaufstellen in ihrer Afrikapolitik auch zu brauchen scheinen. Frankreich etwa hat in seiner hier v.a. gegen Gaddafis Libyen gerichteten Politik mehrfach Putsche und Meutereien in Zentralafrika unterstützt oder angeregt, wenn die jeweilige Staatsführung Anstalten machte, eine eigenständige Außenpolitik zu verfolgen oder die Bewegungsfreiheit der kriminell (und völkerrechtswidrig) agierenden Agenten von Drittstaaten vor Ort einzuschränken – was aufgrund der starken militärischen Präsenz Frankreichs und der Schwäche und mangelnden Kontrolle über die eigenen „Sicherheitskräfte“ jedoch allenfalls in Ansätzen überhaupt stattfand.
Ertüchtigung und Peacekeeping
Bezeichnenderweise fand diese Einflussnahme und letztlich Destablisierung in gerade den Formen statt, die heute als Peacekeeping, Staatsaufbau, Sicherheitssektorreform und Ertüchtigung bezeichnet werden und auch erklärtes Ziel des zukünftigen Engagements der EU unter französischer Führung darstellen. So umschreiben Eric G. Berman und Louisa N. Lombard mit ihrer Formulierung, dass „die Unterstützung Frankreichs für den staatlichen Sicherheitssektor [der Zentralafrikanischen Republik] am umfassendsten“ war, letztlich nichts anderes, als wenn sie an verschiedenen Stellen in ihrer Studie klar machen, dass Frankreich Putsche gegen amtierende Präsidenten des Landes sowohl initiiert und unterstützt, wie auch verhindert hat – je nach Interessenslage. Die kontinuierliche Präsenz tschadischer Truppen in der Zentralafrikanischen Republik ist zwar Teil des Problems, war aber Inhalt und Voraussetzung der UN-mandatierten Peacekeeping Missionen MISAB und MINURCA 1997 und 1998 nach einer Welle von Meutereien und sozialen Protesten aufgrund einer wesentlich durch den IMF verursachten Staatsschuldenkrise. Vorausgegangen waren jeweils diplomatische Initiativen Frankreichs und militärische Aktionen der vor Ort befindlichen französischen Truppen. Die Kosten für den Einsatz der Soldaten aus Burkina Faso, Tschad, Gabun, Mali, später auch dem Senegal und Togo (MISAB) bzw. Burkina Faso, dem Tschad, der Côte d’Ivoire, Gabun und Mali (MINURCA) hat zu einem großen Teil Frankreich getragen bzw. erstattet. Nach deren Rückzug stationierte 2001 vorübergehend eine geopolitisch gänzlich anders ausgerichtete Koalition aus Libyen, dem Sudan und Djibouti unter dem Dach der Community of Sahel-Saharan States (Cen-Sad) „Peacekeeping“-Truppen in Bangui.
Frankreich hat eine lange Tradition in dem, was Angela Merkel als „Ertüchtigung“ bezeichnet hat und (aus EU-Sicht) auch Hauptgegenstand des EU-Afrika-Abkommens von 2007 ist: Der Aufbau lokaler, regionaler und kontinentaler Strukturen für „peace-making, peace-keeping and peace-building“.[3] Seit Jahren führt Frankreich mit verbündeten Staaten, deren Regierungen es häufig selbst durch solche Interventionen an die Macht gebracht hat, Übungen für die Aufstellung spontaner Interventionstruppen in anderen afrikanischen Staaten durch und trainiert hierfür spezielle Einheiten auf dem ganzen Kontinent (die in den jeweiligen Staaten den Sicherheitssektor weiter segmentieren und sich politischer Kontrolle entziehen). Diese häufig unter dem RECAMP-Label stattfindenden Übungen wurden mittlerweile teilweise im „Amani Africa“-Programm europäisiert. Die USA haben vergleichbare Ertüchtigungsprogramme zunächst im Rahmen ihrer Pan Sahel Initiative und ihres Programms African Partnership Station verfolgt und mit der Gründung eines eigens für den afrikanischen Kontinent etablierten Oberkommandos AfriCom (in Stuttgart) massiv ausgeweitet. Diese Strategie erhielt durch die „Global Peace Operations Initiative“ der G-8-Staaten zusätzliche Rückendeckung, in deren Rahmen von der US-Army nach eigenen Angaben über 140.000 Soldaten aus afrikanischen Staaten für Peacekeeping-Missionen in Drittstaaten ausgebildet wurden. Das ergänzte bzw. legitimierte hervorragend das bereits laufende ACOTA-Programm, in dessen Rahmen laut offiziellem Fact Sheet des State Departements 215.000 „Peacekeeper“ aus Benin, Botswana, Burkina Faso, Burundi, Kamerun, Djibouti, Äthiopien, Gabun, Ghana, Kenia, Malawi, Mali, Mauritanien, Mozambique, Namibia, Niger, Nigeria, Ruanda, Senegal, Sierra Leone, Südafrika, Tansania, Togo, Uganda and Zambia ausgerüstet wurden, die seitdem im Sudan, in Sierra Leone , der Demokratischen Republik Kongo, Guinea-Bissau, der Zentralafrikanischen Republik, der Cote d’Ivoire, Liberia, Burundi, Somalia, dem Tschad und in Mozambique eingesetzt waren.[4] Die Fotogallerie der Homepage des Africom lässt auch noch auf die Ausbildung von Soldaten in anderen Staaten schließen. Gewiss ist jedoch, dass die USA gemeinsam mit Soldaten aus Uganda seit 2011 unter dem Vorwand, die LRA zu bekämpfen, im Südosten der Zentralafrikanischen Republik Stützpunkte aufgebaut hat, von denen sie Teile der zentralafrikanischen Armee ausbildet und de facto befehligt. Frankreich hatte gleich nach der Machtergreifung François Bozizé eine umfangreiche Militärreform in der Zentralafrikanischen Republik unterstützt und mindestens drei Bataillone und damit einen beträchtlichen Teil der Armee ausgebildet. 2008 stationierte die EU vorübergehend knapp 2.000 Soldaten im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik und übergab anschließend an eine UN-Truppe, deren offizielles Hauptziel darin bestand, Polizeikräfte für die Zentralafrikanische Republik auszubilden. All das verhinderte zumindest nicht, dass Bozizé im März 2013 mit Unterstützung durch den Tschad durch einen erneuten Putsch gestürzt wurde, womit die aktuelle Krise ihren Anfang nahm. Geradezu charakteristisch sind auch die Berichte darüber, dass sich die Sicherheitskräfte mit dem Putsch de facto aufgelöst haben, „die meisten ihrer Mitglieder sind aus dem Land geflohen oder zu ihrem zivilen Leben zurückgekehrt“, berichtet IRIN und ergänzt, dass etwa 700 Soldaten im März 2014 begonnen hätten, sich in Bangui wieder zu formieren.[5] Zwischenzeitlich hatte Frankreich mit der Operation Sangaris zusätzliche Soldaten in die Hauptstadt verlegt und damit afrikanische „Friedenstruppen“ unterstützt, die überwiegend aus dem Tschad stammen – der wie gesagt den Putsch zunächst unterstützt, dann aber gemeinsam mit Frankreich den selbsternannten Präsidenten Michel Djotodia anlässlich eines Friedensgipfels in N’Djamena ins Exil gezwungen hatte. Weitere Truppen der UN-mandatierten Mission MISCA stammen aus Ruanda, Burundi, Kamerun und der Demokratischen Republik Kongo, die ihrerseits ihre Armee nicht annähernd im Griff hat, weshalb dort neben 20.000 UN-Soldaten auch eine EU-Militärmission zur Restrukturierung der Armee vor Ort ist – und wo bis heute zurückgekehrte Soldaten aus der Zentralafrikanischen Republik auf ihre Integration in die Streitkräfte warten. Die USA haben 101 Mio. US$ zur Finanzierung der MISCA und den Transport der Truppen bereitgestellt, den die US Army überwiegend über Burundi abwickelt. Vor diesem Hintergrund mag zunächst erstaunen, dass mit Uganda einer der stärksten US-Verbündeten in der Region mit eigenen Interessen in Zentralafrika so gut wie nicht beteiligt ist, allerdings hat Uganda mit US-Unterstützung Anfang des Jahres in einem anderen Nachbarstaat, dem Südsudan, umfangreich interveniert und an verlustreichen Kämpfen teilgenommen, nachdem dort Ende 2013 die aus einer Rebellengruppe hervorgegangene und von den USA (mit deutscher Beteiligung) massiv aufgerüsteten Armee in konkurrierende Fraktionen zerfallen war.
Das unbekannte Mandat
Am 28. Januar 2014 verlängerte der UN-Sicherheitsrat das Mandat der MISCA um ein Jahr und mandatierte unter Kapitel VII der UN-Charta eine EU-Mission.[6] Zuvor hatte die EU 50 Mio. Euro zur Unterstützung der MISCA aus dem Europäischen Entwicklungsfond zugesagt. Zum Leiter der Mission, die für neun Monaten mit 26 Mio. Euro finanziert werden soll, wurde der französische Generalmajor Philippe Pontiès ernannt. Konkrete Aufgaben der EU in der Zentralafrikanischen Republik oder eine Begrenzung der Truppenstärke sind im Mandat nicht genannt, hierzu wird lediglich auf einen Brief der Hohen Repräsentantin der EU vom 21. Januar 2014 verwiesen, der zwar eine UN-Dokumentennummer hat, in der Datenbank der UN jedoch als Verschlussache deklariert ist. Nach den bisherigen Diskussionen und Verlautbarungen wird die Mission sich auf die Hauptstadt Bangui beschränken und v.a. der Sicherung des Flughafens dienen, die bereits jetzt durch Frankreich geleistet wird. Ob im Rahmen der Mission EUFOR RCA auch die Ausbildung weiterer „Sicherheitskräfte“ in der Zentralafrikanischen Republik geplant ist, erscheint zweifelhaft, in jedem Fall aber soll sie logistische Hilfe für MISCA beinhalten und eine weitere Mission unter Führung der Afrikanischen Union oder der UN vorbereiten, die – wieder einmal – den Sicherheitssektor des Landes „reformieren“ soll. Wie die plötzlich aufgetretenen religösen Spannungen zu bewältigen sind, eine legitime Regierung und der eigenen Bevölkerung verpflichtete Regierung eingesetzt werden könnte und das Land vor der dauernden Einflussnahme durch Tschad, Frankreich, die USA und Möchtegern-Mächte wie Deutschland bewahrt werden könnte, darüber scheint im Sicherheitsrat ähnlich große Ahnungslosigkeit zu herrschen, wie im deutschen Verteidigungsministerium unter von der Leyen, für die die Zentralafrikanische Republik nichts anderes ist als ein Machtvakuum oder vielmehr: eine Arena der Mächte, in der zukünftig auch Deutschland mitspielen möchte. Gerade aber diese umfangreiche internationale und miteinander konkurrierende, über das Militär und Militärausbildung ausgetragenen Einflussnahme bei gleichzeitiger Ausbeutung der Ressourcen ist die eigentliche Ursache für die umfangreiche und chaotische Militarisierung des afrikanischen Kontinents, seine vielen Bürgerkriege, die Schwäche afrikanischer Regierungen und ihre Abhängigkeit von internationaler „Sicherheitsunterstützung“ bis hin zu scheiternder Staatlichkeit und Stationierung umfangericher UN- und AU-Kontingente unter Kapitel VII. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass „Staatsaufbau“ und „Sicherheitssektorreformen“ in ihrer gegenwärtigen Konzeption helfen könnten, stabile Gemeinwesen zum Wohle der Bevölkerung aufzubauen, dann sollte sich die „Internationale Gemeinschaft“ zunächst auf einzelne Länder konzentrieren – und dabei nicht den westlichen Staaten und ihren regionalen Stellvertretern den Vortritt lassen, deren Vertreter im selben Atemzug von ihren Rohstoffabhängigkeiten und Zugang zu Märkten sprechen müssen. Erst dann könnten sich diese Konzept beweisen, bis dahin werden sie einer weiteren Destabilisierung und Militarisierung ganzer Regionen und einer an Irrsinn grenzenden Militär- und Hilflogistik Vorschub leisten.
Anmerkungen
[1] Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, anläßlich der 50. Münchner Sicherheitskonferenz München, 31. Januar 2014, bmvg.de.
[2] Informationen und Schätzungen aus diesem Abschnitt beruhen überwiegend auf der lesenswerten Analyse von Eric G. Berman und Louisa N. Lombard für den Small Arms Survey vom Dezember 2008, vgl.: Small Arms Survey: „The Central African Republic and Small Arms – a regional Tinderbox“, www.smallarmssurvey.org.
[3] Rat der Europäischen Union: A Joint Africa-EU Strategy, Dezember 2007 (16344/07 (Presse 291)).
[4] African Contingency Operations Training and Assistance (ACOTA) Program, Fact Sheet vom 6.2.2013, http://www.state.gov.
[5] „Troops deployed to protect aid convoys in CAR“, Meldung vom 24.1.2014, www.irinnews.org.
[6] Resolution 2134 (2014) des UN-Sicherheitsrates