IMI-Standpunkt 2011/027
Libyen: Nächster Eskalationsschritt – Aufmarsch der Militärberater
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 29. April 2011
Diese Woche kündigte die NATO an, ihre Bombardierungen libyscher Ziele nochmals intensivieren zu wollen, um das – mehr oder minder offen formulierte – Ziel der „Operation Unified Protector“, den Sturz Muammar al-Gaddafis, zu erreichen. Doch es ist offensichtlich, dass Gaddafis Truppen trotz der geplanten Intensivierung der Bombardierungen allein aus der Luft nur schwer zu besiegen sein dürften. Aus diesem Grund sucht man andere Wege, um weiter an der Eskalationsspirale zu drehen: „Luftangriffe, Militärberater, Waffenhilfe – und manche sprechen schon von Bodentruppen: Der Westen legt nach im Kampf gegen Gaddafi“, schrieb Spiegel Online (21.04.2011). Auch in Deutschland häufen sich dabei die Forderungen nach einer Bodeninvasion. Der „Westen muss über Bodentruppen in Libyen nachdenken“, titelte etwa das Handelsblatt (26.04.2011).
Vor einem großangelegten Bodeneinsatz scheint man aber – noch – zurückzuschrecken, weshalb Waffenlieferungen und die Entsendung von Militärberatern gegenwärtig die präferierten Optionen zu sein scheinen. Zuerst gaben die Briten bekannt, bis zu 20 Militärberater entsenden zu wollen, kurze Zeit später zogen Frankreich und dann Italien nach. Italien wolle zehn Militärs nach Libyen schicken, während Paris diesbezüglich keine genauen Angaben machen wollte. Aus gut unterrichteten Kreisen heißt es jedoch, Paris wolle zunächst ebenfalls zehn Berater entsenden.
Selbstredend habe der Einsatz laut dem Außenminister William Hague nichts mit der „Ausbildung von Kampfverbänden oder ihrer Bewaffnung oder Ausrüstung“ zu tun. Man beabsichtige lediglich, den Rebellen zu helfen, „sich zu organisieren, um das Leben von Zivilisten zu schützen.“ Weiter hatte er gesagt: „Es wird keine Soldaten vor Ort geben, keine Kampfverbände; dies sind keine Leute, die auf dem Schlachtfeld kämpfen. Diese Leute sind reine Organisations-Berater.” (World Socialist Web Site, 23.04.2011). Völlig anders – und wohl auch realitätsnäher – beschrieb der italienische Verteidigungsminister Ignazio La Russa die Aufgaben der Berater-Mission: „Es ist offensichtlich, dass die Rebellen ausgebildet werden müssen“, sagte er (ebd.).
Offensichtlich wollen die kriegführenden Staaten nicht selbst die Drecksarbeit übernehmen, sondern ziehen es vor, diese den Rebellen zu überlassen – ohne es dabei jedoch zu versäumen sicherzustellen, dass die Post-Gaddafi-Ordnung im eigenen Sinne gestaltet werden wird. Waffenlieferungen und Ausbildungshilfe für „genehme“ und „aufgeschlossene“ Teile der Rebellen bieten sich hierfür geradezu an. Ungewöhnlich deutlich kritisierte der russische Premierminister Wladimir Putin die Motive der kriegführenden Staaten mit folgenden Worten: „Übrigens lagern in Libyen die größten Ölreserven Afrikas. Den Gasvorräten nach nimmt Libyen den vierten Platz auf dem Kontinent ein. Da stellt sich die Frage, ob das nicht der Hauptgrund für das Interesse jener ist, die jetzt dort tätig sind.“ (RIA Novosti, 26.04.2011)