IMI-Standpunkt 2021/043

Eurodrohne und zukünftiges Kampfflugzeug im FCAS

von: Marius Pletsch | Veröffentlicht am: 14. Juli 2021

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Kurz vor dem Start der parlamentarischen Sommerpause wurden noch die Mittel für 27 Rüstungsprojekte freigegeben – für insgesamt fast 20 Mrd. Euro. Darunter befand sich auch das umstrittene Kampfflugzeug der nächsten Generation samt Begleitdrohnen im Future Combat Air System (FCAS). Dessen Entwicklungskosten liegen wohl bei mindestens 100 Mrd. Euro und es hat ein geschätztes Gesamtvolumen von 500 Mrd. Euro.

Im FCAS sollen bestehende und kommende Waffensysteme integriert werden. Das FCAS soll viel mehr als nur ein weiteres Waffensystem sein. Es soll ein System der Systeme werden und somit die verschiedenen Teile miteinander vernetzen und für einen ständigen Informationsaustausch zwischen ihnen sorgen: Zwischen den Komponenten des Kernsystems von FCAS, dem sogenannten Next Generation Weapon System (NGWS) – also dem Kampfflugzeug der nächsten Generation (NGF), welches ab 2040 einsatzfähig sein soll und den mit weitgehend autonomen Funktionen ausgestatteten Begleitdrohnen, die Remote Carrier (RC) heißen – den bestehenden Systemen, wie dem A-400M, dem Eurofighter, dem Kampfhubschrauber TIGER, der kommenden Eurodrohne und vielen weiteren. Sie alle sollen Informationen in einer Air Combat Cloud austauschen und die Daten sollen von jenen Stellen geteilt und abgerufen werden können, die sie für die Kriegsführung benötigen. Das kann ein Pilot in einem Kampfflugzeug sein, soll aber nicht nur im Bereich der Waffensysteme zur Luft, sondern der Austausch soll mit allen Systemen zu Land, zu Wasser, in der Luft, im Weltall und im Cyberbereich funktionieren, innerhalb der Bundeswehr und mit den Waffensystemen der EU- und NATO-Verbündeten.[1] Es geht also um hochgradig vernetzte Kriegsführung. Die Eurodrohne hatte bereits im April die parlamentarische Hürde genommen. Die neuesten Entwicklungen bei der Eurodrohne und dem NGWS sollen hier kurz zusammengefasst werden.

Die Eurodrohne

Die Eurodrohne wird von den vier EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien entwickelt, von der europäischen Rüstungsagentur OCCAR koordiniert und von einem Projekt der europäischen Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) flankiert. Das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) begründete laut Augengeradeaus die Beschaffung gegenüber dem Haushaltsausschuss mit den folgenden Fähigkeitslücken, die geschlossen werden sollen:

Abbildende Aufklärung und Überwachung im Einsatzgebiet
Signalerfassende luftgestützte Aufklärung im Einsatzgebiet
Reaktionsschnelle, skalierbare und hochpräzise Wirkung einschließlich Luftnahunterstützung für Bodentruppen im Einsatzgebiet, wenn zu einem späteren Zeitpunkt realisiert.[2]

Mit der Formulierung „wenn zu einem späteren Zeitpunkt realisiert“ wird auf den politischen Streit um die Bewaffnungsfrage rekurriert. In einem Maßgabenbeschluss des Haushaltsausschusses wird die Beschaffung von Munition sowie die taktische Waffenausbildung untersagt, bis der Haushalts- und Verteidigungsausschuss auf Basis einer neuen Vorlage den Beschluss aufhebt. Die Grundsatzentscheidung, ob Drohnen der Bundeswehr auch bewaffnet eingesetzt werden können, steht noch aus. Die Entscheidung wurde auf die nächste Legislaturperiode vertagt, auch weil sich die Zivilgesellschaft und kritische Stimmen in der SPD zu Wort gemeldet haben. Die SPD möchte sich mit der Frage bis Jahresende in einer eigens dafür gegründeten Kommission auseinandersetzen. Jedoch hat die SPD einem Drohnenprojekt ihren Segen gegeben, das von Stunde null an bewaffnet geplant war.[3] Eine nationale Entscheidung gegen eine Bewaffnung wäre zu begrüßen, ändert aber nichts daran, dass man mit den Partnerstaaten Drohnen entwickelt, die bewaffnet eingesetzt werden können und die man auch wird exportieren wollen/müssen. Das favorisierte Bewaffnungspaket steht fest und wird aus Brimstone III-Raketen und GBU-49 Gleitbomben bestehen. Die Kosten sind enorm: Deutschland wird insgesamt 21 Drohnen, 12 Bodenkontrollstationen und vier verlegefähige Simulatoren beschaffen. Der Haushaltsauschuss hat für die Entwicklung, die Beschaffung und die anfängliche Nutzung der Eurodrohne, die frühestens 2029 ausgeliefert wird, etwa 3,8 Mrd. Euro freigegeben.[4] Das Gesamtprojekt wird mit 7,6 Mrd. Euro beziffert, der Verteilschlüssel für die Kosten beläuft sich für Deutschland auf 31 Prozent, auf die anderen beteiligten Staaten entfallen je 23 Prozent. Der Preis konnte nur so gedrückt werden, da bei den Verhandlungen der Industrie sehr bei der Frage der Haftung und Gewährleistung entgegengekommen wurde und das Projekt mit den fristgerechten Vertragsabschlüssen für die nächsten Tranchen des Eurofighter und den Phasen für das NGWS im FCAS verknüpft wurde. Wird ein Termin für einen Vertragsabschluss gerissen, fallen Ausgleichszahlungen an, die das Projekt im Nachhinein weiter verteuern können.[5]

Das Next Generation Weapon System (NGWS) im FCAS

Beim NGWS im FCAS läuft derzeit die Phase A1, in der hauptsächlich die Konzeptarbeit für die Demonstration stattfinden soll, abgeschlossen ist diese noch nicht. Die Aufgaben für die kommenden Phasen, A2 (Architektur) und B (Definition), die bis zum Jahr 2027 abgeschlossen sein sollen, wurden zwischen den drei Staaten, bzw. den jeweiligen Rüstungsunternehmen verteilt auf insgesamt sieben Säulen mit jeweils verschiedenen Verantwortlichkeiten. Frankreich wird die Führung bei dem Kampfflugzeug sowie bei dem Triebwerk haben, Deutschland bei den Remote Carriern und der Air Combat Cloud. Spanien hat den Hut auf bei der Sensortechnik und bei den Technologien, die für eine Reduzierung der Ortbarkeit sorgen sollen. Die siebte Säule, das Schaffen einer Simulationsumgebung und die Koordination zwischen den Säulen übernehmen die drei Unternehmen der drei Staaten, mit den größten Anteilen: Das wäre für Frankreich Dassault Aviation, für Deutschland Airbus D&S und für Spanien Indra. Ansonsten sind folgende Unternehmen aus Deutschland an FCAS, bzw. dem NGWS beteiligt: MTU (Triebwerk), MBDA (RC), das Konsortium Future Combat Mission System (FCMS) (Sensortechnik), aus Hensoldt, Diehl, ESG und Rohde & Schwarz.[6] Um die Verteilung der Aufgaben wurde bereits ordentlich gestritten. Es ging vor allem um die Rechte am geistigen Eigentum und die Nutzungsrechte für die Technologien, die gemeinsam entwickelt und genutzt werden sollen und um den Bau von Technologiedemonstratoren, also von Flugzeugen, in denen bestimmte Technologien getestet werden sollen. Dassault baut den Demonstrator auf Basis der Rafale, dem jetzigen Mehrzweckkampfflugzeug der französischen Streitkräfte. Dadurch sah sich vor allem die deutsche Industrie im Nachteil. Sie wollte einen eigenen Demonstrator auf Eurofighter-Basis bauen. Daraus wird aber nichts.

Der Verteidigungs- und Haushaltsausschuss billigte die sogenannte 25-Mio. Vorlage für die Phasen 1B und 2 über insgesamt 4,468 Mrd. Euro am 23. Juni 2021, trotz massiver Kritik aus dem Beschaffungsamt der Bundeswehr[7] und dem Bundesrechnungshof[8]. Der Haushaltsausschuss fasste aber einen Maßgabenbeschluss, in dem er die Bundesregierung auffordert, einige Bedingungen umzusetzen. Hier einige der zentralen Punkte, wo das BMVg nachliefern, bzw. nachbessern soll: Da noch kein endverhandelter Vertrag vorlag, soll dieser, sobald er steht, nachgereicht werden; es soll perspektivisch eine Parallelität von FCAS und dem kommenden Kampfpanzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) erreicht werden, der auch gemeinsam mit Frankreich entwickelt werden soll und bei dem Deutschland die Führungsrolle innenhat; die Bundesregierung wurde aufgefordert, dass die Partnerstaaten und die Industrie auf „erkennbarer Augenhöhe in die Phase 1B eintreten“ und dass die Nutzungsrechte auch projektunabhängig gegeben sind (dies sah eine vorläufige Einigung mit der Industrie im Mai nicht vor). Zuletzt soll vor dem Eintreten in die Phase 2 erneut die Zustimmung vom Haushaltsausschuss eingeholt werden.[9] Anders als von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer beabsichtigt, gab es also vom Ausschuss keinen Blankocheck bis zum Ende der Phase 2.

Bei der Eurodrohne steht die Finanzierung – nur die Frage der Bewaffnung ist hier noch offen. FCAS, bzw. das NGWS kann in die nächste Phase gehen. Friedenspolitische Kritikpunkte brachten ein offener Brief von KI-Forschenden[10] und eine Postkartenaktion[11] vom Netzwerk Friedenskooperative in die Debatte ein. Das Projekt gilt als Too Big to Fail. Doch: Zum einen sind da die internen Streitigkeiten – auch wenn das Projekt politisch gewollt ist, die Projektpartner scheinen sich nicht über den Weg zu trauen –, zum anderen gab und gibt es viel Kritik an dem Umfang und den enormen unkalkulierbaren finanziellen Risiken des Projekts.[12]

Anmerkungen

[1] Vgl. Vogel, Dominic (2020): Future Combat Air System: Too Big to Fail. SWP-Aktuell 98, S. 1f.

[2] Wiegold, Thomas (2021): Bundestag billigt Eurodrohne – für Deutschland erstmal nur unbewaffnet. In: Augengeradeaus.net, 14.4.2021.

[3] Vgl. Pletsch, Marius (2016): Eine Drohe für Europa. In: imi-online.de, 26.1.2016.

[4] Vgl. Wagner, Jürgen (2021): Eurodrohne: Milliardengrab mit Ansage beschlossen. In: imi-online.de, 14.4.2021.

[5] Vgl. Kabisch, Volkmar/Kaul, Martin/Pittelkow, Sebastian (2021): Warnungen vor Kostenexplosion. In: tagesschau.de, 23.3.2021.

[6] Vgl. BDLI (2020): Das Future Combat Air System

[7] Vgl. Konstantin von Hammerstein (2021): Deutschlands neues Kampfflugzeug ist veraltet, bevor es abhebt. In: Spiegel.de, 4.6.2021.

[8] Vgl. Hemicker, Lorenz (2021): Bundesrechnungshof bemängelt Kampfflugzeugprojekt FCAS. In: faz.net, 19.6.2021.

[9] Vgl. Wiegold, Thomas (2021): Rüstungsprojekte nehmen erste parlamentarische Hürde – Auflagen für FCAS. In: Augengeradeaus.net, 23.6.2021.

[10] Vgl. Förster, Jakob/et al. (2021): Europa als Vorreiter für den Frieden statt Nachzügler im Wettrüsten – „Nein“ zu FCAS! In: heise.de/tp, 21.6.2021.

[11] Siehe: https://www.friedenskooperative.de/sondernewsletter-fcas-stoppen

[12] Vgl. Biermann, Kai/Musharbash, Yassin/Steinhagen, Martín (2021): Bruchlandung? In: Zeit.de, 22.6.2021.