IMI-Standpunkt 2025/023

Bildung statt Bomben

Protest gegen den Messeauftritt der Bundeswehr an der Fachschule Gotha

von: Jacqueline Andres | Veröffentlicht am: 7. April 2025

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Am Freitag, den 4. April 2025, fand die jährliche Firmenkontaktmesse „CONNECT“ an der Staatlichen Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr Gotha statt. Vertreten mit einem Stand war auch die Bundeswehr. Doch nicht alle Schüler*innen waren damit einverstanden. Direkt nach dem Start der Veranstaltung pusteten Schüler pinke Luftballons der DFG-VK auf und verteilten sie rund um den Stand. Anschließend traten sie ins Gespräch mit den zwei anwesenden Bundeswehrsoldaten des Karrierecenters der Bundeswehr Erfurt und verteilten Informationsmaterial der DFG-VK und der Informationsstelle Militarisierung an ihre Mitschüler*innen und Besucher*innen der Messe. Ihre Kernbotschaft: “Bildung statt Bomben”. Einer von ihnen betonte verständnislos: “In der Schule lernt man doch, wie wichtig Frieden ist und dann darf die Bundeswehr an die Schule kommen, um hier Werbung zu machen – und das nach Afghanistan und Mali.” Ein weiterer hoffte, Denkanstöße zu geben und Diskussionen anzuregen. Er erklärte, dass es ihn an die Praktiken von Militärregierungen erinnere, wenn neue Soldat*innen bereits aus der Schule „weggecatcht“ werden und betonte: “Unser Ziel ist es auch, die Aufrüstung zu kritisieren, die Rüstungsausgaben ohne Limit, die seit der Verfassungsänderung möglich sind.” Währenddessen kämpfen Schüler*innen der Fachschule seit 2022 für ein neues Wohnheim für ihre Schule, da es ihnen in Gotha an bezahlbarem Wohnraum mangelt.

Ein drohender Schulverweis?

Doch die Schulleitung machte ihnen den ruhigen und friedlichen Protest nicht leicht: Eine Lehrkraft warnte die Gruppe, die Schulleiterin könne sie für ihren Protest von der Schule verweisen. Auf Nachfrage betonte die Schulleiterin, Frau Nette, sie habe nicht mit einem Schulverweis gedroht und wisse noch nicht, welche Maßnahmen der Protest nach sich ziehen werde. Ein Schulverweis sei das letzte Mittel. Wenn die Präsenz der Bundeswehr bei der Messe, bei der sich um eine freiwillige Veranstaltung handele, bei Schülern auf Ablehnung stoße, könne der Fachschüler selber auch die Konsequenz ziehen und sich fragen, ob dies auch die richtige Schule für ihn sei.

Sie habe in Rahmen einer Lehrerkonferenz die Anweisung gegeben, dass dieses Jahr ein Protest gegen die Bundeswehr nicht im, sondern nur vor dem Schulgebäude gestattet sei, so die Schulleiterin. Die Klassenlehrer*innen sollten dies an ihre Klassen weitergeben, besonders an die Klasse, aus der bereits im letzten Jahr ein Protest gegen die Bundeswehr hervorging. Sie teile zwar die Auffassung der protestierenden Schüler*innen nicht, aber es sei ihr gutes Recht, ihre Meinung zu äußern. Grundsätzlich fände sie es aber bedenklich, wenn sich Schüler*innen einer klaren Ansage der Schulleitung widersetzten. Auf Nachfrage betonten die Schüler, sie hätten nichts von dieser Ansage gewusst.

Nicht der erste Protest

Bereits im letzten Jahr fand ein Protest gegen die Präsenz der Bundeswehr bei der jährlichen Firmenkontaktmesse an der Schule statt. Zwei Schüler stellten sich mit einem Banner mit der Aufschrift “Militär raus aus Schulen” zunächst vor und nach Anweisung der Schulleiterin neben den Stand und diskutierten mit den Bundeswehrsoldaten fast die gesamte Dauer der Messe.

Die Schulleiterin erklärte in Hinblick auf den Protest des letzten Jahres: “Es kann nicht sein, dass einzelne Schüler das dominieren.” Sie kritisierte die Tatsache, dass kein Gespräch am Stand möglich gewesen sei – dabei fand fast permanent ein Gespräch statt und zwar mit den kritischen Schülern, die ebenso ein Recht auf ein Gespräch mit der Bundeswehr haben, wie alle anderen Schüler*innen auch.

Bundeswehr als Arbeitgeber?

Die Schulleiterin hob hervor, die Bundeswehr sei hier als Arbeitgeber, wie die anderen eingeladenen Unternehmen auch. Jedes Jahr seien auch etwa zwei bis drei Fachschüler an der Schule, die zuvor bei der Bundeswehr ihre Ausbildungen abgeschlossen haben. Einer der anwesenden Bundeswehrsoldaten, Herr Huttig, beschrieb ihren Auftrag ähnlich: „Wir sind eingeladen worden, um hier Öffentlichkeitsarbeit an der Schule zu machen – Fragen zum Arbeitgeber Bundeswehr zu beantworten und Karrierechancen aufzuzeigen.“ Auf dem Infotisch liegen Flyer, u.a. einer mit dem Titel “Booster für Deine Karriere”, der Ausbildungs- und Studiumsmöglichkeiten bei der Bundeswehr aufzeigt. Die Bundeswehr ist jedoch kein gewöhnlicher Arbeitgeber: Die Bundeswehr bildet zum Töten aus, ein Einsatz bei der Bundeswehr kann zu Traumatisierungen und zum Tod führen. Die Bundeswehr verstärkt ihre Rekrutierungsversuche, um das langjährige Personalproblem zu lösen. Aktuell verfügt die Bundeswehr über rund 181.000 Soldat*innen – auf bis zu 230.000 soll sie laut Verteidigungsminister Pistorius wachsen, dabei scheitert sie schon heute an der Erfüllung ihrer Sollstärke von 185.000 Soldat*innen. Zwar sei letztes Jahr die Zahl der Bewerber*innen gestiegen, doch die Abbruchzahl ist hoch: Jede/r Vierte verlässt die Bundeswehr wieder innerhalb der ersten sechs Monate nach der Einstellung. Die Weichen sind jedoch auf Militarisierung gestellt in der BRD: Diskutiert wird aktuell eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Seit August 2024 gilt das Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern, das Schulen und Universitäten in Bayern eine Kooperation mit der Bundeswehr vorschreibt – auch zu Werbe- bzw. Rekrutierungszwecken. Umso wertvoller ist jeder Protest in der BRD, der die Präsenz der Bundeswehr an Schulen und ihre Militärlogik denormalisiert und zeigt, dass nicht alle mit der Militarisierung der Bildungseinrichtungen einverstanden sind.

Destabilisierende kleine Revolten

Die Anthropologin Rita Laura Segato schreibt in ihrem Buch „Wider die Grausamkeit“: “Es sind die kleinen Prozesse, auf die es ankommt, und das ist die einzige Realität, die es gibt: die kleinen Revolten, welche Normen und Hierarchien von Tag zu Tag destabilisieren.” Dies sind ermutigende Worte angesichts der Schwierigkeiten, die wir in Zeiten der ertönenden Kriegstrommeln mit unseren antimilitaristischen Protesten meistern müssen. Wir müssen unsere Erfolge selber definieren. Bereits die Luftballons um den Bundeswehrstand haben das Erscheinungsbild des Militärs destabilisiert und Dissenz sichtbar gemacht. Die Schwierigkeiten bestanden einerseits in dem ungewissen Risiko eines möglichen Schulverweis und auch im Unverständnis anderer Messebesucher*innen, die den Protest als persönlichen Angriff auf zwei Vertreter der Bundeswehr werteten. Der Protest und die Motivation dazu wurden nicht von allen verstanden. Selbst einer des Bundeswehrsoldaten fragte einen der kritischen Schüler, ob er dafür bezahlt werde. Trotz des Gegenwindes und den ungewissen Konsequenzen für ihren Protest öffneten zwei Schüler ihr Banner mit der Aufschrift „Bildung statt Bomben“ direkt vor dem Bundeswehrstand, um ihre Kernbotschaft medienwirksam für Fotos zu präsentieren. Ein Foto hiervon schaffte es bereits direkt am vergangen Freitag in die Thüringer Allgemeine. Auf Nachfrage erzählte einer der Soldaten, er sei zuvor als Karriereberater im Rhein-Main-Gebiet aktiv gewesen, dort habe es häufiger Proteste gegen sie gegeben. In Thüringen kenne er es weniger, aber er wusste über den Protest an der Schule letztes Jahr Bescheid. Beim Verlassen des Gebäudes höre ich eine Gruppe an Messebesucher*innen über ihr Gespräch mit den Demonstierenden weiterdiskutieren.