IMI-Analyse 2023/25
BE Strong?
Ein Gratis-Magazin zur Rekrutierung Jugendlicher
von: J. Fischer | Veröffentlicht am: 30. Mai 2023
Die Bundeswehr plant, ihre Wehrfähigkeit zu erhöhen. Dazu gehört vor allem auch das Anwerben von neuen Rekrut*innen, das in letzter Zeit bei vielen durch Werbetafeln und ähnliches wieder präsent geworden sein dürfte. Dies ist Teil eines Versuches, die Zahl der Soldat*innen wieder zu erhöhen, der aber mehr oder weniger wirkungslos bleibt. Denn die Zahl der aktiven Soldat*innen bleibt dennoch rückläufig. Aus diesem Grund wirbt das Verteidigungsministerium unter anderem mit Serien auf Youtube, Veranstaltungen und auf Instagram, Snapchat und Facebook. Auch ein Wiederaufnehmen der Schulbesuche von Soldat*innen in Baden-Württemberg wurde von der CDU (in Baden-Württemberg Regierungspartei) gefordert. Zum Konzept der Bundeswehr gehört aber nach wie vor auch noch das Werben in Papierform, in Form des Magazins „BE Strong“, wobei das E in BE durch ein quer gelegtes W dargestellt wird und so die Abkürzung BW (Bundes-Wehr) darstellt.
Was ist „BE Strong“?
Das erstmals 1977 (Damals noch unter dem Titel „Infopost“) herausgegebene, sogenannte „Jugendmagazin“ der Bundeswehr, richtet sich vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 20 Jahren und versucht, diese für eine berufliche Laufbahn innerhalb der Bundeswehr zu begeistern. Dabei versucht es, seine Zielgruppe mit optisch ansprechendem Design, einfachen Texten und zusätzlicher Vernetzung in verschiedenen sozialen Medien zu gewinnen. Es erscheint vierteljährlich seit 2016 unter dem Titel „BE Strong“ kostenlos, in einer Auflage von etwa einer halben Million Stück (zuvor in ähnlicher Auflage unter dem alten Titel „Infopost“) und kostete die deutschen Steuerzahler*innen im Jahr 2020 rund 70.000€. Herausgegeben wird das Magazin vom Bundesministerium für Verteidigung. Die Texte werden hierbei offiziell nach Thema der jeweiligen Ausgabe ausgewählt, zielen im Allgemeinen jedoch darauf ab, eine breite Akzeptanz für die Bundeswehr innerhalb der Bevölkerung zu schaffen und junge Menschen eine Karriere als Soldat*in als alltäglichen und attraktiven Arbeitsplatz zu vermitteln.
Aktuelle Ausgabe
Im Mittelpunkt der aktuellen Ausgabe von „BE Strong“ steht der Krieg in der Ukraine und damit das Sondervermögen der Bundeswehr und die verschiedenen Bereiche, in denen dieses investiert wird, um die allgemeine Wehrbereitschaft zu vergrößern und Deutschland und die Nato für Kriege aufzurüsten. Gleichzeitig werden verschiedene Aufgabenbereiche der Bundeswehr vorgestellt und als berufliche Option angepriesen.
Minderjährige Zielgruppe
Nach offizieller Aussage der Bundeswehr zum erstmaligen Erscheinen von „BE Strong“ richtet sich das Magazin an eine Zielgruppe im Alter zwischen 14 und 20 Jahren. Im Jahr 2021 lag das Durchschnittsalter der Abonnent*innen dementsprechend zwischen 14 und 23 Jahren. Dass dieses sogenannte „Jugendmarketing“ der Bundeswehr für einen Beruf, in dem es darum geht zu töten, extrem problematisch ist, ist wohl offensichtlich. Doch es kommt hinzu, dass das Magazin sich in Gestaltung und Inhalt offensichtlich an sozial verunsicherte Jugendliche wendet und versucht, ihnen ein Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl, sowie Wertschätzung zu vermitteln, um sie für den Dienst an der Waffe zu gewinnen (dazu unten mehr). Kaum ein rhetorisches oder stilistisches Mittel bleibt für diesen Zweck ungenutzt.
Mit welchen Tricks wird geworben?
In seiner aktuellen Ausgabe versucht das Magazin durch das Berichten von verschiedenen persönlichen Erfahrungen von Soldat*innen Jugendliche zu gewinnen, indem es ihnen Identifikationspersonen und Vorbilder in verschiedenen Bereichen der Bundeswehr liefert. Beispielsweise den 19-Jährigen „Heimatschützer“ Conor Lee H., die quer eingestiegene erste Korvettenkapitänin Bianca S. (39) oder den Oberstabsgefreiten Hakan A. (23) mit türkischem Migrationshintergrund. Die Bundeswehr versucht sich als vielfältiger, toleranter und bunter Arbeitgeber zu präsentieren.
Ein Thema bleibt dabei jedoch stets außen vor: Das Töten selbst. Das Wort kommt in der gesamten Ausgabe nicht vor und inhaltlich fragwürdige Stellen strotzen nur so vor Euphemismen. So wird von „effektivem Bekämpfen“, „Heimatschutz“ oder der „vielfältigen Zusammenarbeit auf NATO-Ebene“ gesprochen, wo schlicht Krieg gemeint ist.
Was dafür übermäßig thematisiert wird, sind die „tollen“ Erfahrungen der einzelnen Bundeswehrmitglieder und das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Truppe. Conor Lee H. schreibt etwa: „Schon in der Grundausbildung war das Biwak mein Highlight. Wir waren fünf Tage am Stück unterwegs. So lange war ich noch nie in der Natur, vor allem nicht nachts.“ Bianca S. „schwärmt“: „Gerne erinnere ich mich an die Häfen auf den Seychellen oder in Madagaskar.“ Und es wird über das NATO-Hauptquartier berichtet, dass es „wie eine große Familie [sei], in der sich alle gegenseitig unterstützen“.
Auch die alten Steckenpferde der Rekrutierung, Verantwortung und Anerkennung, kommen zum Tragen. Diese Methode ist zusätzlich massiv fragwürdig, da sie selbstverständlich darauf abzielt, Jugendliche mit Mangel an genau diesbezüglich, anzusprechen und sie in der Hoffnung, beides zu gewinnen, in die Bundeswehr zu locken. Es ist also nicht Sinn und Zweck, die potenziellen Rekrut*innen von der Sinnhaftigkeit der Bundeswehrtätigkeit zu überzeugen, sondern ihnen das Gefühl einer tätigkeitsabhänigigen Wertschätzung der Gesellschaft ihnen gegenüber zu vermitteln.
Zusätzlich lockt „BE Strong“ mit hohen Karriereaussichten, Studienplätzen und kostenlosen Bahnfahrten für einen Beruf bei der Bundeswehr – Dingen, zu denen eigentlich alle Zugang haben sollten. Auch hier lässt sich wieder klar erkennen, auf welche Zielgruppe „BE Strong“ vor allem abzielt: Nämlich eine solche, die für einen Lebensstandard, mit dem andere geboren wurden, ihren Kopf hinhalten soll. Wieder werden Beispiele eingestreut, wie das von Jens F., der es ohne Hochschulreife zum Hauptmann und Pilot geschafft hat.
Differenziert wird zwischen den verschiedenen Aufgabenbereichen, um die potenziellen Rekrut*innen mit ihren Leidenschaften zu gewinnen. Um an Technik interessierte Jugendliche zu gewinnen, wird beispielsweise ausschweifend über das neue System „Infanterist der Zukunft“ berichtet, für Mediziner*innen über die ärztliche Tätigkeit und für Seefahrtbegeisterte von der Korvette „Oldenburg“.
Der weitere Weg auf dem Einstig in die Bundeswehr fällt dann, dank der offensiv am Ende von nahezu jedem Artikel platzierten Links zur „Karrierekaserne“ der Bundeswehr, nicht schwer.
Rekrutieren mit dem Zeitgeist
Dies gehört auch zum neuen jungen Anstrich, den sich das Magazin geben will. Neben dem Titel „BE Strong“, der an den Werbeslogan der U.S. Army („Army Strong“) erinnert, versucht die Bundeswehr ihre Reichweite über Social-Media-Kanäle wie Snapchat, Instagram, YouTube und Facebook auszubauen und weist auf diese auch im Magazin hin. Mit interessanten Gewinnspielen und Faktentafeln, die mit Informationen, wie zum Beispiel der gefüllt sind, dass das Flugabwehrraketensystem Patriot bis zu fünf Ziele gleichzeitig bekämpfen kann, versucht „BE Strong“ die Leser*innen dazu einzuladen, sich noch intensiver mit der Bundeswehr und allem, was mit ihr im Zusammenhang steht, auseinanderzusetzen. Natürlich tauchen in diesem Geiste auch immer wieder Ränge und Einheitsbezeichnungen auf. Großzügig verteilt das Magazin auch Bundeswehrartikel, wie beispielsweise Sporttaschen und Trinkflaschen.[1] So schafft „BE Strong“ eine Gemeinschaft von „Bundeswehrfans“, deren Alltag sich in allen Bereichen um die Truppe dreht.
Grundlegendes Weltbild
Ein besonders faszinierendes System verwendet das Magazin, wenn es darum geht, die Leserschaft von umstrittenen politischen Entscheidungen zu überzeugen. Das wiederkehrende Schema beinhaltet eine fachvokabularreiche, komplexe und als alternativlos dargestellte Erklärung für das Vorgehen, die mit einer schlichten und kraftvollen Parole endet.
So wird gerechtfertigt, die Bundeswehr müsse sich: „konkret wappnen gegen eine mögliche militärische Bedrohung, mit der Ausrüstung, mit ihren Fähigkeiten, in der Aufstellung und Einsatzbereitschaft […]. Für die Sicherheit Deutschlands – ein großes Ziel: für uns alle“. Auf dieselbe Art wird die Bündelung verschiedener Entscheidungsbereiche im „Territorialen Führungskommando“ mit dem schnittigen Slogan „Landesverteidigung – schnell und effektiv“ den Leser*innen als logischer, unausweichlicher Entscheid präsentiert.
Neben der Rekrutierung versucht „BE Strong“ nämlich zusätzlich auch noch, von der ethischen Rechtschaffenheit und Sinnhaftigkeit sowie Notwendigkeit der Tätigkeit der Bundeswehr zu überzeugen. Hierfür werden zum einen emotionalisierende Bilder eingesetzt, wie etwa direkt auf der vierten Seite des aktuellen Magazins, die einen schreienden jungen Soldaten in voller Montur und mit Deutschlandflaggen auf beiden Schultern mit der Bildunterschrift „Heimatschutz“ zeigt. Aber auch die Texte rühren an Emotionen, wie Nationalstolz, wenn zum Beispiel davon berichtet wird, dass die anderen Nationen bei einer Rettungskettenübung der Nato in Sachen medizinischer Expertise „nur von Deutschland lernen könnten“, oder dass Deutschland „Führungsnation“ der NATO-Battelgroup in Litauen sei. Aber auch mit Angst wird gearbeitet. Das Sicherheitsbedürfnis steht in allen vier abgedruckten Leserbriefen und dem Vorwort der aktuellen Ausgabe klar im Fokus, wird aber eher unterschwellig formuliert: „Die Bundeswehr ist ein elementares Instrument der Sicherheitspolitik, ohne Verteidigung lässt sich eine glaubhafte und wirkungsvolle Sicherheitspolitik nicht aufrechterhalten“. Hier handelt es sich im Prinzip um eine alternativlose Darstellung und Verharmlosung von Militarisierung, ganz im Geiste von „Krieg ist die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“.
Gesamtziel
Das Magazin zeigt deutlich die Bemühungen des Verteidigungsministeriums, junge Menschen für die Bundeswehr zu begeistern, die zum großen Teil noch minderjährig sind. Hierbei werden diese emotionalisiert, ihnen wird kein vollständiges und transparentes Bild des Soldat*innenalltags vermittelt und sie werden mit rhetorischen und medialen Mitteln beeinflusst. Dies ist eine hochproblematische Methode, steht jedoch keinesfalls kontextlos, sondern im Einklang mit verschiedenen Öffentlichkeitsarbeitsprogrammen, wie etwa den auf Youtube erscheinenden Serien der Bundeswehr oder dem Vorschlag der CDU in Baden Württemberg, Soldat*innen wieder regelmäßig an Schulen zu schicken.
Es wäre höchste Zeit, zumindest Jugendliche, die noch nicht einmal wahlberechtigt sind, nicht mehr bewusst für Kriege und Militär begeistern zu wollen.
Anmerkungen
Die IMI-Analyse 2023/25 „Be Strong?“ entstand im Rahmen eines Schulpraktikums.
[1] Für alle „Give Aways“ des Verteidigungsministeriums im Zuge der Nachwuchswerbung fielen im Jahr 2020 rund 777.000€ Kosten an: