IMI-Analyse 2021/37 - in: AUSDRUCK (September 2021)

Korrupt und kriminell

Südafrika und Griechenland: EU-Rüstungskonzerne kaufen Politiker

von: Pablo Flock | Veröffentlicht am: 10. September 2021

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Es ist schwer, mächtige Menschen und große Konzerne für ihre Vergehen an der Gemeinschaft zur Rechenschaft zu ziehen. Eines der besten Beispiele dafür ist wohl der, sich nun schon Dekaden hinziehende, Prozess gegen Südafrikas Ex-Präsidenten Jacob Zuma und den französischen Rüstungskonzern Thomson-CSF, der seit dem Jahr 2000 Thales heißt.

Schon 1999, damals als Vizepräsident unter Thabo Mbeki, soll Zuma über seinen finanziellen Berater und Gläubiger Schabir Shaik Schmiergelder angenommen und im Gegenzug dem französischen Waffenproduzenten Thomson-CSF zu einem milliarden-schweren Rüstungsdeal verholfen haben. Zu dieser Zeit war Schabirs Bruder, Chibby Shaik, im Verteidigungsministerium für die Anschaffungen zuständig. Schabir Shaiks eigene Firma Nkobi war als Juniorpartner mit Thomson-CSF an African Defence Systems (ADS) beteiligt, welches die Ausschreibung für die Ausstattung mehrerer aus Deutschland stammenden Korvetten (Kriegsschiffe) gewann. Zuma war hoch bei Shaik verschuldet – der ihm die Schulden in dieser Zeit, neben weiteren Zahlungen, erließ.

Shaik wurde 2005 in dieser Sache zu 15 Jahren Haft verurteilt. Zuma musste zwar von seinem Mandat im Parlament und als Vorsitzender der Partei African National Congress (ANC) abtreten, und wurde von Thabo Mbeki von seiner Vizepräsidenten-Stelle entlassen, wurde jedoch nicht verurteilt. Sein Prozess wurde immer wieder verschoben, bis er 2008, nur wenige Wochen vor der Wahl, aus der er als neuer Präsident Südafrikas hervorging, aus Verfahrensgründen eingestellt wurde. Der Richter beschuldigte dabei Zumas Vorgänger Mbeki, ohne jegliche Begründung, der politischen Verschwörung gegen Zuma.

Die Klagen gegen Zuma, mittlerweile Präsident des ANCs und aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat, wurden noch ein weiteres mal wieder hergestellt und dann doch wieder eingestellt. Nachdem Zuma schon 2005 von einer Vergewaltigungsklage der Tochter eines langen politischen Weggefährten freigesprochen war, war er somit frei zur Kandidatur für das höchste Amt des Landes. Noch kurz vor der Wahl wurde Shaik nach nur zwei seiner 15 Haftjahre aus gesundheitlichen Gründen, aber entgegen der Empfehlungen seiner Ärzte, entlassen – Gerüchten zufolge auf Anordnung Zumas, der eine Begnadigung im Falle seines Wahlgewinns öffentlich in Aussicht gestellt hatte.

Immune Amtsträger und begnadigte Beihelfer

Das juristische Katz-und-Maus-Spiel pausierte für ein paar Jahre während Zumas Präsidentschaft, aber nahm zum Ende seiner zweiten Amtszeit wieder Fahrt auf, nachdem die Zeitung Sunday Times neue investigative Erkenntnisse hervorbrachte, denen zufolge die Finanzierung Zumas und anderer ANC-Politiker durch Thales keinesfalls mit dem Abschluss des Korvetten-Deals beendet war. Auch danach soll Zuma jährlich mit einer halben Millionen Rand (nach heutigem Kurs ca. 30 000 Euro), hunderten von Extrazahlungen und einer weiteren Millionen-Spende für den ANC für den Schutz vor juristischer Aufarbeitung und weitere Regierungsaufträge geschmiert worden sein. Der französische Konzern soll zudem für Luxusausflüge nach Europa und weltweite Reisen gezahlt haben, wie die Gerichtsakten eines Prozesses wegen ausstehenden Zahlungen zwischen Thales‘ südafrikanischer Tochtergesellschaft Thint und dessen ehemaligen „Fixers“ Ajay Sooklal belegen. Thales bekam in den 2000er Jahren noch mindestens einen Auftrag in Höhe von etwa 100 Mio. Rand für ein Bahnticket-System und einen weiteren Auftrag (95 Mio. Rand) für die Instandhaltung eines Flugverkehrkontrollsystems.1

Zuma überlebte mehrere Misstrauensvota im Parlament, wurde jedoch 2018 von der Parteispitze von seinem Posten gerufen, nachdem er nach weiteren Korruptionsskandalen, zum Beispiel dem Ausbau seiner Villa auf Staatskosten und einem Selbstbereichungskomplex mit den Gupta-Brüdern,2 unhaltbar geworden war. Seitdem sieht er sich einer Reihe von Gerichtsverfahren gegenüber. Im Juni 2021 wurde er zudem wegen der Missachtung seiner Aussagepflicht in einer Korruptionsanhörung einer Kommission zu 15 Monaten Haft verurteilt. Die darauf ausbrechenden Proteste seiner Unterstützer in seiner Heimatgegend KwaZulu Natal wurden daraufhin in aller Welt wahrgenommen.

Wenn Zuma und Thales in dem, am 10. August 2021 wiedermal aufgeschobenen, Prozess nun verurteilt werden, bringt das jedoch nicht die insgesamt 30 Mrd. Rand (damals rund fünf Milliarden Dollar) zurück, die sich die junge Demokratie eine Modernisierung der Streitkräfte mit Kampfschiffen, Jets, Helikoptern und U-Booten hat kosten lassen – auch nicht zusammen mit den schon gezahlten Strafen anderer mit den damaligen Anschaffungen in Verbindung verurteilter Rüstungsunternehmen, (beispielsweise 400 Mio. Rand von der britischen Rüstungsfirma BAE-Systems)3 Schon damals war der Deal, in einem Land mit einer damals wie heute relativ hohen Armutsrate, schwer umstritten.

Kein afrikanisches Problem

Sowie die Kritik an Zumas kleptokratischem System nicht als kolonial-weiße Kritik der einstigen, gegen die Apartheid gerichtete Befreiungsarmee ANC abgetan werden kann, und die randalierenden Zulu-Anhänger nicht als die gesamte schwarze Bevölkerung missverstanden werden sollten, können solche Korruptionsfälle auf keinen Fall auf ‚afrikanische Verhältnisse‘ reduziert werden.

In der zweiten Hälfte der 00‘er Dekade wurden beispielsweise in Griechenland eine Reihe von Rüstungsdeals geschlossen, die dann zwischen 2010 und 2015 zu Anklagen verschiedener – und zum guten Anteil deutscher – Unternehmen führte. So akzeptierte das Unternehmen Rheinmetall Defence Electronics (RDE) im Jahr 2014 Bußgeld in Höhe von mehr als 37 Millionen Euro4 in einem Fall, in dem das Unternehmen mit unerlaubten Zahlungen Entscheidungsträger zum Votum für den Kauf eines Flugabwehrsystems für 150 Mio. Euro bewegte.

Auch in einem anderen Deal soll RDE zusammen mit der, später von EADS und ThyssenKrupp übernommen, Firma Atlas Elektronik 9 Mio. Euro an Bestechungsgeldern für teure Extrausrüstung bei der U-Boot-Beschaffung gezahlt haben5. Auch dies war nur einer von vielen Korruptionsfällen in dem zwischen 1998 und 2018 abgeschlossenen 1,26-Mrd.-Euro-Deal, in dem vier U-Boote der deutschen Firmen Howaldtswerke-Deutsche Werft, Ferrostaal und Thyssenkrupp angeschafft wurden – und überhaupt im ganzen 17 Mrd. teuren Modernisierungsprogramm der Streitkräfte. Allein im beschriebenen U-Boot-Verkauf seien von verschiedenen Firmen an verschieden Politiker rund 133 Mio. Euro an Schmiergeldern gezahlt worden, so die Monitoring-Plattform für Rüstungskorruption „Corruption Tracker“.6 Dies führte auch zu der Verurteilung von hochrangigen Managern von Atlas Elektronik und Ferrostaal und hochrangigen griechischen Politikern inklusive dem ehemaligen Verteidigungsminister Akis Tsochadzopoulos – zumeist jedoch nur zu Bewährungsstrafen.

Geschmierte Eliten rüsten Länder bankrott

Die Zeit setzte diese überdimensionalen, korrupt herbeigeführten Anschaffungen klar mit der, den meisten noch lebhaft in Erinnerung gebliebenen, Krise in Verbindung, die uns den hässlichen Begriff „Pleitegriechen“ hinterließ: „Griechenland hatte zu dieser Zeit gemessen an seiner Wirtschaftsleistung die höchsten Rüstungsausgaben in der Europäischen Union. Dies war einer der Gründe für die enorme Verschuldung des Landes.“7 Auch das Wall Street Journal titelte: „Der U-Boot-Deal, der half Griechenland zu versenken.“8

Auch hier bringt die wichtige Aufarbeitung solcher Korruptionsfälle und die exemplarische Bestrafung der Entscheidungsträger nicht die Milliarden zurück, die der griechische Staat an die Großmachtvorstellungen in den Generalstäben und die Selbstbereicherung von politischen Entscheidungsträgern verloren hat und die ihm an einem bestimmten Punkt fehlten, um Renten und Solde zu zahlen. Auch die unter dem folgenden Troika-Diktat privatisierte Wasserversorgungen, Häfen und vormals naturbelassene Strände werden damit auch nicht wieder der Bevölkerung und der Natur überlassen.9 Das einzige, was hier präventiv helfen kann, ist überdimensionierte Rüstungsprojekte schon frühzeitig mit dem Druck aus der Bevölkerung zu stoppen.

1 Exposed: How arms dealer Thales bankrolled Zuma. Von Stephan Hofstatter, Mzilikazi wa Afrika, Piet Rampedi und André Jurgens timeslive.co.za 28.09.2014
2 In Gupta Brothers Rise and Fall, a Tale of a Sullied ANC. Norimitsu Onishi and Selam Gebrekidan nytimes.com22.12.2018
3 Jacob Zuma: South Africa‘s ex-president pleads not guilty for multi-billion dollar arms deal Andrew Harding bbc.com 26.05.2021
4 Rheinmetall gesteht Schmiergeldzahlungen ein. zeit.de 10.12.2014
5 Corruption at Rheinmetall and Atlas Elektronik? facing-finance.org26.08.2013
6 The Greek Submarine Scandal. World peace Foundation corruption-tracker.org 27.11.2020
7 Rheinmetall gesteht Schmiergeldzahlungen ein. zeit.de 10.12.2014
8 Im englischen Original: The Submarine Deal That Helped Sink Greece. Christopher Rhoads wsj.com 10.07.2010; ohne Paywall auf turkishnews.com einsehbar.
9 Beispiele für die Verheerenden Folgen der Privatisierung z.B. auf europoly.tagesspiegel.de und in Zerstörung im Namen der Troika. Malte Kreutzfeldt taz.de 28.07.2014