IMI-Studie 2020/9
Fragiles Selbstbild
Kollektive Identifikation und deren affektive Aufladung als Anwerbestrategie beim „Digitalen Tag der Bundeswehr“
von: Mario Pfeifer | Veröffentlicht am: 17. Dezember 2020
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1. Einleitung
Am 16. Juni 2020 fand der „Digitale Tag der Bundeswehr“ statt, eine durch die Corona-Krise bedingte Online-Fortführung des „Tages der Bundeswehr“. Dabei handelt es sich um ein seit 2015 jährlich von der Bundeswehr inszeniertes Event, mit dem der Rückhalt der Truppe in der Bevölkerung gestärkt und neue Rekrut*innen angeworben werden sollen. Dieses Jahr fand es als zweistündiges Live-Video auf YouTube statt.
In dieser Arbeit soll der „Digitale Tag der Bundeswehr“ (DTdB) aus der Perspektive der Popular Geopolitics analysiert werden. Diese beschäftigt sich als Teilbereich der Critical Geopolitics und der Politischen Geographie mit der kritischen Analyse geopolitischer Leitbilder. Hierzu gehört die Analyse der Konstruktion räumlicher Ordnungsvorstellung und der Inszenierung raumbezogener Gegensätze des Eigenen und des dem gegenüberstehenden Fremden. Als Gegenstand der Analyse dienen den Popular Geopolitics popkulturelle Medien wie bspw. Filme, Serien, Bücher oder soziale Netzwerke, in die die geopolitischen Vorstellungen ihres Entstehungsumfeldes einfließen.[1] Beim DTdB wird ein popkulturelles Format als Werbemedium genutzt, um geopolitische Vorstellungen von Aufgaben der Bundeswehr zu vermitteln, ihren Rückhalt in der Bevölkerung zu stärken und potenzielle Rekrut*innen anzuwerben.
In der Selbstdarstellung der Bundeswehr zeigt sich auch das Verständnis der eigenen geopolitischen Rolle der Bundesregierung. Dieses Selbstverständnis spiegelt sich in den Aufgaben und Einsätzen der Bundeswehr wider, welche wiederum ein gewisses Maß an gesellschaftlichem Rückhalt benötigen. Folglich hat die Selbstdarstellung der Bundeswehr beim DTdB einen geopolitischen Charakter. Hier wird die Bundeswehr als „Dienerin“ und „Beschützerin“ Deutschlands als übergeordnetem „Wir“ dargestellt.
Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, wie beim DTdB eine kollektive Identifikation mit der Nation konstruiert wird, um neue Rekrut*innen für den Dienst bei der Bundeswehr anzuwerben und die Truppe als Beschützerin des Kollektivs in der Gesellschaft zu verankern. Exemplarisch dient bspw. die Unterstützung ziviler Institutionen bei der Bewältigung der Corona-Krise dazu, das Bild vom Dienst an der Gemeinschaft zu stärken. Zudem wird gezeigt, wie die Selbstdarstellung der eigenen geopolitischen Rolle als passiv und stabilisierend verfestigt wird.
Die Bundeswehr steht wegen Verstrickungen in rechtsextreme Netzwerke immer wieder in der Kritik.[2] Anstatt des Dienstes am „Wir“ stellt sie in dieser Betrachtung eine Gefahr für das „Wir“ dar. Anhand der Beiträge beim DTdB zum Thema Rechtsextremismus und den Verstrickungen des ehemaligen Social-Media-Leiters Marcel Bohnert in das rechte Milieu soll gezeigt werden, dass das Problem des Rechtsextremismus in den eigenen Reihen nur oberflächlich angegangen wird und das Bild des Schutzes der konstruierten Gemeinschaft daran zerbricht.
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