Ein deutsches Flugzeug sei von einem chinesischen Kriegsschiff per Laser angegriffen worden, so berichteten am 8. Juli zahlreiche deutsche Medien, darunter ARD und ZDF in ziemlich ähnlichen Berichten. Zum Beispiel ist in beiden Beiträgen eben von einem „chinesischen Kriegsschiff“ die Rede und von einem „deutsche[n] Flugzeug“. Letzteres sei von ersterem „ins Visier genommen“ worden. Beide zitierten die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, wonach „[d]ie Gefährdung von deutschem Personal und Störung des Einsatzes … vollkommen inakzeptabel“ wären und der chinesische Botschafter einbestellt worden sei. Diese Mitteilung war es auch, welche offenbar erst einige Tage nach dem Vorfall den (vermeintlichen) chinesischen „Angriff“ zum Thema der deutschen Medienlandschaft machten.
Den Begriff des „Angriffs“ daraufhin zu ventilieren, ist jedoch eine vielleicht kalkulierbare, aber keine rühmliche Reaktion der deutschen (öffentlich-rechtlichen) Medien. Statt Information stand auch hier wieder eskalierende Suggestion im Mittelpunkt. Man stelle sich mal vor, ein chinesisches „Schiff“ habe bei einem „Routineeinsatz“ („Routine-Einsatzflug“, zdf.de) ein deutsches „Kriegsflugzeug“ per Laser abgetastet. Das wäre eigentlich ziemlich normal, denn viele (militärische wie zivile) Fahrzeuge nutzen mittlerweile Laser, um z.B. die Entfernung zu anderen Objekten einzuschätzen. Genau genommen wäre die Meldung „Deutsche Passantin von Tesla-Fahrzeug per Laser angegriffen“ womöglich ebenso passend, wie alltäglich…
Welche Aufgabe, Stärke und welches konkrete Ziel der Laser des „chinesischen Kriegsschiffs“ hatte, geht aus keinem der Berichte hervor, keine(r) scheint da nachgefragt zu haben, bevor in die Tasten gegriffen und von einem Angriff geschrieben wurde. In solchen Fällen lohnt es sich oft, auf Thomas Wiegolds Blog augengeradeaus.net nachzuschauen, der gute Kontakte und tw. informierte Kommentator*innen hat. Demnach handelte es sich bei dem „deutschen Flugzeug“ um „eine zivile Maschine vom Typ Beechcraft 350, die mit Aufklärungstechnik ausgestattet ist und deutsche Soldaten an Bord hat“ – eine „interessante rechtliche Konstellation“, wie ein Kommentar bemerkt. Unklar bleibt, mit welcher Kennung das – an sich zivile Flugzeug, vollgepackt mit Aufklärungstechnologie (vermutlich auch Laser) – unterwegs war und wie nah und mit welchem Kurs es sich dem chinesischen Schiff angenähert hat. Eine Gefährdung des (deutschen?) Personals durch Laser (Netzhautverletzungen) – wie vom Auswärtigen Amt suggeriert – sei am ehesten bei einem frontalen Annäherungskurs erwartbar und umso wahrscheinlicher, je kürzer die Distanz wäre, so weitere Kommentare.
Ein weiterer Kommentar schließt mit den Worten: „Aus meiner Sicht kennen wir hier viel zu wenig FAKTEN, um den Vorfall gegen die ‚Bundeswehrmaschine‘ wirklich bewerten zu können und daran wird sich auch wohl nichts ändern.“ Das ist leider richtig. Im Bewusstsein der deutschen (öffentlich-rechtlichen) Öffentlichkeit wird davon unbenommen eine weitere Meldung vom Angriff eines „chinesischen Kriegsschiffs“ auf ein „deutsches Flugzeug“ hängen bleiben. Und die Berichterstattung in diesem und vielen weiteren Fällen lässt eine kritische Reflektion darüber, ab wann „zurückgeschossen“ wird, zunehmend unwahrscheinlich erscheinen – gerade in Zeiten hybrider Kriegführung, die nicht nur die Feinde des Westens beherrschen.
