IMI-Standpunkt 2019/012

Drohnen mit EU-Stempel

Mit PESCO treibt die EU den Weg in den Drohnenkrieg voran

von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 28. März 2019

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Beim folgenden Text handelt es sich um eine geringfügig aktualsierte Fassung, die zuerst im ippnw forum, nr. 157, märz 2019, S. 28/29 erschien.

Die Pläne gibt es schon länger, aber mit der neuen PESCO-Projektwelle bekommt die Eurodrohne frischen Wind unter die Tragflächen. Im Rahmen der so genannten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit soll auch die europäische Militärdrohne gezielt gefördert werden. Unter dem Stichwort „European Medium Altitude Long Endurance Remotely Piloted Aircraft Systems – MALE RPAS (Eurodrone)“ wird in der neuen Peso-Projektliste auch die Eurodrohne geführt, wobei MALE RPAS für Medium Altitude Long Endurance / Remotely Piloted Air System steht. Es handelt sich um Drohnen, die eine mittlere Höhe von 5.000 bis 15.000 Metern erreichen und dabei 24 Stunden oder länger in der Luft bleiben können. Am 19. März 2019 kündigte die Kommission an, bis 2020 würden 100 Mio. Euro als „Anschubfinanzierung“ aus dem EU-Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich (EDIDP) bereitgestellt.

Die Eurodrohne soll ab 2025 als Teil souveräner europäischer Militärkapazitäten zur Verfügung stehen. Beteiligt an dem Projekt sind Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Tschechien, wobei Deutschland die Projektleitung inne hat. Gebaut werden soll die Eurodrohne von Airbus Defence and Space (Deutschland), Dassault Aviation (Frankreich) und Leonardo (Italien). Und dieser Zeitplan gilt. So teilte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage mit, sie gehe „unverändert davon aus, dass die Entwicklung eines serienreifen Systems bis zum Jahr 2025 abgeschlossen sein wird“. Dabei kam auch heraus, dass die Eurodrohne genaugenommen nicht Teil von PESCO ist, sondern dass das PESCO-Projekt die Eurodrohne ergänzt. Die Bundesregierung erklärt den Unterschied so: Bei der Eurodrohne geht es um deren Entwicklung und Beschaffung, beim PESCO-Projekt um Kooperation bei Betrieb und Nutzung der Eurodrohne.

Die Bundeswehr soll fünf Systeme erhalten, die aus 21 Drohnen und 16 Bodenkontrollstationen bestehen. Spanien will 15 Systeme kaufen, Frankreich laut Presseberichten acht Drohnen. Die Eurodrohne dient zunächst einmal der Luftaufklärung. Dabei muss es aber nicht bleiben, denn die Eurodrohne ist mit einer Länge von zehn Metern prinzipiell groß genug, um Waffen tragen zu können. „Eine Bewaffnung ist als Option vorgesehen“, schreibt das Branchenblatt Flug Revue (26.04.2018) ausdrücklich.

Zugleich gilt die Eurodrohne als industriepolitisches Schlüsselprojekt, denn Drohnen gelten als Zukunftstechnologie. Mindestens 45 Länder entwickeln solche unbemannten Luftfahrzeuge. Genutzt werden Drohnen längst auch zivil, etwa in der Landwirtschaft. Militärs schätzen die unbemannten Flugobjekte zur Aufklärung, aber auch als Waffen. Berühmt-berüchtigt ist der Drohnenkrieg, mit dem die USA bis heute Jagd auf vermeintliche oder tatsächliche Terrorist*innen machen. Die Drohnenkrieger*innen sitzen dabei tausende Kilometer entfernt am Joystick. Das Leben der eigenen Soldat*innen wird dabei nicht gefährdet.

Damit die EU bei Militärdrohnen nicht abhängig ist von außereuropäischen Herstellern, wurden bis 2017 mindestens 85 Millionen Euro in die Entwicklung der Eurodrohne gesteckt. Probleme sind dabei nicht ausgeschlossen. Schon im Jahresrüstungsbericht, den das Bundesverteidigungsministerium im Frühjahr 2018 vorlegte, wurde die Öffentlichkeit auf Verzögerungen eingestimmt: „Die im Projekt Eurodrohne identifizierten politisch/ strategischen Risiken begründen sich im Wesentlichen in der Multinationalität des Projekts“, heißt es dort. Wenn mehrere Nationen an einem Projekt beteiligt sind, mache das die Koordinierung schwierig.

Es wäre nicht die erste Problemdrohne, mit der die Bundeswehr zu kämpfen hat. Schon einmal war ein Drohnenprojekt krachend gescheitert. 2013 musste Verteidigungsminister Thomas de Maizière den Kauf der US-Drohne Euro Hawk absagen. Die Drohne wird vom US-Rüstungskonzern Northrop Grumman hergestellt, heißt eigentlich „RQ-4 Global Hawk“ und sollte als Euro Hawk in Europa eingeführt werden. Doch das ging schief – die EU-Flugsicherheitsbehörde verweigerte die Zulassung, weil die Drohne über kein Antikollisionssystem verfügte. Schließlich stoppte Thomas de Maizière das Projekt, musste sich aber einem Untersuchungsausschuss stellen; die Regierungsmehrheit entlastete ihn. Unterm Strich wurden mindestens 600 Millionen Euro in den Sand gesetzt, wie die Linke damals in ihrem Sondervotum schrieb.

Doch bei diesem Debakel soll es nicht bleiben. Vor allem an Antikollisionssystemen wird gearbeitet. Die Unternehmensgruppe Hensoldt gab Anfang des Jahres bekannt, ein solches System erfolgreich getestet zu haben. Das Unternehmen gab sich optimistisch, in weiteren Tests beim Finetuning voranzukommen. Mit einem entsprechenden System soll dann die Eurodrohne ausgerüstet werden, um eine Zulassung im europäischen Luftraum zu bekommen und ein zweites Euro-Hawk-Desaster zu vermeiden.

Bislang nutzt die Bundeswehr Drohnen zur Aufklärung. Stand 2013 hatte sie insgesamt mindestens 580, nach anderen Angaben 871 Drohnen zur Verfügung, von denen 60 in Afghanistan eingesetzt wurden. Drohnen wie LUNA, Aladin und Heron 1 dienen der optischen Aufklärung oder der Zielerfassung wie das KZO (Kleinfluggerät Zielortung). Was fehlt im Einsatzspektrum sind Drohnen, die als Waffensystemträger dienen. Dazu könnte nur Heron TP eingesetzt werden oder die dann aber nicht angeschaffte Euro Hawk. Und als Kampfmittel ließe sich die israelische IAI Harop einsetzen. Die Bundeswehr nutzt sie zusammen mit dem KZO von Rheinmetall als Verbundsystem unter dem Namen WABEP (Wirkmittel zur abstandsfähigen Bekämpfung von Einzel- und Punktzielen). Weil die Harop ausgesuchte Ziele in einem Kamikazeangriff zerstört, sieht die Bundesregierung sie allerdings nicht als Drohne oder UAV (unmanned aerial vehicle – unbemanntes Luftfahrzeug) an, sondern als Wirkmittel, vergleichbar mit Munition.

Es ist offensichtlich, was die Bundeswehr gegenwärtig kaum hat und was also noch nachgekauft werden soll: Drohnen, die als Waffensystemträger und Kampfmittel einsetzbar sind. Am 13. Juni 2018 gaben Verteidigungs- und Haushaltsausschuss grünes Licht für das Projekt, für rund eine Milliarde Euro fünf Drohnen vom Typ Heron TP zu leasen. Hersteller ist die israelische Firma Israel Aerospace Industries (IAI), bereitgestellt und gewartet werden die Drohnen von Airbus. Mit der Drohne least sich Airbus israelisches Knowhow, die deutschen Drohnenbauer können hier wertvolle Kenntnisse sammeln. Dass die Bundeswehr nach Israel ausweicht, hat aber auch noch einen ganz profanen Grund. In Deutschland dürfen militärische Drohnen nicht ohne weiteres liegen, zu groß ist die Gefahr von Kollisionen.

Das Geschäft ist pikant, weil die Heron TP bewaffnungsfähig ist, wie auch die Bundeswehr zugibt. Für bewaffnete Drohnen hat der Bundestag bisher aber kein grünes Licht gegeben. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung heißt es dazu: „Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden.“ Es ist offensichtlich, dass die Bundesregierung mit der Ausbildung an der Heron TP schon mal den Grundstein dafür legt, dass deutsche Soldat*innen eines Tages bewaffnete Drohnen einsetzen können. Sollte der Bundestag dann grünes Licht geben, wäre bereits alles da: Kampfdrohnen und Soldat*innen, die sie bedienen können. Welche Drohne sozusagen „über Nacht“ zur Kampfdrohne mutiert, Heron TP oder die Eurodrohne, ist gar nicht mehr entscheidend. Dann ist die Frage nicht mehr, welche Drohne, sondern Bewaffnung – ja oder nein. Nichts scheut Ursula von der Leyen mehr als eine offene Debatte darüber, denn sie weiß ganz genau, dass sie in der Bevölkerung keine Mehrheit dafür bekommen würde. Durch weitere Aufklärung und Aktionen können wir dafür sorgen, dass die Einführung einer bewaffneten Drohne schwieriger wird, als die Bundesregierung es plant.