IMI-Studie 2013/08 - in: IPG 9/Juni 2013
EUropas Rüstungsexportoffensive
Politische und industrielle Interessen hinter dem Geschäft mit dem Tod
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 12. Juni 2013
In Zusammenarbeit mit der Europaabgeordneten Sabine Lösing ist soeben die Broschüre Europas Rüstungsexportoffensive – Politische und industrielle Interessen hinter dem Geschäft mit dem Tod erschienen.
Wie immer kann die Broschüre hier heruntergeladen werden: https://www.imi-online.de/download/EU-Ruestungsexportoffensive.pdf
Die Kooperation ermöglicht es uns erfreulicherweise aber auch, die Printversion der Broschüre kostenlos – gerne auch in größeren Stückzahlen – zu versenden.
Bestellungen per Mail bitte an: sabine.loesing@europarl.europa.eu
Schriftlich: Sabine Lösing, MEP (z. H. Arne Brix), Verbindungsbüro Europäisches Parlament / Europabüro, Unter den Linden 50, 10178 Berlin
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung
2. Politisch-industrielle Rüstungsexportoffensive
3. EUropäische Rüstungsexportförderung
4. EU-Rüstungsexportkontrollen: Löchrig wie ein Fischernetz
5. Transparenzfreier Raum
6. Rüstungsexportkontrolle als legitimatorischer Deckmantel
7. Konversion statt Aggression
Anhang: ENTWURF EINES BERICHTS über das Thema „Waffenausfuhr: Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts des Rates 2008/944/GASP“, Brüssel, 13.2.2013
https://www.imi-online.de/download/EU-Ruestungsexportoffensive.pdf
Einleitung
In jüngster Zeit jagt eine Meldung über deutsche Waffenexporte die nächste. Zuletzt konnte der Panzerbauer Kraus-Maffai Wegmann Ende April 2013 mit einer „Erfolgsmeldung“ aufwarten: Der Vertrag zum Verkauf von 62 Leopard-2-Kampfpanzern und 24 Panzerhaubitzen 2000 an das Emirat Katar – Gesamtumfang 1,89 Mrd. Euro – sei unter Dach und Fach.[1] Diese sich häufenden Berichte spiegeln einen generellen Trend wider: „Denn die von der Bundesregierung veröffentlichten Werte für erteilte Ausfuhrgenehmigungen, die meist erst Jahre später tatsächlich erfolgen, weisen in die Höhe. Ein Vergleich der Beträge für die beiden letzten Jahrfünfte weist ein Plus von 25 Prozent aus und dabei ist der letzte Wert für 2011 (10,8 Mrd. Euro) fast doppelt so hoch wie der des Vorjahres (5,5 Mrd. Euro) und stellt damit den zweithöchsten Betrag überhaupt dar.“[2]
Dementsprechend häufen sich auch Zeitungsberichte mit Titeln wie „Deutsche Waffen für die Welt“ oder „Waffenausfuhren boomen“. [3] Dabei nimmt der Anteil an Exporten in Drittländer, die weder der EU noch der NATO angehören ebenso zu[4], wie Waffenausfuhren in Krisengebiete und/oder in Staaten, von denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.[5] Dies alles sind Belege dafür, dass die scheinbar so „restriktiven“ deutschen Rüstungsexportrichtlinien löchrig wie ein Fischernetz sind[6] – und genauso verhält es sich auch mit ihrem Pendant auf europäischer Ebene. So erteilten die EU-Staaten im Jahr 2011 Exportlizenzen im Umfang von 37,52 Mrd. Euro (2010: 37,72 Euro)[7], allein 21,3 Prozent davon gingen mit dem Mittleren Osten in eine der brisantesten Krisenregionen der Welt.[8] Schon heute finden sich unter den weltgrößten Rüstungsexporteuren zahlreiche EU-Staaten, darunter Deutschland (Platz 3), Frankreich (Platz 4) und Großbritannien (Platz 6), Spanien (Platz 7) und Italien (Platz 8).[9] Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine Momentaufnahme, in Kürze wird der Umfang der Waffenlieferungen mit aller Wahrscheinlichkeit noch deutlich zunehmen, da aktuell sowohl seitens der Politik als auch der Industrie eine regelrechte Rüstungsexportoffensive lanciert wird.
So begrüßenswert die teils durchaus vorhandene Empörung über die Zunahme deutscher und europäischer Rüstungsexporte ist, die diesbezügliche Debatte lässt dennoch einiges zu wünschen übrig. Zu kurz kommen dabei weniger die hiermit verbundenen wirtschaftlichen Interessen, sondern vor allem deren machtpolitische Hintergründe, die weit darüber hinausgehen, einzelnen „bösen“ Firmen noch größere Profite zuschustern zu wollen. Denn Rüstungsexporte sind mittlerweile zu einem elementaren Bestandteil staatlicher Machtpolitik geworden, die als zwingende Voraussetzung für die Fähigkeit zur globalen Einflussnahme und die weltweite militärische Interessensdurchsetzung gelten (Kapitel 2).
Aus diesem Grund wird seitens der Politik auf EU-Ebene auf zweierlei Arten versucht, die Waffenexporte anzukurbeln: Erstens direkt, indem eine Konzentration des EU-Rüstungssektors vorangetrieben wird, durch die sich die Exportchancen europäischer Unternehmen „verbessern“ sollen (Kapitel 3). Und zweitens, indem nichts unternommen wird, um die zahllosen Schlupflöcher und Defizite der dem Wortlaut nach eigentlich recht strengen europäischen Rüstungsexportrichtlinien zu schließen, die im „Gemeinsamen Standpunkt (GS) für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“ festgelegt sind.[10] Besonders bedenklich ist, dass wesentliche Teile der politischen Elite überhaupt kein Interesse zu haben scheinen, Maßnahmen zu ergreifen, die eine strengere EU-Rüstungsexportkontrolle ermöglichen würden – im Gegenteil: Diesbezügliche Versuche werden zielstrebig torpediert. Eindrucksvoll wurde dies durch die im Vorwort bereits näher beschriebene Art und Weise unter Beweis gestellt, wie der von der Linksfraktion GUE/NGL angefertigte Berichtsentwurf „Waffenausfuhr: Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts des Rates“[11] von der Europäischen Volkspartei (EVP) versenkt wurde, um so jegliche Debatte über dieses Thema im Europäischen Parlament zu verhindern. So werden sowohl die Versuche im Keim erstickt, die Einhaltung der Richtlinien sicherzustellen (Kapitel 4) als auch die Transparenz über getätigte Waffenexporte durch die Mitgliedsstaaten zu verbessern (Kapitel 5).
In der aktuellen Form sind die europäischen Rüstungsexportrichtlinien deshalb relativ nutzlos, im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv. Sie gaukeln eine in Wahrheit nicht existierende strenge Prüfung von Waffentransfers vor und helfen damit, diese zu legitimieren. Nicht umsonst ist deshalb auch der Rüstungsindustrie an „strengen“ Richtlinien gelegen, solange sich diese in der Praxis – und nur um die geht es – nicht als allzu hinderlich erweisen: „Der BDSV [Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie] legt in diesem Zusammenhang Wert auf die Feststellung, dass sich die deutsche SVI [Sicherheits- und Verteidigungsindustrie] bei den getätigten Rüstungsexporten im Rahmen des geltenden Rechts bewegt und sich strikt an die restriktiven deutschen und europäischen Regelungen hält. […] Richtigerweise erteilt die Bundesregierung Exportgenehmigungen nur, wenn strenge Auflagen und Kriterien erfüllt sind.“[12] Als Ergänzung, nicht als alternative zu Regelungen auf nationalstaatlicher Ebene wären strikte EU-Rüstungsexportrichtlinien ebenso wünschenswert wie notwendig – in ihrer aktuell existierenden Form dienen sie aber leider eher als legitimatorischer Deckmantel, unter dem munter Waffen in alle Welt geschickt und so zahllose Konflikte angeheizt werden können (Kapitel 6).
Schließlich werden Rüstungsexporte aktuell auch häufig unter Verweis auf deren volkswirtschaftliche und beschäftigungspolitische Bedeutung gerechtfertigt – beide sind allerdings relativ gering. Eine Umstellung der Produktionskapazitäten auf die Herstellung ziviler Güter wäre demzufolge relativ einfach möglich – sofern der politische Wille hierzu vorhanden wäre. Dass dies nicht der Fall ist, hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass politischerseits eine „eigene“ Rüstungsindustrie gewünscht wird, um „eigene“ machtpolitische Interessen durchsetzen zu können. Wer also wirklich ernsthaft für ein Verbot von Rüstungsexporten eintreten will, muss auch gleichzeitig dieser Machtpolitik und auch jeglicher Form von Militärinterventionen eine klare Absage erteilen (Kapitel 7).
Ganze Broschüre: https://www.imi-online.de/download/EU-Ruestungsexportoffensive.pdf
Anmerkungen
[1] Krauss-Maffei Wegmann unterstützt katarische Heeres-Modernisierung, Pressemitteilung, München, 18.04.2013. Kurze Zeit später wurde darüber hinaus noch bekannt, Exportgenehmigungen seien auch für sieben weitere gepanzerte Fahrzeuge, ein Artilleriegeschütz, Maschinengewehre, Zünder, Geschosse, Munition sowie weiteres Zubehör erteilt worden. Siehe Regierung bewilligt deutlich mehr Waffen für Katar, dpa, 26.04.2013.
[2] Henken, Lühr/Strutynski, Peter: Händler des Todes. Rüstungsexporte als Mittel deutscher Außenpolitik: Schädlich und unmoralisch, RLS-Standpunkt Nr. 5/2013, S. 1.
[3] Pfeiffer, Hermannus: Waffenausfuhren boomen. Rüstungsexporte verdoppelt, taz, 22.02.2013; Deutsche Waffen für die Welt, Focus, 24.09.2012.
[4] „Von den für 2011 genehmigten Ausfuhren in Höhe von 10 Mrd. € sollten rd. die Hälfte in Drittländer gehen. Ein Jahr zuvor waren das rd. ein Drittel. Von den tatsächlich verkauften Waffen gingen rund zwei Drittel an Drittstaaten.“ Siehe Der Tod bleibt ein Meister aus Deutschland, Freitag, 13.02.2013.
[5] Im Falle der geplanten Panzerlieferungen nach Saudi Arabien sah sich selbst die regierungsnahe „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) zu einer scharfen Kritik veranlasst: „Die USA, Europa und Deutschland sollten Bahrain und Saudi-Arabien entschiedener zu einem Politikwechsel auffordern. Wollen sie am Golf glaubwürdig sein, müssen sie überdies ihre Waffenverkäufe an diese Staaten begrenzen. Die Belieferung Saudi-Arabiens mit Leopard-Panzern, die für die Aufstandsbekämpfung konzipiert sind, verträgt sich nicht mit Bemühungen um eine friedliche Konfliktlösung in Bahrain.“ Siehe Steinberg, Guido: Kein Frühling in Bahrein, SWP-Aktuell 23, März 2013, S. 1.
[6] „In dem Bestreben, ihre Rüstungsexportpolitik restriktiv zu gestalten, […] hat die Bundesregierung ihre Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern wie folgt neu beschlossen: […] Genehmigungen für Exporte nach KWKG und/oder AWG kommen nicht in Betracht, wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht, z. B. bei bewaffneten internen Auseinandersetzungen und bei hinreichendem Verdacht des Missbrauchs zu innerer Repression oder zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle.“ Siehe Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, URL: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/A/aussenwirtschaftsrecht-grundsaetze,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf (29.04.2013), S. 4.
[7] EU arms exports figures remain level, Jane’s Defence Weekly, 04.01.2013.
[8] EU arms exports. Member States’ compliance with the common rules, Library of the European Parliament, Briefing, 20.01.2013, S. 4.
[9] Holtom, Paul u.a.: Trends in international arms transfers, 2012, SIPRI Fact Sheet, March 2013.
[10] Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (zitiert als GS).
[11] Entwurf eines Berichts über das Thema „Waffenausfuhr: Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts des Rates 2008/944/GASP“ (2012/2303(INI)), Brüssel, 13.02.2013 (zit. als Rüstungsexportbericht).
[12] Nachsteuerung zu Rüstungsexporten? BDSV-Newsletter, Oktober 2012, S. 3.