IMI-Analyse 2013/018 - in: AUSDRUCK (Juni 2013)

Die Drohnen und der Feind im Innern

von: Beni Müller | Veröffentlicht am: 4. Juni 2013

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Die Ankündigung, die Schweizer Armee wolle neue Kampfjets kaufen, hat landesweit einen derartigen Rummel ausgelöst, dass das Schweizer Verteidigungsministerium inmitten des Getöses quasi unbemerkt eine weitere Kriegsmaterialbeschaffung vorantreiben kann: Die Schweiz will von Israel neue Drohnen kaufen. Weshalb uns dieser Drohnenkauf Sorgen bereitet.

Neue Drohnen für die Schweizer Luftwaffe

Im Policy Brief vom April des Vereins Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft (VSWW) schreibt der Präsident Günter Herberger im Vorwort: „Neben dem Tiger-Teilersatz (TTE)[1] treibt die Schweizer Luftwaffe derzeit mit der Aufklärungsdrohne 15 (ADS 15) ein weiteres Beschaffungsprogramm voran, und dies wird von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.“[2] In der Tat geht bisher der Kauf israelischer Drohnen in der laut geführten Diskussion um den Kampfjetkauf unter. Heubergers Bedauern ist unsere Besorgnis, denn die Beschaffung neuer Drohnen ist in vielerlei Hinsicht problematisch.

Die Schweizer Luftwaffe besitzt bereits Drohnen, sie fliegen seit bald 25 Jahren im Dienste der Armee. Der wichtigste Einsatz während dieser Zeit war die EURO 08. Diesen Eindruck erhält man zumindest, liest man diesen Policy Brief vom April.[3] Nun kommt das vorhandene System ADS 95 ans Ende seiner Lebensdauer, und die Luftwaffe bemüht sich, diese Drohnen bis 2017 mit neuen zu ersetzen.[4] Während die alten Drohnen eher klein sind und vor allem zur Aufklärung und Überwachung dienen, sollen die neuen grösser sein, mit besserer Flugleistung und grösserer Reichweite. Der relevante Unterschied: diese Drohnen können potentiell bewaffnet werden.[5]

Zwei Anbieterinnen buhlen nun um die Gunst der Schweizer Luftwaffe. Beide sind aus Israel. Israel Aerospace Industries (IAI) preist ihre Drohne Heron 1 an, Elbit die Drohne Hermes 900.[6] Letzten Herbst testete die Luftwaffe in Emmen (LU) beide Typen. Anfang 2014 will das Verteidigungsministerium den Entscheid fällen, welche Drohne die Schweiz kaufen wird.[7]

Aus Sicht der GSoA ist jeder Import oder Export von Kriegsmaterial grundsätzlich abzulehnen. Egal woher, egal wohin, egal was. Dieser Drohnenkauf bereitet uns aber aus zwei besonderen Gründen Sorgen.

Israel: Problematische Herkunft

Einerseits stellt die Herkunft dieser Drohnen ein Problem dar. Nicht weil die GSoA Fair Trade-Drohnen  aus anderen Ländern, die das Völkerrecht einhalten, bevorzugen würde, sondern weil Drohnen im Nahen Osten eine lange Entwicklungsgeschichte aufweisen: Für den Jom Kippur-Krieg (1973) und den Libanonkrieg (1982) entwickelte Israel Drohen und setzte sie ein. Ab den 1980er Jahren lieferte Israel Drohnen an die USA oder half den USA bei der Entwicklung eigener Drohnen, die schliesslich im ersten Golfkrieg und im Balkan zum Einsatz kamen.[8] Hinzu kommt, dass Israel bis 2002 der einzige Staat war, der gezielte Tötungen systematisch auch ausserhalb eines bewaffneten Konflikts durchführte. Damals noch von den USA kritisiert, hat die USA seit dem 11. September 2001 im Namen der Terrorismusbekämpfung dieselbe Taktik eingeschlagen, mit vielen zivilen und unschuldigen Opfern. Wesentlich für diese Entwicklung sind die Drohnen, die für solche Tötungen die ideale Technologie darstellen.[9] Mit dem Kauf von Drohnen aus Israel unterstützt die Schweiz somit eine Industrie, deren Geschäftsinteressen mit dem Interesse an einem stabilen Frieden im Nahen Osten in Konflikt stehen. Es geht hier also nicht um den Boykott eines problematischen Konsumproduktes. Es geht ein weiteres Mal um einen sinnlosen Waffen-Deal, der Steuergelder in die Rüstungsindustrie pumpt und das Leid vieler Menschen mitfinanziert.

Der Innere Feind: Linke Demonstranten

Der zweite Grund, weshalb wir mit Sorge auf diesen Drohnenkauf blicken, sind die Entwicklungen innerhalb der Schweizer Armee selbst: Seit der klassische Landesverteidigungskrieg für die Schweiz unwahrscheinlich geworden ist, sucht die Armee verbissen nach einem neuen Feind. Und sie findet ihn im Inland. Dies zeigen zwei Übungen der Armee im letzten Herbst:  Die Übung „Stabilo Due“ an verschiedenen Standorten in der Schweiz und die Übung „Paper“ im solothurnischen Biberist. Im Rahmen von „Stabilo Due“ versuchte Verteidigungsminister Ueli Maurer sich zu rechtfertigen und machte dabei deutlich, dass die Armee damit rechnet in naher Zukunft – angesichts der Wirtschaftskrise und einem befürchteten Zerfall Europas – gegen Unruhen in der Schweiz vorgehen zu müssen. Konkret: Maurer rechnet damit, dass auf Grund steigender Arbeitslosigkeit in umliegenden Ländern und der Schweiz Proteste und Solidaritätskundgebungen in Unruhen eskalieren. Und die Schweizer Armee soll bei solchen Unruhen zum Einsatz kommen: „Ich schliesse nicht aus, dass wir in den nächsten Jahren die Armee brauchen“, sagte Maurer.[10] Interessanterweise führte dies vor allem im Ausland zu Empörung, weil die Ausgangslage dieser Übung ein zunehmend instabiles Europa war.[11] In der Schweiz selber empörte sich nur die Linke: die GSoA und die Gewerkschaften.[12] Wieso? Weil ziemlich eindeutig zum Vorschein kam, wie sich die Armee ihren neuen Feind vorstellt, nämlich rot und antikapitalistisch. Ein Ausriss aus dem „Schweizer Soldat“, die selbsternannte „führende Militärzeitschrift der Schweiz“, zeigte ein Bild der Übung „Stabilo Due“. Die Unruhestifter, gegen welche die Armee während der Übung vorzugehen hatte, trugen rote Fahnen.[13] So viel zu schlecht gewählter Symbolik. Noch deutlicher entlarvte sich die Armee aber während der Übung „Paper“ in Biberist. Wie die Wochenzeitung WOZ berichtete, tauchte dort bei der Übung ein echtes Transparent der globalisierungskritischen Bewegung auf, das die Polizei bei einer Demonstration gegen das World Economic Forum (WEF) beschlagnahmt hatte.[14] Mit Symbolik hat das nichts mehr zu tun, die Botschaft war unmissverständlich: Die Armee rüstet sich gegen Demonstrierende in der Schweiz auf.[15] Pikant an dem Ganzen ist überdies, dass die beiden Übungen kurz vor und kurz nach dem 9. November 2012 stattfanden, dem 80-jährigen Gedenktag daran, dass 1932 Rekruten der Schweizer Milizarmee in Genf auf eine antifaschistische Demonstration schossen und dabei 13 Demonstranten töteten.

Kriegsmaterial bei Demos

Worin besteht nun der Zusammenhang mit den neuen Drohnen? Drohnen kommen in der Schweiz bereits heute bei Protesten zum Einsatz, so z.B. jährlich beim 1. Mai in Zürich,[16] oder am WEF.[17] Im Policy Brief vom April sind eine ganze Reihe ziviler Einsatzmöglichkeiten von Drohnen beschrieben, die den Kauf rechtfertigen sollen. Überwachung von Wildbeständen und Prävention von Waldbränden sind die harmlosesten Funktionen, die man laut VSWW an Drohnen delegieren könnte. Der VSWW schreibt aber: „Die Drohne wurde vom Artillerieaufklärer zum Provider für das ganze Spektrum an Aufgaben und unterstützt häufig das Grenzwachkorps und die Polizei.“[18] Und das ist der springende Punkt: Wenn die Armee Aufgaben der zivilen Polizei übernimmt und sich gleichzeitig darauf vorbereitet, auf einen Feind im Inneren vorzugehen, ist das besorgniserregend. Noch besorgniserregender ist, wenn sie sich massiv mit Kriegsmaterial ausstattet, das auch gegen die zivile Bevölkerung einsetzbar ist. Die neuen Drohnen als Kriegsmaterial zu bezeichnen ist aus unserer Sicht nicht abwegig, denn sie sind in ihrer Grösse und Flugleistung vergleichbar mit den amerikanischen Predator (MQ-1), die seit dem 11. September 2001 bewaffnet in Afghanistan zum Einsatz kamen. Angenommen, die Drohnen gehörten einem Zivilen Katastrophenschutz an und kämen nur bei Naturkatastrophen zum Einsatz, wie beispielsweise bei Überschwemmungen und Waldbränden, würden Kleinstdrohnen mehr als genügen.[19] Da sie aber der Luftwaffe gehören und gegen Innen bereits zum Einsatz kamen, ist es aus unserer Perspektive mehr als fragwürdig, weshalb die Schweiz Drohnen kaufen will, die grösser sind, eine bessere Flugleistung aufweisen und gar potentiell bewaffnet werden könnten. Auf Anfrage beim Verteidigungsministerium heisst es: „Armasuisse hat […] vom Armeestab den Auftrag erhalten, ein neues Drohnensystem […] für ein Rüstungsprogramm vorzubereiten. Eine potentielle Bewaffnung kann man sich bei vielen Systemen vorstellen – die Frage ist, ob man von diesem Potential Gebrauch machen will“. Es wird also deutlich, dass die neuen Drohnen nicht für zivile Einsätze konzipiert sind. Sie gehören zur Weiterentwicklung der Armee, mit dem neuen Feind im Innern.

Beni Müller ist Sekretär der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSOA)

Anmerkungen
[1] Der Tiger Teilersatz (TTE) ist das Projekt des Schweizer Verteidigungsministeriums, bei dem ein Teil der Kampfjetflotte der Schweizer Luftwaffe ersetzt werden soll. Konkret will das Verteidigungsministerium 22 neue Kampfjets des Typs Saab Gripen beschaffen, um die F-5 Tiger zu ersetzen.
[2] Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft (VSWW). Sicherheitspolitische Information: Ein Beitrag zum Fähigkeitserhalt der luftgestützten Aufklärung. April 2013, S. 3.
[3] Ibid. S. 9.
[4] Wortprotokoll, Fragestunde, Nationalrat – Sommersession 2012 – Elfte Sitzung – 11.06.12: http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4904/383434/d_n_4904_383434_383438.htm.
[5] Dies zeigt die deutsche Bundeswehr, die die Bewaffnung ihrer Heron 1 Drohnen in Betracht zieht. Heron 1 ist dieselbe Drohne, die auch der Schweiz zum Kauf angeboten ist. Siehe: Spiegel Online, 25.1.2013: http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/bundeswehr-eads-verspricht-kampfdrohne-in-einem-jahr-a-879710.html.
[6] Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft (VSWW). Sicherheitspolitische Information: Ein Beitrag zum Fähigkeitserhalt der luftgestützten Aufklärung. April 2013.
[7] „So schwebte die israelische Drohne über Emmen“, Tages-Anzeiger, 20.09.2012.
[8] Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft (VSWW). Sicherheitspolitische Information: Ein Beitrag zum Fähigkeitserhalt der luftgestützten Aufklärung. April 2013, S. 5f.
[9] Siehe: offiziere.ch. Internationale Jagdsaison: gezielte Tötungen und das Völkerrecht (Teile 1 und 2): http://www.offiziere.ch/?p=8864 und http://www.offiziere.ch/?p=9041.
[10] „Helvetia in Gefahr: Die Armee probt schon den Ernstfall“, Der Sonntag, 07.10.2012.
[11] „Die Welt berichtet über Schweizer ‚Käsearmee‘“, Tagesanzeiger, 20.10.2012;
oder: „Allzu realistische Kriegsspiele?“, www.sf.tv, 19.10.2012.
[12] Siehe: „Armee rüstet sich für Unruhen in Europa“, GSoA-Blog, 10.10.2012;
„Die Linke macht innere Armee-Einsätze zum Thema“, Der Sonntag, 14.10.12;
Work-Ausgabe vom 19.10.2012.
[13] „Helvetia in Gefahr: Die Armee probt schon den Ernstfall“, Der Sonntag, 07.10.2012.
[14] „Die Spur eines Transparents“, WOZ, 31.01.2013.
[15] „Ein Demo-Bild sorgt für grossen Ärger“, Der Sonntag, 27.01.2013.
[16] Siehe Anfrage Walter Angst im Gemeinderat Zürich: http://www.gemeinderat-zuerich.ch/Geschaeft_Details.aspx?ID=5fe68098-0563-4c5a-8377-fd61ad384546.
[17] Siehe: „Im ‚Pöstli‘ posieren“, WOZ, 18.01.2007.
[18] Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft (VSWW). Sicherheitspolitische Information: Ein Beitrag zum Fähigkeitserhalt der luftgestützten Aufklärung. April 2013.
[19] Ibid. S. 7ff.