IMI-Standpunkt 2013/011 - in: www.marx21.de, 28.2.2013
Von Gold, Uran und dem Handel mit China
Französische Soldaten kämpfen in Mali um die Kontrolle von Rohstoffen. Claudia Haydt, Vorstand der Informationsstelle Militarisierung, erklärt im Interview, warum die Unterstützung der deutschen Armee nicht nur symbolisch ist
von: Claudia Haydt / Hans Krause | Veröffentlicht am: 1. März 2013
marx21.de: DIE LINKE sagt, die französische Armee schaffe in Mali keinen Frieden. Warum hat Frankreich die malischen Rebellen angegriffen?
Claudia Haydt: Die militärische Kontrolle der Region ist für Frankreich wichtig, weil der französische Staatskonzern Areva im Nachbarland Niger eines der größten Uranbergwerke der Welt betreibt. Im Westen Malis wurde ebenfalls Uran entdeckt. Auch hier will Areva zum Zug kommen. Eine militärische Präsenz könnte auch ökonomische Vorteile bringen. Nicht zuletzt deshalb führt Frankreich Krieg in Westafrika.
Wegen der 58 Atomkraftwerke in Frankreich?
Ja, aber nicht nur. Der Kalte Krieg ist zwar vorbei, aber die mächtigste Waffe der Welt ist noch immer die Atombombe. Ein Industriestaat, der mit der Bombe drohen kann, hat immer einen militärischen Vorteil.
Es geht also gar nicht um Mali selbst?
Doch, auch. In Mali gibt es zudem Gold, Öl, Gas, Kupfer, Edelsteine und vieles mehr. Und der wichtigste Handelspartner des Landes ist …
… natürlich Frankreich.
Nicht mehr, sondern China. Bisher hat es die chinesische Regierung aber nicht gewagt, Soldaten in Westafrika zu stationieren. Frankreich hat durch den jetzigen Angriff die Chance, den Rohstoffabbau in der Region stärker zu kontrollieren und Lieferungen nach China zu beenden oder wenigstens neue Verträge mit diesem Hauptkonkurrenten schwieriger zu machen.
Heißt das, den Kampf gegen den Islamismus hat die deutsche Regierung nur erfunden?
Nein. Den Krieg gegen islamische Rebellen gibt es wirklich. Erfunden ist, dass Islamisten in Afrika eine Gefahr für uns wären. Es gibt keine Hinweise, dass Islamisten aus Mali Anschläge in Europa planen.
Was die deutsche Regierung nicht davon abhält, Islamisten grundsätzlich für Terroristen zu halten.
Das stimmt nicht. In Afghanistan haben sich die deutschen Truppen mit Kriegsfürsten verbündet, die genauso islamistisch sind wie die Taliban. Auch im syrischen Bürgerkrieg stehen Merkel und Westerwelle eher auf Seiten islamistischer Aufständischer, weil Baschar al-Assad mit Russland verbündet ist.
Die europäischen Regierungen wissen, dass wir vom Islamismus nichts zu befürchten haben. Sie stellen ihn nur dann als Grundübel der Menschheit dar, wenn es ihnen als Rechtfertigung für ihre imperialistischen Kriege in den Kram passt.
Am 19. Februar ist ein französischer Soldat in Mali im Kampf getötet worden. Geht der Krieg weiter oder hat Frankreich die Rebellen besiegt?
Die französische Armee hat die Großstädte besetzt, weil die Rebellen geflohen sind. Doch wie bei jeder Besatzung beginnt jetzt der Guerilla-Krieg. Es werden noch viele Soldaten sterben und leider noch mehr unschuldige Zivilisten.
Kann Frankreich diesen Krieg gewinnen?
»Gewonnen« hat Frankreich in dem Sinne, dass ihre Armee die stärkste militärische Kraft in Mali ist. Aber »gewinnen« in dem Sinne, dass die Rebellen aufgeben, kann die französische Armee nicht.
Warum nicht?
Besatzungsarmeen haben Rebellen niemals zum Frieden bewegt, sondern eher radikalisiert. Auch Frankreich führt seinen Krieg mit starken Bombardierungen aus der Luft, bei denen viele unschuldige Menschen ermordet werden. Ähnlich wie in Afghanistan werden die Rebellen Zulauf bekommen und neue Kämpfer ausbilden.
Beim Einmarsch in Gao und anderen Städten haben die Menschen den französischen Soldaten zugejubelt.
Erinnern wir uns an den Einmarsch der US-Armee im Irak 2003. Auch damals haben die Menschen gejubelt, als Diktator Saddam Hussein buchstäblich vom Sockel gestoßen wurde.
Aber früher oder später stellen die Malier fest, dass die Besatzung ihre Armut kein bisschen gemildert hat und das Morden immer weitergeht. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Menschen den Abzug der französischen und deutschen Besatzer verlangen.
Der französische Präsident Francois Hollande hat angekündigt, die Truppen schon im März wieder abzuziehen. Hat er aus Afghanistan gelernt?
Gleichzeitig hat der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière gesagt, die deutsche Armee müsse sich auf einen langen Einsatz in Mali einstellen. Merkwürdig, oder?
Frankreich hat ein ähnliches Problem wie die USA: Zwar gibt es eine starke Armee, aber der Staat ist so pleite, dass er eigentlich kein Geld mehr hat, um Krieg zu führen. Deshalb wird die französische Regierung die Besatzung Malis durch UNO-Blauhelmsoldaten beantragen und möglichst viele eigene Soldaten abziehen, um Geld zu sparen. Schon jetzt sind Truppen afrikanischer Armeen und aus Deutschland in Mali.
Die USA halten sich aus dem Konflikt raus?
Die Uranbergwerke der Region sind für Frankreich und den Rest der EU wichtiger als für die USA. Aber auch die Vereinigten Staaten versuchen seit den 1990er Jahren mehr Kontrolle über Westafrika zu erlangen. Derzeit wird mit mehreren Regierungen über die Stationierung von US-Drohnen verhandelt.
Die US-Regierung hat durch die Kriege in Irak und Afghanistan viele Soldaten und viel Geld verloren. Das hat ihre Möglichkeiten, die Kontrolle über andere Regionen auszubauen, geschwächt. Aber aufgeben werden die USA niemals.
Der Bundestag wird die deutschen Truppen in Mali auf 330 Soldaten aufstocken. Ist das nur eine symbolische Unterstützung Frankreichs?
Symbolisch vielleicht aus Sicht der viel stärkeren französischen Armee. Aber nicht symbolisch für die Menschen in Mali.
Die Ausbilder der Europäischen Union in deren Rahmen die Bundeswehr eingesetzt wird sollen vier Gefechtsverbände der malischen Armee aufbauen und einsatzbereit machen.
Aber wofür werden diese Soldaten kämpfen?
Am 8. Februar haben sich in der Hauptstadt Bamako verschiedene Einheiten der malischen Armee gegenseitig beschossen. Es gab mehrere Verletzte.
Die deutschen Offiziere bilden eine Armee aus, die in sich gespalten ist. Nicht nur zwischen Nord und Süd sondern auch innerhalb des Südens droht ein Bürgerkrieg. Wer auch immer diesen Krieg gewinnt, die Menschen werden verlieren.
Dennoch wird der Einsatz der deutschen Armee von CDU, FDP, SPD und Grünen beschlossen.
Wir müssen uns von der Hoffnung verabschieden, dass SPD und Grüne weniger kriegerisch seien als CDU und FDP. Im Gegenteil: Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, kritisierte die Regierung im Januar dafür, dass sie beim Bundeswehreinsatz in Mali »immer wieder nur Minimallösungen anbietet«.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir spottete bei der »Münchner Sicherheitskonferenz«, »der pazifistische Westerwelle« sei »die späte Rache der FDP an der Friedensbewegung«. Und: »Unter einem Grünen-Außenminister hätte es so eine blamable Hilfe nicht gegeben.«
Gerade in der Frage von Krieg und Frieden haben SPD und Grüne keine Hemmungen, die CDU rechts zu überholen. Die einzig friedliche Partei im Bundestag ist DIE LINKE.
Könnte die deutsche Armee bald einen ähnlichen Krieg führen wie die französische in Mali?
Militärisch ist die Bundeswehr dazu fähig. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass deutsche Soldaten zunächst als Teil einer »EU Battlegroup« in den Kampfeinsatz ziehen. Das sind Kampfverbände von etwa 1500 Soldaten verschiedener EU-Länder, die jederzeit weltweit in den Krieg geschickt werden können. Das ist der nächste logische Schritt, um Deutschland noch kriegsfähiger zu machen.
(Das Interview führte Hans Krause)