IMI-Standpunkt 2013/010 - in: AUSDRUCK (April 2013)
Afghanistan: Raten mit Zahlen
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 1. März 2013
Dass die NATO überhaupt nicht die Absicht hat, entgegen dem, was in offiziellen Verlautbarungen suggeriert wird, 2014 komplett die westlichen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, sollte inzwischen eigentlich bekannt sein – ist es aber leider nicht. Zumindest wird in den Massenmedien stur weiter die offizielle Version ungeachtet ihrer Widersprüche verbreitet. Auf den Irrwitz der diesbezüglichen Debatte wies etwa Uli Cremer kürzlich unter Verweis auf eine FAZ-Überschrift mit folgenden Worten hin: „Die FAZ hat es in ihrer Printausgabe am 23.2.2013 geschafft, den mathematisch-logischen Widerspruch in eine knappe Überschrift zu pressen: ‚Bis zu 12000 Soldaten nach Abzug in Afghanistan.‘“
Was die konkrete Anzahl an Soldaten anbelangt, die auch nach dem „Abzug“ weiterkämpfen werden, ändern sich die Zahlen allerdings ständig. Zeitweise war aus BND-Kreisen zu hören, nach dem „Abzug“ aus Afghanistan würden etwa 35.000 Soldaten weiter stationiert bleiben. Nun wurde dies nach unten korrigiert – inzwischen ist die Rede von 8.000 bis 12000. In jedem Fall scheint entschieden, dass auch nach 2014 am Hindukusch weitergekämpft werden wird.
Apropos irrwitzige Zahlenspiele an der Propaganda-Front: Krampfhaft ist die NATO-Truppe ISAF bemüht zu suggerieren, der Krieg sei am Abflauen. Als Beleg hierfür werden die sog. „Sicherheitsrelevanten Zwischenfälle“ (SRZ), Gefechte mit Aufständischen in Afghanistan, herangezogen. Diese seien 2012 gegenüber dem Vorjahr um 7% zurückgegangen, hieß es vollmundig. Wie sich nun aber herausstellte, wurde bei dieser Angabe “vergessen”, SRZs zwischen Aufständischen und afghanischen Regierungstruppen (Armee wie auch Polizei) zu berücksichtigen.
Da schon seit einigen Jahren relativ „erfolgreich“ versucht wird, möglichst große Teile der Kampfhandlungen – und damit auch der Opfer – auf die afghanischen Regierungseinheiten abzuwälzen, wurden damit – sicherlich wohl bewusst – große Teile der realen Kampfhandlungen ausgeklammert, wodurch ein völliges Zerrbild entstand. Zieht man die SRZs zwischen Regierungseinheiten und Aufständischen hinzu, zeigt sich, dass die Intensität des Krieges 2012 gegenüber 2011 auf demselben – hohen – Niveau geblieben ist.
Im Ergebnis haben wir also ebenso wenig einen westlichen Truppenabzug wie einen abflauenden Krieg – und ebenso wenig haben wir eine Presse, die über die offenkundige Lügerei der Herrschenden angemessen berichtet.