IMI-Standpunkt 2007/054

Interview mit Tobias Pflüger auf tueinfo.de


von: Interview / Pressebericht / tueinfo | Veröffentlicht am: 6. August 2007

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Interview mit Tobias Pflüger (MdEP)

Tobias Pflüger (Jahrgang 1965) ist ein „Veteran“ der Friedensbewegung. Im Jahr 1996 war er an der Gründung Informationsstelle Militarisierung e. V. (IMI) mit Sitz in Tübingen beteiligt.

Bei der Europawahl 2004 kandidierte er als Parteiloser auf der Liste der damaligen PDS, (heute: Die Linke) und ist seitdem Mitglied des europäischen Parlaments (MdEP).

URL seiner Homepage: http://www.tobias-pflueger.de

Tueinfo: Wie würdest Du die Rolle und den Einfluss der IMI beschreiben?

Tobias Pflüger:

Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. ist angesiedelt im Zwischenbereich zwischen Friedensforschung und Friedensbewegung, Die IMI bereitet friedenspolitisch relevante Informationen auf und die einzelnen IMI-Aktiven erarbeiten Analysen, Studien, Standpunkte zu verschiedenen friedenspolitisch relevanten Themen. Der Informationsstelle Militarisierung ist es über die Jahre immer wieder gelungen, prägend auf bestimmte Debatten Einfluss zu nehmen, Schwerpunkt war, ist und bleibt sicher immer die Herausarbeitung der Rolle Deutschlands in verschiedenen Konflikten: Einige Beispiele:

– Die Thematisierung der problematischen Rolle der Bundeswehr-Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw hat uns seit unserer Gründung begleitet.
– Ausgehend vom KSK haben wir die Veränderung der Bundeswehr analysiert, von einer offiziell zur Landesverteidigung dienenden Armee zu einer Armee, die auch Krieg führen kann und immer mehr Einsätze durchführen wird.
– In der Debatte vor, während und nach dem von Rot-Grün mit geführten NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien (auch Kosovo-Krieg genannt) konnten wir Akzente setzen, auch gegen eine umfangreich vorhandene grassierende Rot-Grün-Blindheit vor dem Krieg. Wir analysierten Kriegslügen und die spezifische Rolle Deutschlands bei diesem Krieg z.B. bei der Nutzung von geschichtsrevisionistischen Kriegslegitimationsmustern.
– Nach den Anschlägen des 11. September und dem folgenden Krieg in Afghanistan mit deutscher Beteiligung konnten wir der um sich greifenden Kriegshysterie etwas entgegensetzen und fundierte Analysen zum Krieg in Afghanistan liefern. Schon frühzeitig haben wir vor einem Desaster in Afghanistan und den innenpolitischen Implikationen dieses so genannten „Krieges gegen den Terror“ gewarnt.
– Im Israel-Palästina-Konflikt haben wir ausgehend von konkreten Erfahrungen von vor Ort in die Debatte eingriffen und eine Position bezogen, die mehr ausging von der konkreten Situation der Menschen in der Konfliktregion als von deutschen Befindlichkeiten. Das geht einher mit der Analyse der spezifischen – historischen und aktuellen – Rolle Deutschlands im Konflikt.
– Vor Beginn des Irakkrieges haben wir speziell die deutsche Doppelrolle (gegen den Krieg reden und alles dafür tun, damit er funktioniert) herausgearbeitet. Wir analysierten frühzeitig, dass sich die rot-grüne Bundesregierung aktiv am Irakkrieg beteiligt hat, z.B. durch die völkerrechts- und grundgesetzwidrige Zurverfügungstellung der militärischen Infrastruktur. Heute ist das fast Allgemeingut und das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil, das umfangreich unserer Argumentation entspricht, einen Bundeswehrmajor freigesprochen, der keine Irakkriegsunterstützung leisten wollte.
– IMI hat die Militarisierung der Europäischen Union mit zum Thema gemacht und mitgeholfen durch Analysen die spezifisch militarisierende Rolle des ehemals geplanten EU-Verfassungsvertrags (und des jetzigen EU-Reformvertrags!) deutlich zu machen.
– Wir haben mit anderen zusammen den Themenbereich „Globalisierung und Krieg“ fundiert. Menschen und Regionen dieser Welt werden von westlichen Staaten und Konzernen wirtschaftlich ausbeutet. Anschließend werden dann Truppen in diese Länder geschickt. Ein Viereck der Globalisierung zeigt sich: Sozialabbau im Innern, Aufrüstung und Auslandseinsätze nach außen, Abschottung gegenüber Flüchtlingen, die vor unmenschlichen Lebensbedingungen fliehen und wo es für notwendig erachtet wird, Repression nach Innen.
– Neuere Themen von IMI sind z.B. die Analyse zivilmilitärischer Zusammenarbeit, die zunehmende Vermischung von Polizei und Militär, sowohl in Auslands- als auch Inlandseinsätzen.

Das war jetzt eine lange Antwort, zeigt aber etwas das Selbstverständnis von IMI.

Tueinfo: Es wird hinter dem Angriff auf die Existenz der IMI ein politischer Hintergrund vermutet. Wird hier einfach eine unbequeme und kritische Stimme abgeschaltet?

Tobias Pflüger:

Ja, es ist relativ klar, wenn eine nicht genannte unbekannte Behörde Zweifel an unserer Verfassungsmäßigkeit hat, ist das politisch motiviert. Das Finanzamt selbst ist hier in einer Sandwich-Situation. Sie wollen es dieser staatlichen Behörde recht machen und dachten, die Androhung der Aberkennung unserer Gemeinnützigkeit wäre ein guter Ausweg. Wenn wir tatsächlich rückwirkend von 2001 40 % aller Spenden zurückzahlen müssten, ist die IMI finanziell ruiniert.

Tueinfo: Die extrem rechte „Deutsche Militär-Zeitung“ hat in eine ihrer jüngeren Ausgaben gegen die „Informationsstelle Militarisierung“ (IMI) und auch gegen Sie gehetzt. Nun versucht man von offizieller Seite der IMI den Gemeinnützigkeitsstatus abzuerkennen. Sehen sie da Zusammenhänge?

Tobias Pflüger:

Irgendwie schon. Wir scheinen wirksam zu sein, deshalb regen sich die rechten Militaristen in der DMZ auf und deshalb regt sich diese ominöse Behörde auf.

Tueinfo: Wie kann mensch die IMI unterstützen?

Tobias Pflüger:

Wir wollen natürlich wissen, wer diese ominöse Behörde denn nun ist. Wichtig ist, dass wir unsere Arbeit weiter machen können. Neue Kriege z.B. gegen den Iran oder Bundeswehreinsätze – nun auch im Innern – drohen. Wir wollen z.B. im November einen guten Kongress mit Fokus auf die Bundeswehr machen. Nun ist es auch eine Frage, wie viele Leute uns z.B. durch Erklärungen, Briefe, Unterschriften etc. unterstützen. Wer Mitglied bei IMI werden kann, möge dies gerne werden, das hilft auf jeden Fall.

Tueinfo: Im Spiegel erschien jüngst ein Bericht über Antiamerikanismus im studentischen Milieu Tübingens. Dieser scheint meist in primitiver Weise oberflächlich pazifistisch, aber unterflächlich von nationalistischen Vorurteilen genährt. Wie grenzt mensch sich hier ab?

Tobias Pflüger:

Ich kenne den Spiegel-Bericht nicht, bin dem Spiegel gegenüber schon immer sehr skeptisch, schlimm ist z.B. die Spiegel Terror-Berichterstattung. Zuletzt unerträglich war die Spiegel G 8-Berichterstattung bzw. -Hetze. Ich stelle viel häufiger einen Mainstream-(Eliten und Medien)-Antiamerikanismus fest. A la „Da das dort in den USA ist so schlimm, da sind die Deutschen ja noch ganz gut“. Manifestiert hatte sich das z.B. in Schröders Spruch des „Deutschen Wegs“ beim Irakkrieg. Wie dem begegnet werden kann? Indem man/frau immer die deutsche Rolle bei allen Konflikten und Kriegen herausarbeitet und analysiert. Karl Liebknecht hatte schon recht, auch wenn das mir zu martialisch ausgedrückt ist: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land.“ Ich würde nur ergänzen: „Und zwar immer!“ Die zentrale Frage muss sein: Und was macht die (jeweilige) deutsche Regierung – speziell in Sachen von Krieg und Frieden? Und hier ist eine fatale Entwicklung am laufen, die Bundeswehr wird in alle Welt geschickt und verfassungswidrig im Innern eingesetzt. Dem müssen wir etwas entgegen setzen!