IMI-Standpunkt 2007/012 - Kolumne in: Schwäbisches Tagblatt, 16.02.2007
Neuer Kalter Krieg?
von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 19. Januar 2007
Am Wochenende war die so genannte 43. „Sicherheitskonferenz“ in München. Der „Privatveranstalter“ Horst Teltschik lies mich trotz meiner Funktionen im Europäischen Parlament im Gegensatz zu Mandatsträgern aller anderen Parteien als Teilnehmer nicht zu. Wie mir erging es Mitgliedern der Linksfraktion im Bundestag. Von einem email-Account von BMW teilte mir Thomas Leeb mit, dass leider keine Kapazitäten mehr frei seien. Andere Personen wurden nach mir noch zugelassen. Die Konferenz wird gleichzeitig mit 850.000 Euro von der Bundesregierung gesponsert. Die Bundeswehr übt das Hausrecht im Bayrischen Hof, dem Tagungsort aus. Trotzdem soll es eine private Veranstaltung sein.
Die bayrische Polizei hat fast erfolgreich die Teilnahme von Teilnehmer/Innen aus Tübingen und Reutlingen an der Gegendemonstration verhindert. Mein Mitarbeiter und 6 andere wurden z.T. brutal unter Vorwänden festgenommen. Hier wurden Grundrechte ausser Kraft gesetzt.
Vor der Konferenz meinte der Veranstalter Teltschik zu den Protesten gegen diese Konferenz: „Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.“
Nach diesem Demokratie-un-verständnis, bin ich froh, dass ich nicht an der Konferenz teilgenommen habe, stattdessen auf der Gegendemonstration mit über 8.000 Teilnehmern gesprochen habe. Allerdings habe ich dadurch einen historischen Auftritt verpasst, den des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Nach seiner Rede überschlugen sich die Kommentatoren: Der Grundtenor war: „Neuer Kalter Krieg“. Was hat Putin gesagt? Putin kritisierte den Anspruch auf Weltherrschaft des Westens insbesondere der USA. Er prangerte „doppelte Standards“ des Westens an. Es würde weltpolitisch immer mehr Gewalt angewandt: „Wir beobachten aber heute, dass Länder, in denen die Anwendung der Todesstrafe … verboten ist, ungeachtet dessen an militärischen Aktionen teilnehmen, die schwerlich als legitim zu bezeichnen sind. Doch bei diesen Konflikten sterben Menschen – hunderte, tausende friedlicher Menschen.“ Er kritisierte die Verlagerung der Entscheidungen von Anwendung von militärischer Gewalt weg von der UN Richtung NATO oder EU. „Warum muss man jetzt, bei jedem beliebigen Vorkommnis, bombardieren und schiessen?“
Putin kritisierte die Aushöhlung des Völkerrechts und internationaler Abrüstungsverträge durch westliche Staaten, die Militarisierung des Weltraums, das neue Raketenabwehrsystem, das die USA derzeit in Polen und Tschechien installieren, die NATO-Erweiterung und neue NATO-Militärbasen in Bulgarien und Rumänien. „Gegen wen richtet sich diese Erweiterung?“
Diese Rede Putins war kein Einläuten eines neuen kalten Krieges sondern – zutreffende – Kritik an der expansiven Politik des Westens. Hier hat Putin einfach Recht. Allerdings ist vieles von dem, was Putin am Westen sehr richtig kritisiert hat, in anderer Form auch zu kritisieren an der Putins Politik.
Die Kritik von Antikriegs- und Friedensbewegung geht weiter als die von Putin: Kein Staat hat das Recht, exzessiv Gewalt – insbesondere militärische anzuwenden. Die Kriege in Afghanistan und im Irak müssen z.B. durch den Abzug der Truppen beendet werden.