IMI-Standpunkt 2003/101 - in: junge Welt, 06.11.2003

Der Fall Hohmann-Günzel und die Bundeswehr

Traditionen

von: Ulrich Sander | Veröffentlicht am: 15. November 2003

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Nach dem Hohmann/Günzel-Skandal wird nun wieder nach einer Untersuchung in der Bundeswehr gerufen. Es sei daran erinnert, wie die letzte Untersuchung dieser Art ausging: Kurt Rossmanith, Obmann für Sicherheits- und Verteidigungspolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und vehementer Verteidiger der Benennung von Kasernen nach Leuten wie Eduard Dietl, Hitlers Lieblingsgeneral, legte im Sommer 1998 einen Untersuchungsbericht vor und befand: Alles in Ordnung. Damals, am Ende der 13. Legislaturperiode des Bundestages, erörterte der Untersuchungsausschuß zu den »rechtsextremen Vorfällen« in der Bundeswehr Rossmaniths Bericht. Im Plenum lehnte die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP kritische Anträge dazu von Bündnis90/Die Grünen und der SPD ab. Diese Anträge haben beide Fraktionen nach den Bundestagswahlen, als sie die Regierung bildeten, nie wieder gestellt – und sich auch nicht danach gerichtet. Weder wurde – wie 1998 gefordert – das Verhältnis Bundeswehr zur Wehrmacht zweifelsfrei geklärt, noch wurde mit den Traditionen aufgeräumt. Bis auf eine Umbenennung blieb es auch unter Scharping/Struck/Beer/Nachtwei bei den alten Namen der Kasernen, blieb es bei antisemitischen und faschistischen Bundeswehr-Vorbildern wie Fritsch und Mackensen. Am Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion waren folgende Kasernen-Patrons der Bundeswehr beteiligt, deren Namen noch heute die Kasernentore zieren: Hüttner (Hof), Lilienthal (Delmenhorst), Konrad (Bad Reichenhall), Röttiger (Hamburg), Fahnert (Karlsruhe), Schultz (Munster), von Seidel (Trier), Mölders (Visselhövede und Braunschweig), Schreiber (Immendingen), Medem (Holzminden) und Heusinger (Hammelburg).

Struck sagte, es handele sich bei Reinhard Günzel um einen einzelnen »verwirrten General, der einem noch verwirrteren CDU-Abgeordneten aufgesessen ist«. Da soll wohl von den verwirrten SPD-Ministern und Verteidigungsausschußmitgliedern abgelenkt werden, die einem solchen General freie Hand ließen. Niemand weiß, was er mit seiner KSK in den »Kampfeinsätzen« trieb. Die Abgeordneten verzichteten auf Nachprüfungen. Die Fallschirmjäger, die Truppe des antisemitischen deutschen Generals, drucken in Werbebroschüren altes Nazi-Liedgut wie »Rot scheint die Sonne«, das schon Hermann Göring so gern hörte. Sie feiern die Siege von Monte Cassino und Kreta. Schon lange vor der KSK-Gründung übten sie den »Einsatz hinter feindlichen Linien«. Nun mußte der General aus der vorderen Linie abgezogen werden. Es hätte viele Gründe gegeben, ihn dort nie zu plazieren.

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Original: http://www.jungewelt.de/2003/11-06/002.php