IMI-Studie 2011/13 in: AUSDRUCK (Oktober 2011)

Ägypten: Revolution und Putsch vom Sicherheitssektor her gedacht


von: Christoph Marischka | Veröffentlicht am: 27. September 2011

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Ägypten: Revolution und Putsch vom Sicherheitssektor her gedacht

Es handelt sich hier um eine deutlich gekürzte Niederschrift des Vortrages am 7.7.2011 bei der ÖSFK-Sommerakademie in der Burg Schlaining (http://www.aspr.ac.at/sak.htm ).

Zur so genannten Gewaltfreiheit der Revolutionen (1)

Häufig werden die Revolutionen bzw. ihre Ansätze in Tunesien und Ägypten als „gewaltfrei“ bezeichnet. Dies geschieht in völlig berechtigter Absicht, das besonnene Vorgehen der protestierende Massen, das viele Charakteristika und Elemente der „gewaltfreien Aktion“ aufgriff oder zumindest widerspiegelte, zu unterstreichen. Es besteht dabei jedoch erstens die Gefahr, die Proteste in Tunesien und Ägypten als bloße Anwendung westlich-friedensbewegter Konzepte für den gewaltfreien Umsturz bzw. die Zivile Verteidigung zu beschreiben und ihrer genuinen Dynamik und Kreativität zu berauben. V.a. besteht damit aber die Gefahr, die Gewalt, die sich dem Wandel entgegenstellte, die alleine in Ägypten über 800 Todesopfer forderte und letztlich auch den Wandel moderierte, zu negieren. Hier drohen auch Teile der Friedenbewegung die irreführende Unterscheidung von „Violence“ (Gewalt) und „Force“ (Zwang) zu adaptieren, auf die Bruno Charbonneau in seiner Auseinandersetzung mit früherem Kolonialismus und heutigem „Peacekeeping“ hingewiesen hat.(2) Tatsächlich taucht „Gewalt“ in westlichen Strategiepapieren und zunehmend auch im öffentlichen Diskurs fast nur noch als eine Bedrohung durch eine als überflüssig bzw. überschüssig kategorisierte meist männliche und jugendliche Bevölkerung auf, die per Definition illegitim, irrational und ineffektiv ist. Demgegenüber üben multinationale, staatliche oder substaatliche „Sicherheitskräfte“ „Zwang“ aus, um „öffentliche Ordnung“ herzustellen oder aufrecht zu erhaltenden. Dabei wird die diesem Zwang innewohnende Gewalt negiert, als „verhältnismäßig“, legitim, rational und effizient beschrieben. Damit erklärt sich in einem gewissen Maße, warum selbst die kritischere Friedensforschung zwar sporadische Ausschreitungen und (damit) auch eine vermeintliche „Überbevölkerung“ als konfliktträchtig wahrnimmt, bewaffnete Verbände jedoch oft bereits dann nicht mehr, sobald diese auch nur formal in die staatlischen Sicherheitsstrukturen eingegliedert sind oder wurden. Entsprechend erfährt die Unterstützung für diese staatlichen und multinationale Sicherheitskräfte (Force) zur Eindämmung von Gewalt (Violence) einen überraschend großen Zuspruch, scheint sie geradezu zur dominanten Strategie der „Konfliktbearbeitung“ zu werden.
Insbesondere während des Aufstandes in Ägypten sind jedoch sowohl die Legitimität als auch die Rationalität des Handelns der Sicherheitskräfte in der öffentlichen Wahrnehmung zusammengebrochen. Dies sollte jedoch nicht dazu führen, die Gewalt als Ganzes zu negieren, sondern die gängige Unterscheidung zwischen „Violence“ und „Force“ in Frage zu stellen und zu realisieren, dass Gewalt nicht in erster Linie von jungen Arabern droht, sondern von denjenigen Institutionen, die weltweit aufgebaut, unterhalten, finanziert und trainiert werden, um Gewalt auszuüben. Das Verhalten von Militär, Polizei und Geheimdiensten hat im Verlauf jedes Aufstandes im so genannten „arabischen Raum“ eine entscheidende Rolle gespielt. Diesem Beitrag liegt die Annahme zugrunde, dass sich gerade das Verhalten der „Sicherheitskräfte“, in unterschiedlichem Ausmaß aber nie vollkommen unabhängig von internationaler Einflussnahme erklären lässt, die sich auf der Grundlage so genannter „Sicherheitskooperationen“ vollzog. Es wird daher im folgenden zunächst ein Überblick über die globalen Sicherheitskooperationen im Nord-Süd-Verhältnis gegeben werden, um diese dann in Hinblick auf Ägypten genauer zu analysieren.

Gewaltexport und „Peacekeeping“

Sicherheitskooperation in den Nord-Süd-Beziehungen lässt sich als Gewaltexport verstehen. Die strukturelle Gewalt, die diesen Beziehungen zugrunde liegt, wurde hinsichtlich des Mittelmeerraumes bislang von den Goldenen Zitronen am besten auf den Punkt gebracht: „Über Euer Scheiß Mittelmeer/ käm ich wenn ich ein Turnschuh wär/ oder irgend so ’nen Flachbild-Scheiß/ ich hätte wenigstens ’nen Preis“: Wir leben in einem Weltsystem, in dem Kapital, Rohstoffen und Waren Rechte garantiert, die der Bevölkerung zugleich vorenthalten werden. Diese Bevölkerung wird somit effektiv enteignet, während sich die Reichtümer in den Metropolen des globalen Nordens akkumulieren. Dies wiederum produziert kontinuierlich und zwangsläufig Konflikte im globalen Süden, die es einzudämmen gilt.
Das unpräziseste und flächendeckendste Instrument dieses Krisenmanagements besteht in der Entsendung von „Peacekeepern“, die zumeist selbst aus dem globalen Süden stammend und vom UN-Sicherheitsrat mit dem „unmöglichen Mandat“ zur notdürftigen „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ beauftragt werden.(3) Der globale Norden trägt zwar die finanzielle Hauptlast dieser Einsätze, beteiligt sich aber ansonsten allenfalls auf der Kommandoebene sowie durch Ausbildung und Logistik.
Als Hilfe zum „Kapazitätsaufbau“ und sicherlich auch als Belohnung an die truppenstellenden Staaten, riefen die G8 auf ihrem Gipfel 2004 in Sea Island die „Global Peace Operations Initiative“ (GPOI) ins Leben, in deren Rahmen zunächst 75.000 Soldaten von den USA für „Peacekeeping“-Einsätze ausgebildet und ausgerüstet werden sollten. Im Oktober 2010 wurde dieses Ziel bereits mit 140.000 ausgebildeten Soldaten weit überschritten.(4) Gleichzeitig hierzu wurden, ebenfalls im Rahmen der G8-Initiative, am „Center of Excellence for Stability Police Units (CoESPU)“ im italienischen Vicenza 3.000 Polizeiausbilder aus Drittstaaten von der italienischen Gendarmerie fortgebildet, um in ihren Heimatländern robuste Polizeieinheiten nach dem Vorbild der „European Gendarmerie Force“ aufzubauen. Unterstützt werden sie dabei von „Mobile Assistance Teams” (MATs), welche die Länder des globalen Südens bereisen, auf der Suche nach Polizeikräften, die zu Gendarmen für „internationale Friedenseinsätze“ aufgerüstet werden könnten. Die Ausbildung von Gendarmeriekräften in Vicenza konzentrierte sich zunächst auf Ausbilder aus Indien, Jordanien, Kenia, Marokko, Senegal und Kamerun.(5)
Ganz unabhängig davon, wie man zum UN-“Peacekeeping“ generell und zu den einzelnen Einsätzen in Haiti, Kongo, Sudan, Somalia usw. stehen mag, muss man zur Kenntnis nehmen, dass hier Polizei- und Militärkräfte für Staaten ausgebildet werden, die zumeist nicht als lupenreine Demokratien gelten können. Erinnert sei hier nur an die Räumung von Slums in Indien, die schweren Unruhen nach den Wahlfälschungen in Kenia 2007, die völkerrechtswidrige Besatzung der Westsahara durch Marokko usw., bei denen die in Europa ausgebildeten „Sicherheitskräfte“ zum Einsatz gekommen sein könnten. Denn auch wenn ihre Ausbildung vorrangig den Einsatz in Drittstaaten ermöglichen soll, so ist deren Einsatz gegen die heimische Opposition damit keineswegs ausgeschlossen. Über die am COESPU ausgebildeten Trainer sind keine genaueren Statistiken verfügbar, von den bis 2008 durch die USA im Rahmen von GPOI ausgebildeten und ausgerüsteten 39.518 Soldaten waren zu diesem Zeitpunkt lediglich gut die Hälfte in Drittstaaten – darunter auch Afghanistan – im Einsatz, 17.522 von ihnen versahen ihren Dienst im Heimatland.(6)

Sicherheitssektorreformen

Als vermeintlich präziseres Instrument und häufig parallel zu UN-Peacekeeping-Missionen werden so genannte Sicherheitssektorreformen durchgeführt. Unter dem Sicherheitssektor werden dabei die verschiedenen staatlichen Institutionen von der Justiz über die Geheimdienste und die Polizei bis hin zum Militär, sowie häufig irreguläre Kräfte, die in diese integriert werden sollen, verstanden, und damit auch die Gesetze, die beispielsweise die parlamentarische Kontrolle, die Rekrutierung und Besoldung sowie die Militärjustiz regeln. Die Reformen des Sicherheitssektors unter internationaler Aufsicht sind in den vergangenen 15 Jahren immer stärker in den Mittelpunkt dessen gerückt, was unter den Begriffen des State- oder Nation-Building oder auch des „Wideraufbaus“ und der „Konfliktnachsorge“ verstanden wird. Entsprechend der Prämisse, dass „ohne Sicherheit keine Entwicklung“ möglich sei (die sich mittlerweile fast ausnahmslos in allen außenpolitischen Dokumenten insbesondere der EU findet), konzentrieren sich die internationalen Bemühungen um die Neugestaltung von Gesellschaften, flankierend zum neoliberalen wirtschaftlichen Umbau, auf diejenigen Institutionen, die befugt sind, „legitime“ Gewalt auszuüben. Obwohl die USA auf jahrzehntelange Erfahrungen mit ähnlichen Praktiken, etwa im Rahmen ihrer „Small Wars“-Doktrin und ihrer Lateinamerikapolitik, zurückgreifen können, stellen Sicherheitssektorreformen eines der wichtigsten außenpolitischen Instrumente der Europäischen Union dar und versucht die EU ihre Kompetenzen in diesem Bereich als außenpolitisches Alleinstellungsmerkmal – beispielsweise innerhalb der NATO – fortzuentwickeln: Bei etwa der Hälfte der 28 bislang durchgeführten GASP/GSVP-Missionen stellte die Reform des Sicherheitssektors oder dessen Unterstützung das zentrale Missionsziel dar. Die EU hat bereits mehreren nordafrikanischen Staaten ihre Hilfe bei der „Reform des Sicherheitssektors“ angeboten. Welche Möglichkeiten internationale Sicherheitskooperation bietet und welche Konsequenzen sie haben kann, soll im Folgenden anhand der Revolten und des Putsches in Ägypten dargestellt werden.

Internationale Polizei- und Militärhilfen für Ägypten

Der mit Abstand einflussreichste ausländische Akteur innerhalb des ägyptischen Sicherheitssektors sind die USA. Eine enge Militärkooperation besteht seit der Unterzeichnung des israelisch-ägyptischen Friedensvertrages im März 1979 als Ergebnis der Camp-David Verhandlungen. Neben den umfangreichen Finanzhilfen der USA an die ägyptischen Streitkräfte, um die es im Folgenden gehen soll, führte dieser Friedensvertrag auch zu einem Zusatzprotokoll, mit dem der Stationierung einer multinationalen Beobachtermission auf der Sinai-Halbinsel zugestimmt wurde. Zwar sind an dieser – im Übrigen nicht vom UN-Sicherheitsrat mandatierten Mission – gegenwärtig zwölf Nationen beteiligt, das größte Kontingent stellen aber seit ihrem Beginn die USA mit zwei Bataillonen (insgesamt etwa 800 Soldaten), gegenwärtig gefolgt von Kolumbien mit 265 Soldaten. Die Tatsache, dass sich die gesamte Sinai-Halbinsel auch während des Aufstands Anfang 2011 de facto unter militärischer Kontrolle der USA befand, hat eine erstaunlich unbedeutende Rolle in der Berichterstattung gespielt – mit Ausnahme der Tatsache, dass es gerade im Zuge dieser Proteste erstmalig eine israelische Genehmigung dafür gab, dass auch das ägyptisches Militär zwei Bataillone auf der Sinai-Halbinsel stationieren durfte.(7)
Ebenfalls infolge des israelisch-ägyptischen Friedensvertrages von 1979 leisteten die USA umfangreiche Finanzhilfen in Höhe von insgesamt über 60 Mrd. US$ an Ägypten. Die jährlichen Beiträge belaufen sich damit auf durchschnittlich etwa 2 Mrd. US$, von denen je 1,3 Mrd US$ als Militärhilfen (foreign military financing, FMF) direkt an die ägyptischen Streitkräfte flossen. Die übrigen Summen gingen als ökonomische Hilfen direkt in den ägyptischen Haushalt ein, wurden jedoch seit 1998 jährlich um 40 Mio. US$ reduziert, womit sich die Finanzhilfen zuletzt fast ausschließlich auf das Militär beschränkten.(8) Neben Israel erhielt Ägypten damit weltweit die umfangreichsten FMF und 25% der von den USA insgesamt bereitgestellten FMF. Schätzungen des US-Rechnungshofes (GAO) zufolge speist sich der ägyptische Rüstungshaushalt zu 80% aus den FMF-Geldern, entsprechend wird der Löwenanteil an Waffenkäufen, Wartungs- und Ausbildungsverträgen für die ägyptische Armee direkt mit US-amerikanischem Geld bei US-amerikanischen Anbietern abgeschlossen. Diese „Modernisierung“ (vom für Ägypten zuständigen Central Command der US-Army, CentCom, als Verhältnis zwischen dem Einsatz US-amerikanischer und aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Waffen operationalisiert) ist eines der erklärten Ziele der milliardenschweren Militärkooperation. Als weitere spezifische Ziele der FMF für Ägypten wurden mehrfach explizit benannt: (1) die Wahrung des „Friedens“ mit Israel, (2) ein privilegierter und ggf. eskortierter Zugang zum Suez-Kanal sowie (3) die für US-Militäroperationen im Nahen und Mittleren Osten essentielle Gewährung von Überflugrechten. Als grundsätzliche Ziele der FMF werden vom GAO zusätzlich die Förderung der eigenen rüstungsindustriellen Basis und der Ziele der USA im „Krieg gegen den Terror“ und bei der „Bearbeitung“ regionaler Konflikte, eine Verbesserung der Interoperabilität und damit einhergehend Fähigkeiten zur Teilnahme an (gemeinsamen) „Peacekeeping“-Einsätzen genannt. Als Beispiele für die Realisierung dieser Ziele werden 36.553 Überfluggenehmigungen zwischen 2001 und 2005, 861 eskortierte Passagen der US-Marine durch den Suez-Kanal, die ägyptische Beteiligung an der Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte, an der ISAF-Mission und an der UN-Mission in Darfur angeführt.[9]
Die Unterstützungsleistungen im Rahmen der FMF werden über das „Office of Military Cooperation“ (OMC) in Kairo beantragt und genehmigt, welches als Schnittstelle der US-Botschaft in Ägypten und dem CentCom, also auch des Außen- und Verteidigungsministeriums fungiert. Obwohl die Entscheidungskompetenz auf ägyptischer Seite „nahezu ausschließlich“[10] beim Verteidigungsminister persönlich – und damit seit 1991 beim heutigen Vorsitzenden des regierenden Obersten Militärrats – liegt, erfordert und ermöglicht die konkrete Durchführung von Ausrüstungs-, Wartungs- und Ausbildungsvorhaben auch eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern des OMC und den verschiedenen ägyptischen Teilstreitkräften, Sondereinheiten und Ausbildungseinrichtungen und damit persönliche Kontakte bis in die unteren Offiziersränge.
Das OMC ist gemeinsam mit dem CentCom auch verantwortlich für die Planung der gemeinsamen Manöver „Bright Star“ und „Eagle Salute“. Bright Star ist eine Übung der Land-, Luft- und Seestreitkräfte, die seit 1981 alle zwei Jahre über mehrere Monate verteilt sowohl in den USA, als auch in Ägypten stattfindet. Am Manöver 2009/2010 nahmen neben den USA und Ägypten Einheiten aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Griechenland sowie Pakistan, Türkei, Jordanien und Kuwait teil. Im US-amerikanischen Fort Bragg wurde dabei ein gemeinsamer Einsatz deutscher, ägyptischer, pakistanischer und kuwaitischer Fallschirmjäger geprobt, bevor anschließend nahe Alexandria in Ägypten ein gemeinsamer Angriff US-amerikanischer, ägyptischer, pakistanischer und kuwaitischer Marinesoldaten von der See aus simuliert wurde. Zudem übten US-amerikanische, pakistanische und ägyptische Einheiten auch den gemeinsamen Einsatz in „urbanem Gelände“.
Am seit 1991 meist im Roten Meer stattfindenden Manöver „Eagle Salute“ hingegen nehmen nur die Seestreitkräfte der USA und Ägyptens teil. Es werden sowohl kriegerische Szenarien wie seegestützte Angriffe auf ägyptische Marinebasen oder der Kampf gegen U-Boote geprobt, als auch Überwachungsmaßnahmen, wie sie seit Beginn des Manövers etwa im Mittelmeer und am Horn von Afrika zur Routineaufgabe geworden sind: Das Umleiten, Anhalten und Durchsuchen „verdächtiger“ Schiffe wurde im Rahmen von „Eagle Salute“ zunächst im Zusammehnhang mit der Drogenbekämpfung, später dann im Rahmen des „Krieges gegen den Terror“ geübt. Der Mehrwert solcher Übungen für die beteiligten Parteien liegt auf der Hand: Die ägyptische Armee profitiert von den modernsten Übungs- und Ausbildungstechnologien (wenn etwa die USA ferngesteuerte U-Boot-Simulatoren zur Verfügung stellen) und kann sich für mögliche Anschaffungen ein aktuelles Bild der Rüstungstechnologien verschaffen. Die USA hingegen gewinnen so einerseits ein stets aktuelles Bild über Ausrüstung und Fähigkeiten der ägyptischen Streitkräfte und können zugleich ihre Vorstellungen, wie etwa das Rote Meer und damit auch der Suezkanal militärisch gesichert und überwacht werden soll, vermitteln. Zugleich werden mit solchen Manövern die Voraussetzungen für gemeinsame Einsätze und die Bildung so genannter „Koalitionen der Willigen“ geschaffen. Auch die in diesem Rahmen entstehenden persönlichen Kontakte und Einsichten in die jeweils andere Führungskultur und -struktur[11] können ihren Nutzen beweisen.
Vergleichbare Ziele verfolgt auch das IMET-Programm (International Military Education and Training) der US-Army, welches Soldaten „befreundeter und allierter Nationen“ die Aus- und Fortbildung an etwa 150 Militäreinrichtungen in den USA ermöglichen soll. Als Teil der Militärhilfe im Ausland soll dies die verbündeten Armee unterstützen und u.a. Wissen im Umgang mit US-amerikanischer Waffentechnologie vermitteln. Vor allem aber sollen die ausländischen Soldaten mit dem „professionellen, militärischen Establishment“ und dem „American Way of Life“ bekannt gemacht werden[12] und so u.a. zur Entwicklung von Kommunikationsnetzwerken beitragen.[13] Entsprechend veröffentlichte der Christian Science Monitor, eine im Bereich der US-Außenpolitik gut informierte Zeitung, am 3. Februar 2011 einen redaktionellen Kommentar unter dem Titel „Amerikas beste Agenten in Kairo – in den USA trainierte ägyptische Offiziere“. Darin heißt es: „Amerikas größte Hoffnung auf Demokratie in Ägypten und den Sturz des Präsidenten Hosni Mubarak könnten nicht die Demonstranten auf den Straßen sein, sondern Offiziere mittleren Ranges in der ägyptischen Armee. Tausende von ihnen erhielten offiziell Ausbildung und Training in den USA, wobei sie mit den Werten einer demokratischen Gesellschaft in Kontakt kamen, wie der demokratischen Kontrolle der Streitkräfte.“[14] Tatsächlich erhielt Ägypten in den vergangenen Jahren eine der umfangreichsten Finanzierungen aus dem IMET-Programm, 2009 waren es 1.9 Mio. Euro, was USA-Aufenthalte von etwa jährlich zwei Mal 800 ägyptischen Soldaten ermöglichte. Lediglich Polen, die Tschechische Republik, Irak, Libanon, Tunesien und Pakistan erhielten mehr. Spitzenreiter mit 5 Mio. Euro war Pakistan. Doch kultureller Austausch ist keine Einbahnstraße: Auch die US-Army unterhält mehrere „Study Abroad“-Programme, die vornehmlich dem Spracherwerb dienen sollen. Als im Zuge der Anschläge vom 11.9.2001 der Bedarf an arabischen Sprachkursen sich nahezu verdreifachte, war es neben Marokko, Jordanien und Bahrain insbesondere die ägyptische Armee, die zusätzliche Ausbildungskapazitäten an ihren militärischen Schulungseinrichtungen bereitstellte. Etwa 25 bis 30 US-amerikanische Kadetten hielten sich noch zu Beginn der Aufstände in Ägypten auf und berichteten teils auf Blogs und privaten Internetseiten von den Vorgängen auf der Straße. Ob sie dabei irgendwelchen Weisungen durch ihre Vorgesetzten unterlagen, ist unklar. Die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der West Point Militärakademie veröffentlichte selbst einen Artikel hierzu unter dem Titel „Eine Revolution miterleben: West Point Kadetten werden in Ägypten Zeugen der Geschichte“.[15]

Internationale Machtverhältnisse im ägyptischen Sicherheitsapparat

Exakt dieselbe Zielsetzung wie das IMET-Programm verfolgt auch die Militärische Ausbildungshilfe (MAH) der deutschen Bundeswehr, wobei die Auswahl der Partnerländer „im Einklang mit den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesregierung“ erfolgt und auch das Ziel verfolgt, „die Bundeswehr bei ihren weltweiten Einsätzen zu unterstützen. Hierzu zählt z. B. die AH an Einsatzländer der Bundeswehr zur Absicherung der Gewährung von Stationierungs-, Überflug- sowie Hafennutzungsrechten oder zur Unterstützung von ‚Exit-Strategien‘ der Bundeswehr“. Den Schwerpunkt der MAH verortet die Bundesregierung selbst „in Afrika“ – womit v.a. kleinere Staaten südlich der Sahara gemeint sind.[16] Die 25 ägyptischen Soldaten, die 2010 in Deutschland aus- und fortgebildet wurden, nehmen sich gegenüber den intensiven Kontakten zwischen den ägyptischen und US-amerikanischen Streitkräften eher bescheiden aus. Überhaupt leisten sich in Westeuropa nur Frankreich und Großbritannien im Umfang vergleichbare nationale Programme zur Militärkooperation (ein Großteil der übrigen findet im NATO-Rahmen statt), überwiegend in ihren ehemaligen Kolonien, während insbesondere Deutschland hingegen v.a. auf die polizeiliche Zusammenarbeit setzt. Gerade der Umsturz in Ägypten jedoch beweist, dass diese nicht minder problematisch ist. So führten Beamte des Bundeskriminalamts noch vom 24. bis 28. Oktober 2010 in Kairo im Rahmen der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe einen Lehrgang „Open Source Internetauswertung im Bereich der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus“ durch, 2008 wurden vom BKA mehrere Lehrgänge für Sondereinheiten über das Verhalten bei Geiselnahmen durchgeführt. Vier ägyptische Polizeibeamte nahmen zudem im Zeitraum von 1999 bis 2007 am Stipendiatenprogramm des BKA teil. Zwischen 2005 und 2009 erhielt Ägypten (ebenso wie Algerien, Tunesien, Jordanien und der Jemen) „Ausstattungshilfe in Form von Führungs- und Einsatzmitteln, Kriminaltechnik, Kraftfahrzeugen sowie IT-Technik und Büroausstattung“ – kein Zweifel, dass zahlreiche der hierbei vermittelten und zur Verfügung gestellten Techniken auch bei der Repression gegen den Aufstand zum Einsatz kamen.[17]
Streng ökonomisch gedacht, begünstigten damit die Bundesregierung und andere westeuropäische Staaten eine Machtverschiebung im ägyptischen Sicherheitssektor, welcher die USA entgegenwirkte: Die Regierung Mubarak setzte zu ihrem Machterhalt seit den 1990er Jahren zunehmend auf die Behörden der Inneren Sicherheit. Polizei und Geheimdienste, die dem Innenministerium oder direkt dem Präsidenten unterstanden, wurden personell und finanziell ausgebaut, während zugleich im Militär ein deutlicher Personalabbau und eine deutlich geringere Zunahme des Wehretats stattfand. Hintergrund war u.a. das brutale, repressive Vorgehen von Polizei und Geheimdiensten gegen die Muslimbruderschaft und andere islami(sti)sche Gruppen, von dem sich das Militär mehrfach distanzierte.[18] Hinzu kamen in den letzten Jahren verstärkte Differenzen über Mubaraks Nachfolge und wirtschaftspolitische Ausrichtung. Während Hosni Mubarak seinen Sohn Gamal, der keine militärische Karriere vorzuweisen hatte, als Nachfolger installieren wollte, hätte das Militär lieber an der Tradition festgehalten, einen Präsidenten aus den eigenen Reihen zu stellen. Zugleich stand Gamal Mubarak für eine neoliberale und für internationales Kapital geöffnete Wirtschaftspolitik, welche zunehmend in Konflikt mit den wirtschaftlichen Interessen der Militärführung geriet. Diese, in den Worten Murat Çak1rs „mit ihren weitgehenden wirtschaftlichen und rechtlichen Privilegien“ zum „uniformierten Kapitalisten mutiert“,[19] konnte zwar zunächst von der Privatisierung öffentlichen Eigentums profitieren, sah sich aber zunehmend dem Konkurrenzdruck durch internationale Investoren ausgeliefert – eine Schwächung, die durchaus auch im Interesse Gamal Mubaraks gelegen haben kann. Die USA hingegen haben ihre ökonomischen Hilfen reduziert und zuletzt nahezu ausschließlich an das ägyptische Verteidigungsministerium ausbezahlt – verbunden mit Kritik an der harten Repression gegen die Opposition und der Forderung nach einer (sicherlich begrenzten) Demokratisierung. Es mag der herkömmlichen antiimperialistischen Sichtweise widersprechen, aber vieles deutet darauf hin, dass sie hierfür sogar die Stärkung eines eher staatskapitalistisch orientierten Akteurs in Kauf genommen haben. Deutschland hingegen hat eher den Kontakt zu den Institutionen der Inneren Sicherheit gesucht, auf die sich Mubarak, zunehmend auch gegen das Militär, für seinen Machterhalt stützte – und damit offensichtlich aufs falsche Pferd gesetzt.

Die Machtübernahme des Militärs

Dass es sich beim „Rücktritt“ Mubaraks oder dessen „Sturz“ de facto um einen Militärputsch gehandelt hat, kann kaum bestritten werden. Die International Crisis Group etwa ist der Auffassung, dass „in dem Moment, als die Panzer am Abend des 28. Januar in die großen Städte einrollten, das Militär im Grunde die Macht übernahm“.[20] Vor dem Hintergrund der beschriebenen Spannungen zwischen Regierung, Innenministerium und der Armee erscheint der den Soldaten entgegengebrachte Jubel und der völlige Legitimitätsverlust der Polizeikräfte umso bedeutungsvoller. Erinnert sei zudem daran, dass der Oberste Militärrat am Tag vor Mubaraks „Rücktritt“ sein „Communique Nr.1“ veröffentlichte, in dem er bekannt gab, dass er „zusammengetreten sei, um die Ereignisse zu erörtern und entschieden hat, in ständiger Beratung („remain in continuous session“) über die Maßnahmen und Prozeduren zu bleiben, die getroffen werden können, um die Nation … zu schützen“.[21] Damit war die Mubarak endgültig entmachtet, die Erklärung seines Rücktritts durch Omar Suleiman nur noch ein symbolischer Akt. Auch das spätere politische Gebaren der Streitkräfte und ihres Obersten Militärrates zeigt typische Charakteristika einer Putschregierung: Erst nach Mubaraks Rücktritt eröffnete das Militär erstmals das Feuer auf Demonstranten, folterte es Aktivisten u.a. im Keller des Ägyptischen Museums und ließ es sie vor Militärtribunalen zu völlig unverhältnismäßigen Gefängnisstrafen verurteilen. Zugeständnisse wurden ebenso wie neue „Gesetze“ – etwa gegen Streiks – per Dekret erlassen und auf Facebook veröffentlicht. Eine gute Übersicht über die Repression des Obersten Militärrats gegen die anhaltenden Proteste und insbesondere deren säkuläre Flügel liefert die Seite http://egyptianspring.blogsport.de/ .
Einiges deutet darauf hin, dass zumindest die USA diesen Putsch zuvor abgesegnet hatten, angesichts ihrer engen Kontakte ins ägyptische Militär ist jedenfalls kaum denkbar, dass State Departement und Pentagon nicht im Voraus informiert waren. Am 28. Januar, als die Situation eskalierte und die Panzer einrollten, befand sich der Oberbefehlshaber des ägyptischen Heeres gerade zu „jährlich stattfindenden Gesprächen“ mit Vertretern des Pentagon in Washington. Bereits am 30. Januar hatte die US-Außenministerin Clinton sich für einen „geordneten Übergang“ in Ägypten ausgesprochen. Im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz vom 4. bis 6. Februar ließ das Pentagon die Presse berichten, es stünde in direktem und täglichem Kontakt mit dem ägyptischen Generalstab, während Präsident Obama und sein Stellvertreter Biden den Kontakt zum Mubarak-Regime längst auf das nötigste reduziert hatten.[22] Damit war die zwischenstaatliche Diplomatie bereits auf die militärische Ebene verlegt worden, was bereits als deutliches Anzeichen für einen bevorstehenden Putsch gewertet werden konnte. Am 31. Januar hatte der US-Generalstabschef, Mike Mullen, im Anschluss an ein Telefonat mit seinem ägyptischen Gegenpart gegenüber dem Pentagon-eigenen Pressedienst mitgeteilt, das Militär habe bislang „außerordentlich gut“ reagiert, sich als „stabilisierende Kraft“ erwiesen und er freue sich „auf die weitere Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Militär“. Zugleich erklärte er einige der Forderungen der Demonstranten als legitim und dass diese adressiert werden müssten.[23]
Die Sprachregelung des „geordneten Übergangs“ setzte sich dann auf der Münchner Sicherheitskonferenz durch und wurde auch von der deutschen Bundeskanzlerin Merkel – deren Außenminister Westerwelle noch bis 4. Februar täglich mit ägyptischen Regierungsvertretern telefonierte und von diesen forderte „den demokratischen Übergang hin zu einer Regierung auf breiter Grundlage ein[zu]leiten“[24] – aufgegriffen.[25] Damit endeten die Pressemitteilungen des Auswärtigen Amtes über Telefonate mit der ägyptischen Führung. Hatten die westlichen Regierungen damit grünes Licht gegeben für einen von den USA moderierten Militärputsch?

Gesellschaft und Staat vom Sicherheitssektor her denken

Vieles hieran ist freilich spekulativ und auch die aufgeführte internationale Unterstützung für den ägyptischen Sicherheitssektor stellt allenfalls einen Ausschnitt dar. Dennoch mag dies verdeutlichen, dass ein massiver Transfer von Rüstungsgütern, Sicherheitstechnologie, Know-How und Finanzmitteln vom globalen Norden in die „Sicherheitssektoren“ des globalen Südens stattfindet; dass dabei Abhängigkeiten und Klientelstrukturen entstehen und geschaffen werden sollen; und dass dabei durch die an Aufbau und Reform des jeweiligen Sicherheitssektors beteiligten Akteure durchaus unterschiedliche und teilweise auch miteinander konkurrierende Strategien verfolgt werden können. Eine genauere Analyse dieser internationalen Sicherheitsbeziehungen hätte womöglich den Verlauf der Aufstände prognostizierbarer gemacht: Dort, wo der Westen über enge Sicherheitsbeziehungen und handlungsfähige Klientelstrukturen verfügt, wäre demnach von einem durch den Westen moderierten Machtwechsel (Ägypten) oder Machterhalt (Saudi Arabien, Bahrain) auszugehen gewesen, während in Staaten, die von solcher Sicherheitskooperation ausgeschlossen waren oder Abstand nahmen, die Gefahr einer militärischen Intervention (Libyen) oder aber weitgehenden Handlungsunfähigkeit des Westens (Syrien) besonders hoch einzuschätzen gewesen wäre. Auch im Jemen ist trotz einer bewundernswerten Beharrlichkeit und Besonnenheit der zivilen Protestbewegung davon auszugehen, dass der Verlauf des Umbruchs wesentlich durch die Akteure bestimmt wird, welche die verschiedenen bewaffneten Parteien aufgebaut, ausgebildet und ausgerüstet haben, nämlich die USA in enger Zusammenarbeit mit Saudi Arabien.
Damit sind zugleich auch die Grenzen der „Demokratisierung“ bestimmt. Ihren antikolonialen Impetus haben die Protestbewegungen längst verloren, eine mehrere Staaten umfassende Allianz, welche nach tatsächlichen Revolutionen die Interessen ihrer eigenen Bevölkerung über die durch den globalen Norden implementierten Regeln des Welthandels oder der Migrationskontrolle stellen, scheint in weite Ferne gerückt. Stattdessen haben sich wie von Geisterhand die ethnisch-religiösen Spaltungen zwischen Schiiten und Sunniten sowie zwischen Israel und Palästinensern und Arabern über das Konfliktensemble gelegt, die bei genauerer Betrachtung letztlich auch eine materielle Basis in internationalen Sicherheitskooperationen haben.
Freilich klammert ein solches „Denken vom Sicherheitssektor her“ wichtige Faktoren systematisch aus und zwar v.a. die in den „Arabischen Revolten“ und insbesondere während der Besetztung des Tahrir-Platzes beispielhaft hervorgetretene „kollektive Intelligenz der Armut“ (Helmut Dietrich), die Beharrlichkeit und Besonnenheit einer in Aufruhr geratenen Gesellschaft.
Von den Regierungen des globalen Nordens werden eben diese Formen der Selbstorganisation ganz zurecht als Bedrohung wahrgenommen, da sie unkontrollierbar, ja meist sogar: unansprechbar (man erinnere sich an die Bemühungen, innerhalb der ägyptischen Protestbewegung irgendwelche „Führungsfiguren“ zu identifizieren und einzubinden) sind. Dagegen vermitteln von der eigenen Armee und Polizei ausgebildete, mit den eigenen Waffen ausgestattete und finanziell abhängige Streitkräfte, Polizeieinheiten, Geheimdienste und Milizen zumindest eine Illusion von Kontrollierbarkeit. Wie sehr es sich hierbei um eine Illusion handelt, davon legen Staaten wie Afghanistan und Somalia ein Zeugnis ab, in denen die internationalen Beiträge zur „Reform des Sicherheitssektors“ den gesamten Staatshaushalt um ein Vielfaches übersteigen: In Somalia haben nicht nur die USA, Deutschland und Russland, die notorisch um Einfluss in Afrika konkurrierenden Staaten Frankreich und Großbritannien sondern auch Uganda und Äthiopien mittlerweile Streitkräfte stationiert und Milizen ausgebildet, die mit den ihnen zur Verfügung gestellten Waffen ihre eigenen Ziele verfolgen. Ein ähnliches Schicksal droht Libyen, wo es nicht nur um Fischgründe geht, sondern um enorme Ölvorkommen und wo schon heute die intervenierenden Mächte, von den USA über Frankreich und Italien bis hin zur Türkei, der Arabischen Liga und die Afrikanische Union (die gegen die Intervention war) völlig unterschiedliche Interessen verfolgen, sich aber an der Reform des Sicherheitssektors beteiligen möchten. Bei allen Widersprüchlichkeiten und Rückschlägen dieser Strategie bringt sie doch stets einen Erfolg hervor: Jegliche zivile Opposition gegen die herrschende Weltordnung wird zwischen den kämpfenden Fronten hoffnungslos zerrieben. Vor diesem Hintergrund die Ursachen für die militärische Eskalation von Konflikten primär in den betroffenen Gesellschaften zu suchen und deren Gewalt als „irrational“ zu klassifizieren bedeutet, dem Export von „Force“ und der weiteren Militarisierung des globalen Südens das Wort zu reden.
Nachdem so genannte „gescheiterte“ und „scheiternde“ Staaten ins Zentrum der westlichen Sicherheitsstrategien gerückt sind und deren Wiederaufbau sich entsprechend dem Credo „Sicherheit entwickeln“ im Wesentlichen auf die Reform des Sicherheitssektors beschränkt, also nur (potentielle) Gewaltakteure überhaupt zur Kenntnis nimmt, muss sich unsere Analyse diesem „Denken vom Sicherheitssektor her“ und seinen Folgen widmen – unsere praktische Solidarität hingegen der „kollektive Intelligenz der Armut“.

Anmerkungen

[1] Eine ausführliche Version, die auch die beispielhaften Exkurse zu den bislang von der EU durchgeführten Missionen zur „Reform des Sicherheitssektors“ in Westafrika enthält, findet wird im November in folgender Publikation veröffentlicht werden: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Hg.): Zeitenwende in der arabischen Welt – Welche Antwort findet Europa?, Reihe Dialog, Band 61.

[2] Charbonneau, Bruno: Mastering “Irrational” Violence: the Re-legitimization of French Security Policy in sub-Saharan Africa. In: Alternatives – Global, Local, Political, Vol.31 (2006), No.2, S.215-241.

[3] Das „unmögliche Mandat“ ist einer Studie des Henry L. Stimson Center entnommen, vgl.: Holt, Victoria K. / Berkman, Tobias C.: The Impossible Mandate? Military Preparedness, the Responsibility to Protect and Modern Peace Operations, Henry L. Stimson Center, 2006. Aktuelle Zahlen zu den Beiträgen einzelner Staaten zu UN-Missionen finden sich jeweils unter: http://www.un.org/en/peacekeeping/resources/statistics/contributors.shtml .

[4] „Bureau of Political-Military Affairs Hosts Worldwide Peacekeeping Capacity Building Conference“, Pressemitteilung des State Departement vom 21.10.2009, www.state.gov.

[5] Dziedzic, Michael / Stark, Christine: Bridging the Public Security Gap – The Role of the Center of Excellence for Stability Police Units (CoESPU) in Contemporary Peace, United States Institute of Peace, 2005.

[6] Government Accountability Office (GAO): Peacekeeping – Thousands Trained but United States Is Unlikely to Complete All Activities by 2010 and Some Improvements Are Needed, GAO, 2008.

[7] Eine entsprechende AP-Meldung mit dem Titel „Israel allows Egypt troops in Sinai for first time since 1979 peace treaty“ wurde am 31.1.2011 auf der Homepage der israelischen Zeitschrift Haaretz und anschließend von zahlreichen US-amerikanischen und israelischen Medien übernommen. Zwei Wochen später berichtete die Jerusalem Post, dass Israel weiteren ägyptischen Truppenstationierungen auf dem Sinai zugestimmt hätte, unter der Bedingung, dass diese sich auf Aufforderung Israels von der Halbinsel zurückziehen, eine Gas-Pipeline, die nach Israel führt gegen Angriffe von Beduinen schützen und den Schmuggel von Waffen in den Gaza-Streifen unterbinden, siehe: Katz, Yaakov: „Israel agrees to more troops in demilitarized Sinai“, 16.02.2011, jpost.com.

[8] Von 2009 an sollte die ökonomische Hilfe für die folgenden fünf Jahre auf 200 Mio. US$ reduziert werden, siehe: Wikileaks Cable 08 CAIRO 002543.

[9] United States Government Accountability Office (GAO): State and DOD Need to Assess How the Foreign Military Financing Program for Egypt Achieves U.S. Foreign Policy and Security Goals (GAO-06-437), GAO, 2006. Mehrere von Wikileaks veröffentliche Cables dokumentieren, dass die von den USA formulierten Ziele der ägyptischen Regierung durchaus bewusst waren. In Cable 09 CAIRO 000549 wird Präsident Mubarak mit der Auffassung zitiert, die 1.3 Mrd. US$ seien eine „unantastbare Kompensation“ für die Aufrechterhaltung des Friedens mit Israel.

[10] Wikileaks Cable 09 CAIRO 000549.

[11] „U.S. troops lead Egyptian, Pakistani soldiers in urban training“, Pressemitteilung des US CENTCOM vom 25.10.2009, www.centcom.mil.

[12] US-Department of Defense / Defense Security Cooperation Agency (DSCA): International Military Education & Training (IMET), www.dsca.osd.mil.

[13] US-Department of Defense / Defense Security Cooperation Agency (DSCA): Security Assistance Management Manual (SAMM), Chapter 10, www.dsca.osd.mil/samm/.

[14] The Monitor’s Editorial Board: America’s best agents in Cairo: US-trained Egyptian officers, 3.2.2011, www.csmonitor.com.

[15] Eastwood, Kathy:„Experiencing a revolution: West Point cadets witness history in Egypt“, West Point Public Affairs, 23.2.2011, www.army.mil.

[16] Bundestags-Drucksache 17/3783.

[17] Schürkes, Jonna / Marischka, Christoph: Deutsche Ausbildungs- und Ausstattungshilfe in Ägypten, IMI-Standpunkt 2011/008, in: AUSDRUCK, Februar 2011.

[18] Sherifa Zuhur: Egypt – Security, Political and Islamist Challenges, US-Army Strategic Studies Institute (SSI), September 2007.

[19] Murat Çak1r: Ägypten – Ein echter Sieg, aber wie weiter? Einige Gedanken über das neue Ägypten nach Mubarak, www.rosalux.de.

[20] International Crisis Group: Popular Protest in North Africa and the Middle East (I) – Egypt Victorious?, Middle East/North Africa Report N°101.

[21] Nach der englischen Übersetzung durch die New York Times. Deren Übersetzungen der Communiques des Obersten Militärrates finden sich unter www.nytimes.com/interactive/2011/02/10/world/middleeast/20110210-egypt-supreme-council.html?ref=middleeast.

[22] Rogin, Josh: Gates and Mullen in close contact with Egyptian military, in: foreign policy (11.2.2011), thecable.foreignpolicy.com.

[23] Vgl. Parrish, Karen / Garamone, Jim: Mullen – Egypt’s Military Promises to be Stabilizing Influence (31.1.2011) sowie Parrish, Karen: „Mullen Reiterates Confidence in Egyptian Military“ (2.2.2011), beide: American Forces Press Service, www.defense.gov.

[24] „Bundesminister Westerwelle telefoniert erneut mit ägyptischem Außenminister: Gewalt unterbinden, Wandel einleiten“, Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes vom 4.2.2011, www.auswaertiges-amt.de.

[25] Wagner, Jürgen: Münchner Sicherheitskonferenz – Menschenrechte vs. Geopolitik, IMI-Standpunkt 2011/005, www.imi-online.de.