Anlässlich der IMI-Studie „Neue Waffen, neues Geld? ‚Defence-Startups‘ in der BRD“ hat netzpolitik.org ein ausführliches Interview mit deren Autor, Franz Enders, geführt. Darin geht es u.a. um die gegenüber der klassischen Rüstungsindustrie abweichende „Wertkultur“:
„Die Start-ups haben mit anderen Tech-Unternehmen etwa aus dem Silicon Valley gemein, dass sie der Ideologe des Solutionismus anhängen. Demnach lassen sich quasi alle Probleme der Menschheit mit technologischen Mitteln lösen. Hier geht also nicht um gesellschaftliche oder politische Aushandlungsprozesse. Es geht darum, mit dem richtigen technologischen Hammer auf einen gesellschaftlichen Nagel zu schlagen. Alle Rüstungsunternehmen drängen auf weniger Bürokratie und beschleunigte Beschaffungsverfahren. Allerdings wurde insbesondere zu Beginn des Kriegs in der Ukraine der Druck deutlich erhöht. Dabei wollen gerade die Start-ups rote Linien überschreiten, etwa wenn sie fordern, dass die KI militärische Entscheidungen treffen soll, ohne dass Menschen involviert sind. Florian Seibel, CEO von Quantum Systems und von Stark Defence, kündigte bereits 2023 an, Drohnen so zu bauen, dass sie vollautonom fliegen können. Das sogenannte Human-in-the-Loop-Prinzip soll also technisch ausgeschaltet werden können, ohne dass es dazu vorab eine breite gesellschaftliche Debatte gab. Ich finde, das zeigt sehr klar, welches Verhältnis diese Start-ups zur Politik haben.“
Enders schlägt vor, von einem neuen Militärisch-Industriellen Komplex zu sprechen:
„Es gibt eine sehr große Nähe und viel Lobbyismus. Man kann hier von einem neuen militärisch-industriellen Komplex sprechen, also einer Neuauflage dessen, was wir während des Kalten Krieges beobachten konnten. Es gibt ein Positionspapier, das Helsing-Vorstandsmitglied Tom Enders, Airbus-Chairman René Obermann und die Investorin Jeanette zu Fürstenberg veröffentlicht haben. Das Papier wirbt für einen Umbau der Militärplanung im Sinne der digitalen Kriegsführung. Die Forderungen sind fast wortwörtlich in einem Weißbuch der EU zur Zukunft der europäischen Aufrüstung wiederzufinden. Gundbert Scherf war vor seiner Zeit als Helsing-CEO bei der Beraterfirma McKinsey sowie im Verteidigungsministerium tätig. Er war in die sogenannte ‚McKinsey-Affäre‘ verwickelt. Schon in seiner Rolle als Berater sprach sich Scherf für mehr Digitalisierung, Drohnenbeschaffungen und eine Optimierung des Beschaffungswesens aus. Ich glaube, das erklärt auch, warum Helsing so schnell zum ‚Einhorn‘ der Rüstungsbranche aufsteigen konnte und nach so kurzer Zeit den Eurofighter-Auftrag erhielt.“
