IMI-Aktuell 2025/170

Baerbock in Syrien

von: 21. März 2025

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Die Pläne der Bundesregierung – die mit großer Wahrscheinlichkeit von der noch amtierenden Außenministerin selbst stammen – Baerbock als Präsidentin der UN-Generalversammlung zu installieren, überschatten auch die Berichterstattung über ihre aktuelle Reise in den Libanon und nach Syrien. So schreibt etwa die Süddeutsche Zeitung:

„Bei der Nahostreise der Außenministerin sollte es um die Zukunft Libanons und Syriens gehen. Tatsächlich aber steht Baerbocks persönliche Zukunft im Fokus… Doch nicht die Zukunft der Arabischen Republik Syrien steht im Mittelpunkt der Reise. Vielmehr dreht sich gerade alles um die berufliche Zukunft von Annalena Baerbock. Als am Dienstag bekannt wurde, dass die Noch-Außenministerin Deutschland verlässt, um von September an Präsidentin der UN-Generalversammlung zu werden, hagelte es Kritik.“

Die Kritik ist in Teilen berechtigt und wirkt in Teilen latent frauenfeindlich. Halbwegs sachlich formuliert das noch Florian Warweg auf den Nachdenkseiten:

„Eine Position wie die der Präsidentin der UN-Vollversammlung, die wie wenige andere in der UN insbesondere vermittelnde Brückenbauer-Qualitäten zwischen den in ihren Interessen völlig unterschiedlichen 193 UN-Mitgliedsländern fordert, wird nun durch die Bundesregierung mit einer Person ohne jede formelle diplomatische Ausbildung besetzt, die für das genaue Gegenteil steht: Ausgeprägte westliche Werte-Arroganz, völlige Selbstreferenz und EU-Zentrismus, keinerlei Auslandserfahrung im „Globalen Süden“, keinerlei Sprachkenntnisse (von ihrem prekären Englisch mal abgesehen) sowie auch sonst keinerlei Fachexpertise zu Asien, Afrika oder Lateinamerika – dem Großteil der Weltbevölkerung.“

Tatsächlich war auch die Kritik Baerbocks an den jüngsten, äußerst tödlichen Luftschlägen Israels auf Gaza mit 500 Toten in zwei Tagen wieder äußerst verhalten.

Formaler Anlass der Reise nach Syrien war die Wiedereröffnung der Deutschen Botschaft in Damaskus. Diese kommentiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland so:

„Es ist eine ausgestreckte Hand an die neuen Machthaber in Syrien, ein Zeichen des Vertrauens, dass die alte Diktatur von Baschar al-Assad nicht von einer neuen abgelöst wird. Denn dass dieser Prozess in die richtige Richtung läuft, ist längst nicht gesagt. (…) Die Botschaftseröffnung ist die Möglichkeit für Deutschland, die Neuaufstellung aus der Nähe mitzuverfolgen. Das ist eine sehr gute Idee, über die Symbolkraft hinaus.“

Stern.de zitiert die Worte der deutsche Außenministerin zur Botschaftseröffnung:

„‚Mit dieser Botschafts-Wiedereröffnung sagen wir ganz klar: Deutschland ist zurück in Damaskus‘, sagte die Ministerin dazu.“

Die Süddeutsche Zeitung zeichnete den Hintergrund dieser Botschaftseröffnung zuvor etwas kritischer:

„Drei Monate nach dem Sturz des Assad-Regimes durch die islamistische Hayat Tahrir al-Scham (HTS) herrscht dort ein Klima der Angst, vor allem unter Angehörigen von Minderheiten. Denn obwohl der neue De-facto-Machthaber Ahmed al-Scharaa versprochen hat, diese zu schützen, zeichnet die Realität ein anderes Bild. Trauriger Höhepunkt war vor wenigen Wochen ein Massaker an Alawiten in der Küstenregion Latakia, ehemaliger Stammsitz der syrischen Präsidentenfamilie Assad, die selbst der alawitischen Glaubensgemeinschaft angehört.“

Tatsächlich müsste man eher von einer Kette von Massakern gesprochen werden, die um den 6. März begann und der bis zu 1.500 Zivilist*innen zum Opfer gefallen sein sollen. Keine zwei Wochen später wird den neuen Machthabern „die Hand ausgestreckt“ und hochoffiziell verkündet: „Deutschland ist zurück in Damaskus“.

Kein Beispiel für diplomatisches Geschick. Und ein weiteres Beispiel für doppelte Standards. Das Massaker von Butscha, dem etwa 500 Zivilist*innen zum Opfer gefallen sein sollen, hatte viel heftigere Reaktionen im Auswärtigen Amt und auch in der deutschen Presse hervorgerufen. Ist das Diplomatie oder Rassismus?