IMI-Standpunkt 2025/016, erschienen in junge Welt 24.2. & 3.3.2025

Waffenembargo selbstgemacht

Cut Ties with Genocide Camp in Kopenhagen attackiert Logistikgiganten Maersk wegen Waffenlieferungen an Israel

von: Pablo Flock | Veröffentlicht am: 3. März 2025

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Die folgenden Artikel erschienen in der Tageszeitung junge Welt am 24.02.2025, der Artikel „Mærsk das Handwerk legen„, und als Themenseite am 03.03.2025 der Artikel Nicht nur in Kopenhagen, sowie das Interview: »Die Maske ist gefallen«.

Keine Waffen an Israel/Dänemark
Mærsk das Handwerk legen
Dänemark: Protestcamp gegen internationalen Waffenhandel und Genozid in Gaza
Man kennt sie, die Schiffscontainer der Firma Mærsk, die manchmal einzeln auf Lkws über die Autobahnen der Bundesrepublik touren. Doch was viele nicht wissen: Die zweitgrößte Logistikfirma der Welt mit Sitz in Kopenhagen transportiert mit diesen auch Rüstungsgüter nach Israel. Nah am Heimathafen der Reederei des laut Forbes mit Abstand größten dänischen Unternehmens versammeln sich daher seit Freitag Hunderte Aktivisten, um von Mærsk und anderen dänische Unternehmen – wie dem Radarsysteme produzierenden Konzern Terma und dem daran beteiligten staatlichen Pensionsfund ATP – zu fordern, sich aus dem Geschäft mit Rüstungsgütern zurückzuziehen.

Als Beispiel für die Mittäterschaft von Mærsk am Genozid an den Palästinensern und israelischen Angriffen in Libanon, Syrien und Jemen zählen das Palestinian Youth Movement und weitere Gruppierungen in ihrer Kampagne »Mask off Mærsk« die Beteiligung am Transport von Teilen aus den USA für die israelischen »Namer«-Schützenpanzer sowie für taktische Fahrzeuge der Oshkosh-Familie auf. Während dies auf der Grundlage direkter Verträge mit dem Pentagon geschehe, verschiffe der Containermogul auch Flügel und andere Komponenten für die Produktion des F-35-Kampfjets von Lockheed Martin in die USA. Der F-35 ist eines der von Israel meistgenutzten Flugzeuge, mit denen Bomben über Gaza und den anderen Nachbarstaaten abgeworfen werden.

Das Aktionscamp läuft parallel zu den voraussichtlich letzten Verhandlungstagen eines Verfahrens von Oxfam, Amnesty International und weiteren Organisationen gegen das dänische Außenministerium und die Nationalpolizei. Die NGOs möchten die Angeklagten auf Basis des UN-Vertrags über den Waffenhandel (ATT), ­EU-Vereinbarungen und der Einschätzung des Internationalen Strafgerichtshofs zum möglichen Genozid in Gaza zu einer Einstellung des Waffenhandels mit Israel zwingen. Durch ein ähnliches Verfahren war die niederländische Regierung im Februar 2024 zu einem Stopp der Exporte von Teilen des F-35 nach Israel genötigt worden.

Das von den Aktivisten des Camps angestrebte Waffenembargo hat ein Vorbild: In den 1980ern stellte sich die internationale Organisation Maritime Unions Against Apartheid gegen den Ölhandel von Mærsk mit dem geächteten Apartheidregime in Südafrika. Um einen Druck wie damals aufzubauen, sei allerdings noch einiges an Annäherung an die Hafenarbeiter und Matrosen nötig, so die Workshopveranstalter am Sonnabend. Andere Veranstaltungen zu beteiligten Organisationen und Kampagnen, Aktivismus in der Westbank, den deutschen und schwedischen »Shut Elbit Down«-Kampagnen, Israels geplantem Raubbau an den Gasfeldern Gazas oder Dabke-Tanz finden in dem, am Eingang mit dem anarchistischen Chaosstern dekorierten Jugendhaus »Ungdomshuset«, neben Cappuccino trinkenden Hipstern in der »Demokrati Garage« und anderen in der Stadt verteilten selbstorganisierten Räumen statt. Dass es den Aktivisten jedoch um mehr geht als bloße Information, zeigen Aktionstrainings und Unterweisungen zu rechtlichen Fragen möglicher Störaktionen an diesem Montag.

Ein Banner im Jugendhaus Ungdomshuset, einem der Hauptveranstaltungsorte des Cut Ties with Genocide Camps. Foto: unwisemonkeys

Waffenembargo gegen Israel
Nicht nur in Kopenhagen
Protest gegen Waffenlieferungen des dänischen Logistikers Mærsk an Israel ist Teil von internationaler Widerstandsbewegung

In weiße Maleranzüge gekleidet, die Kufija um den Kopf gebunden, sitzen Hunderte vor den Eingängen eines der größten Logistikunternehmen der Welt und singen: »Mærsk, Mærsk, you can’t hide, you are arming genocide!« (Mærsk, du kannst dich nicht verstecken, du bewaffnest den Genozid!) Einige Aktivisten sind auf das Dach geklettert, lokale Fernsehteams filmen und machen Interviews mit den Protestierenden – darunter die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Am frühen Montag morgen vergangener Woche hatten Aktivisten eine eher dünn besetzte Linie der dänischen Polizei durchbrochen und waren bis vor die Tore des Logistikriesen Mærsk in Kopenhagen gelangt. Vorbereitungen dafür waren kurz zuvor beim Camp »Cut Ties with Genocide« getroffen worden, das unter anderem vom Palestinian Youth Movement (PYM) und der Gruppe Collective Resistance and Care (CRAC) organisiert wurde. Wichtigstes Ziel: den Druck auf das dänische Unternehmen wegen seiner weltweiten Waffentransporte und besonders nach Israel zu erhöhen.

Tatsächlich kündigte Mærsk an, dass in der Zentrale an jenem Tag nicht gearbeitet werde. Versuche, die Sitzblockaden vor dem Eingang oder entlang der Glasfront – die ein paar Graffiti abbekommen hat – zu räumen, bleiben erfolglos. Erst kurz nachdem verschiedene am Protest beteiligte Gruppen entschieden haben, dass man auf den von der Polizei vorgeschlagenen Handel eingeht und eine Demonstration durch Kopenhagen und an der US-Botschaft vorbei macht, greifen die mittlerweile verstärkten Hundertschaften plötzlich hart durch. Die friedlichen Demonstranten werden mit Pfefferspray und unter Knüppeleinsatz zusammengetrieben, es hagelt Dutzende Tränengasgranaten. Jugendliche weinen, Blut fließt. Trotzdem sind die Aktivisten zufrieden. Man hat das wegen seiner gewissenlosen blutigen Geschäftspraktiken – wie der Beihilfe zum Genozid an den Palästinensern – verhasste Unternehmen getroffen und die dänische Öffentlichkeit erreicht. Auch ausländische Medien berichten.

Doch es ist nicht der erste und auch nicht der größte Erfolg der Bewegung gegen den Handel mit Rüstungsgütern. PYM recherchiert regelmäßig zu Waffenlieferungen an Israel und versucht, in Koalition mit anderen Gruppierungen dagegen vorzugehen. Besonders effektiv war der Protest in Spanien. Schon seit Oktober 2023 verkauft das Land keine Waffen mehr an Israel, geschweige denn, dass es welche importiert. Im Mai vergangenen Jahres erklärte die Regierung, keine Schiffe mehr in seinen Häfen anlegen zu lassen, die Waffen nach Israel transportieren. Trotzdem gelangt immer wieder Kriegswerkzeug über spanische Häfen und Flugplätze nach Israel, wie PYM und Verbündete wiederholt nachwiesen. Nach einem Bericht im November, in dem nachgewiesen wurde, dass bis dato trotz des Banns mindestens 944 Schiffe mit ebensolchem Militärequipment in Spanien angelegt hatten, blockierte die Regierung das Anlanden dreier Schiffe von Mærsk.

Als eines dieser Schiffe wenige Tage später im marokkanischen Hafen Tanger Med anlegt, wird es von Hunderten Protestierenden empfangen. Die Demonstranten kritisierten insbesondere, dass sich Marokko im Zusammenhang mit dem Genozidverfahren des Internationalen Gerichtshofs zwar öffentlich der Forderung nach einem Waffenembargo für Israel angeschlossen hatte, aber den Frachter dennoch nicht abwies.

Besonders geübt und erfolgreich verlaufen Aktionen gegen den Handel mit Kriegsgerät auch in Italien. Die Basisgewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) bestreikt schon seit Jahren immer wieder Schiffe, die mit Waffen und Rüstungsgütern nicht nur für Israel, sondern auch für kriegführende Länder wie Saudi-Arabien oder die Türkei beladen sind. Schon 2021 musste ein Schiff des israelischen maritimen Logistikunternehmens ZIM einen alternativen Hafen suchen, nachdem Arbeiter des Hafens von Livorno sich wegen der damaligen Bombardierungen Gazas geweigert hatten, das Schiff zu beladen.

Von verschiedenen Streiks und Aktionen der USB und des Kollektivs autonomer Hafenarbeiter (CALP) im vergangenen Jahr in Genua war die vom 24. Juni wohl die größte. Durch die Kombination eines Streiks mit einer Blockadeaktion mit rund 500 Teilnehmern wurde die Beladung eines Schiffs nach Israel verhindert. Im Dezember gab es dann sogar eine ganz Italien umfassende Blockade. Auch in diesem Februar seien schon zwölf Container mit dem Ziel Israel in italienischen Häfen gestoppt worden, berichtete ein Aktivist von CALP und USB in einem der Workshops des Camps »Cut Ties with Genocide«. Dies sei nur durch die traditionell starke Integration der Antikriegsbewegung mit Gewerkschaften und anderen sozialen Bewegungen möglich.

Protestierende auf dem Dach des Foyers von Maersks Hauptzentrale in Kopenhagen.
Foto: unwisemonkeys

Mask off Mærsk
»Die Maske ist gefallen«
Über die Blockade von Mærsk in Kopenhagen und die Aktionen von Hafenarbeitern weltweit. Ein Gespräch mit Nora vom Camp »Cut Ties with Genocide«

Die Aktion am vorigen Montag vor dem Mærsk-Hauptquartier war wild. Was wollten Sie erreichen, und wurden die Erwartungen erfüllt?

Unser Ziel war es, Mærsk die Maske vom Gesicht zu nehmen, denn der Konzern macht sich durch den Transport von Militärgütern für Israel mitschuldig am Völkermord an den Palästinensern. Mit seinem Hauptsitz hier in Kopenhagen ist Mærsk so etwas wie das Kronjuwel Dänemarks, das sich angeblich für Ethik, Menschenrechte und Vielfalt einsetzt. Wir wollten zeigen, was hinter dieser schönen Fassade wirklich vor sich geht. Damit waren wir sehr erfolgreich. Mærsk und seine Machenschaften sind nun in den Medien präsent.

Hat das Unternehmen in irgendeiner Weise auf den Protest reagiert?

Laut Medienberichten ist die Polizei von Mærsk gerufen worden, weil wir die Arbeit in erheblichem Maße behindert haben. Deshalb auch diese absurde Repression. Mærsk hat Angst.

Viele Protestierende sind festgenommen worden. Ist schon weiteres zu den Ermittlungen gegen sie bekannt?

Das Vorgehen der Polizei war verrückt und absurd, das hatten wir in keinster Weise so erwartet. Wir haben Genossen, die sagen, dass sie so etwas in den vergangenen 20 Jahren nicht erlebt haben. Aber zum Glück ist niemand mit einer besonders schweren Anschuldigung konfrontiert. Natürlich nicht! Nicht wir sind die Kriminellen, die Kriegsverbrecher sind es.

Wie war die Resonanz auf die Aktion, zum Beispiel aus der Politik?

Zur Rolle des dänischen Unternehmens bei Kriegsverbrechen und dem Genozid haben Politiker natürlich nichts gesagt. Zur Verteidigung des Polizeieinsatzes sowie zu Recht und Ordnung schon – wie immer. Doch wir protestieren weiter, bis der dänische Staat ein Waffenembargo gegen Israel umsetzt.

Das Protestcamp und die Aktionen fanden zeitgleich mit der ersten Verhandlungsrunde in einem Gerichtsverfahren gegen den dänischen Staat statt. Das Verfahren wurde angestrengt, um einen Stopp von Waffenlieferungen an Israel zu erreichen.

Wir stehen in Kontakt und sind solidarisch mit den Organisationen, die das Gerichtsverfahren angestrengt haben, denn ihre Arbeit ist großartig. In diesen Tagen wird vorerst entschieden, ob die NGOs überhaupt die richtigen Kläger sind. Wir hoffen natürlich, dass das positiv entschieden wird.

»Mask off Mærsk« und die Palestinian Youth Movement haben sich auch an anderen Blockaden beteiligt, vor allem im Mittelmeerraum. Was ist der Unterschied zu den Aktionen in Kopenhagen?

Frühere Blockaden von Hafenarbeitern im Mittelmeer zielten auf die spezifische Logistik der Mærsk-Aktivitäten. Es ist wichtig, sich in der heutigen Zeit, in der vieles digital passiert, vor Augen zu halten, dass reale Aktionen wichtig sind und wir mit den Hafenblockaden physische Knotenpunkte anvisieren und lahmlegen können. Es ist auch wichtig zu zeigen, dass wir selbst in unserer Lohnarbeit politisch handeln können. Große Veränderungen in der Geschichte kommen oft dadurch zustande, dass Arbeiter aufstehen und handeln. In Kopenhagen sind wir inspiriert und unterstützen, was Hafenarbeiter:innen auf der ganzen Welt reißen. Wir hoffen, dass wir auch die Mærsk-Beschäftigten in der Zentrale zum Mitmachen inspirieren können. Leider ist das bisher bei wenigen geglückt.

Wie geht es nun weiter? Sind bereits weitere Aktionen geplant?

Die Kampagne »Mask off Maersk« geht weiter, weltweit und in Dänemark. Ich denke, das ist erst der Anfang.