IMI-Standpunkt 2025/008
Waffen und Wachstum?
Institut für Weltwirtschaft rechnet sich die wirtschaftlichen Segnungen von Rüstungsausgaben hin
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 16. Februar 2025
Völlig einig ist man sich auf beiden Seiten des Atlantiks, dass die Rüstungsausgaben massiv steigen sollen (siehe IMI-Standpunkt 2025/002). Ein wüstes Gezerre ist dagegen im Gange, welche Konzerne wieviel von den steigenden Rüstungskäufen abbekommen sollen. Die USA machen massiv Druck, dass bei US-Konzernen gekauft wird, was Hans Christoph Atzpodien, einer der führenden deutschen Rüstungslobbyisten vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, ziemlich auf die Palme bringt: „Dass aktuell auch in Brüssel Denkspiele darüber angestellt werden, ob man US-Zölle vermeiden könnte, indem man mehr Rüstung für Europa in den USA einkauft, finde ich befremdlich“, wird er in der taz zitiert.
An dieser Stelle springt ihm eines der großen Wirtschaftsforschungsinstitute beiseite: Pünktlich zur Münchner Sicherheitskonferenz legte das Institut für Weltwirtschaft Kiel die Studie „Waffen und Wachstum“ vor. Die knappe und äußerst fragwürdige Botschaft: Hohe Rüstungsausgaben sind ein Segen für die gesamte Wirtschaft, sofern die diesbezüglichen Gelder an die eigene Industrie fließen. Aus der Pressemitteilung: „Ein neuer Report des IfW Kiel zeigt, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,9 bis 1,5 Prozent im Jahr steigen könnte, wenn die EU-Staaten in dem entsprechenden Jahr ihre Militärausgaben vom NATO-Ziel von 2 Prozent auf 3,5 Prozent des BIP anheben und von überwiegend US-amerikanischen auf heimische Hightech-Waffen umsteigen würden.“
Wie es sich im Übrigen für ein arbeitgebernahes Institut gehört, hat das IfW auch eine klare Position, woher die Gelder kommen sollten – nicht von Unternehmen und Reichen: „Das BIP-Wachstum wird geringer ausfallen, möglicherweise sogar negativ sein, wenn zusätzliche Verteidigungsausgaben von Anfang an durch höhere Steuern finanziert werden. Europas Regierungen sollten daher mehr Schulden aufnehmen, um vorübergehende Mehrausgaben oder den Übergang zu auf Dauer höheren Budgets zu finanzieren, zumal der Kauf von Waffen teurer ist als die Wartung und Instandhaltung.“
Wenn kurzfristig über Schulden riesige Beträge in irgendeinen Bereich der Wirtschaft gekübelt werden, hat dies selbstverständlich Auswirkungen auf das BIP. Langfristig schädigen sie aber gemäß dieser Untersuchung im Falle von Rüstungsausgaben die Wirtschaft. Außerdem stellt sich ja die Frage, welche Wirkungen erhöhte Investitionen im Rüstungssektor im Vergleich zu solchen in anderen Bereichen auf das Wachstum haben. Hier kommt eine Studie für Deutschland, Italien und Spanien aus dem Jahr 2020 zu dem Ergebnis, dass „für alle Länder nicht-militärische öffentliche Ausgaben einen positiveren Effekt auf Wirtschaft und Beschäftigung als Ausgaben für Waffenkäufe haben.“
Auch breiter angelegte Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen, zum Beispiel dass eine einprozentige Erhöhung der Militärausgaben über 20 Jahre zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums um 9 Prozent führen würde – wohlhabende Länder seien hier überproportional betroffen. Militärausgaben hätten einen „signifikanten und dauerhaften negativen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum, der robust bei unterschiedlichen Ländergruppen auftritt.“ (d’Agostino, G., Dunne, J. P., & Pieroni, L. (2017). Does military spending matter for long-run growth?. Defence and Peace Economics, 1-8).
Man könnte aber auch einfach die ansonsten gerade gern zitierten Rüstungshardliner Christian Mölling (Bertelsmann) und Torben Schütz (DGAP) zitieren. Bei capital.de schrieben sie bereits voriges Jahr: „Aufrüstung ist teuer und unpopulär – daher verfallen einige Politiker auf eine neue Idee: Die Rüstungsmilliarden könnten eine Konjunkturspritze sein. […] Doch unterm Strich ist die Idee des Rüstungs-Keynesianismus ein gut gemeinter Versuch, sicherheitspolitisch notwendige Investitionen über Wohlstandseffekte zu vermitteln. […] Rüstung ist bekanntermaßen eine vergleichsweise schlechte Investition, wenn es um die Förderung der Volkswirtschaft geht. Hier bringen Investitionen in Bildung oder Infrastruktur viel höhere Effekte.“
Faktisch argumentieren Mölling und Schütz, sich künftig ehrlich zu machen und offensiv dafür zu plädieren, man solle sich die Rüstung so richtig etwas kosten lassen, auch wenn die die Wirtschaft schädigen würde. Das Institut für Weltwirtschaft hat sich augenscheinlich für den entgegengesetzten Weg entschieden!