IMI-Standpunkt 2025/004

Keine Zerschlagung der Öffentlichen Daseinsfürsorge in Tübingen und anderswo!

Ein Kommentar von Reza Schwarz

von: 21. Januar 2025

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Als Teil des Tübinger Bündnisses gegen Kürzungen sprach Reza Schwarz für die Informationsstelle Militarisierung auf der Demonstration unter dem Motto „Kürzungen Stoppen – Gemeinsam für Soziales, Bildung & Kultur kämpfen!“ am 18.01.2025. Wir veröffentlichen deren Redebeitrag nun als IMI-Standpunkt.

Liebe Freund*innen, liebe Mitstreiter*innen,

wir haben uns hier heute gemeinsam versammelt, um gegen die drohenden Sozialkürzungen der Stadt Tübingen zu protestieren. Diese Art von Kürzungen betrifft uns aber nicht nur hier vor Ort, sondern Menschen bundesweit. Viele von euch mögen sich fragen: Warum müssen wir jetzt angeblich
so viel, vor allem bei den Sozialausgaben sparen? Einer der entscheidenden Faktoren heißt: Aufrüstung! Das 100 Mrd. Euro schwere Sondervermögen wurde dank einer im Eiltempo durchgepeitschten Änderung des Grundgesetzes, im Juni 2022 beschlossen. Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz sagte damals, dass die Rüstungsausgaben von nun an Jahr für Jahr noch weiter angehoben werden sollen. Dies soll auch geschehen, um dem 2%-Mindestausgabeziel des BIP für das Militärbündnis NATO künftig gerecht zu werden. 2024 hat Deutschland das Ziel mit 2,12 %, was insgesamt 90,6 Mrd. Euro inklusive Anteil aus dem Bundeswehrsondervermögen beträgt, sogar noch übertroffen. Zum Vergleich: Die Militärausgaben umfassen mehr Volumen als die jeweiligen Budgets der Bundesministerien für Bildung, Gesundheit, Entwicklung, Wirtschaft- und Klimaschutz, Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, das Auswärtige Amt und das Umweltministerium zusammen! Ein großes Budget, welches zukünftig weiter zugunsten von Aufrüstung erheblich dezimiert werden soll, ist das des Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Dieser absolut rückschrittliche Sparkurs des Bundes beim Sozialetat und der Öffentlichen Daseinsfürsorge hat natürlich unmittelbare Auswirkungen auf die Haushaltslagen der Länder und zuletzt auf die eh schnon knapp bemessenen Haushalte der Kommunen. Schon seit Jahren wird gewarnt, dass die Kommunen kurz vor dem finanziellen Kollaps stehen, weil sie mit steigenden Kosten allein gelassen werden. 2025 haben wir diesen Punkt entgültig erreicht!

Parallel zu den eskalierenden Haushaltskürzungen gesellt sich seitens der Bundespolitik ein Ton, der immer schärfer und menschenverachtender wird: wir sollen mit allen Mitteln wieder „kriegstüchtig“ werden und damit unsere Machtstellung in der Welt verteidigen, wir sollen laut Olaf Scholz wieder mehr und konsequenter abschieben und sogenannten „faulen Bürgergeldempfänger*innen“ alle Leistungen streichen. Nur wer für diesen Staat als bio-deutscher, unkaputtbarer Malocher oder patriotismusgeladenes Kanonenfutter dient, hat also einen Wert.

So schlimm all dies bereits klingt, stellt dies erst wohl den Anfang einer katastrophalen Entwicklung für uns alle dar: im Deutschlandfunk sagte Marcus Pindur hinsichtlich des Amtsantritts von US-Präsident Trump: „Allen Experten, einschließlich Verteidigungsminister Pistorius ist klar, dass wir schnell auf 3 oder 3,5% Rüstungsausgaben kommen müssen, um Putin und dessen neokoloniale Aggressionspolitik abzuschrecken. Das muss die erste politische Priorität der nächsten Bundesregierung sein. Doch so lange dieses Land mit Verve darüber streitet, ob ein Karenztag bei der Krankmeldung zumutbar ist oder nicht, hat es die Prioritäten nicht richtig sortiert. In den kommenden Jahren kann es nicht mehr um neue soziale Wohltaten gehen, es geht um unsere Sicherheit, das sollte uns der Auftritt Trumps lehren.“

Dieses allzeit belibte und und viel verbreite Narrativ vom militärisch haushoch überlegenen Russland, widerlegt beispielsweise eine aktuelle Greenpeace Studie vom November 2024 : „Die Analyse der militärischen Kapazitäten der NATO und Russlands lässt keine Zweifel an der allgemeinen Militärischen Überlegenheit der NATO. (…) Die Notwendigkeit, in Deutschland die Militärausgaben weiter und dauerhaft zu erhöhen und dabei – in logischer Konsequenz – andere essenzielle Bereiche wie Soziales, Bildung oder ökologische Transformation nicht ausreichen zu finanzieren, lässt sich daraus nicht ableiten.“

Zusammenfassend lässt sich also festhalten: wenn wir gemeinsam für eine Zukunft kämpfen möchten, die einigermaßen lebenswert ist, sollten wir uns konsequent gegen Aufrüstung und Militäreinsätze auflehnen, die Bundeswehr aus Kitas, Schulen und Hochschulen verbannen und uns für unseren Umgang miteinander stets an folgender Frage orientieren: „Wie würde ich mich in einer ausweglosen Situation fühlen und was würde ich mir dabei von meinen Mitmenschen wünschen?“ Denn eine starke Gesellschaft ist radikal empathisch – nicht kriegstüchtig!