IMI-Standpunkt 2024/026
EU-Kommissar für Rüstung und Krieg
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 18. September 2024
Sie wolle eine „geopolitische Kommission“ anführen, kündigte Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer ersten Amtszeit als Chefin der Brüsseler Behörde an. Spätestens mit den gestern präsentierten Personalvorschlägen für ihre zweite Amtszeit wird klar, dass sie nun einer „Kriegs- und Rüstungskommission“ vorstehen will.
Vorbehaltlich der noch ausstehenden Zustimmung des Parlamentes soll es neuerdings einen eigenen EU-Kommissar für Verteidigung und Weltraum geben – das ist alles andere als selbstverständlich, sind militärische Fragen gemäß der EU-Verträge doch Sache der Staaten und nicht der Europäischen Union. Deshalb wurden militärrelevante Aspekte bislang vor allem in den Zuständigkeitsbereich des Industriekommissars verschoben, ein Amt, um das sich in den letzten fünf Jahren der Franzose Thierry Breton sehr „verdient“ gemacht hat. Unter der Ägide des früheren Spitzenmanagers diverser Rüstungsfirmen wurden erstmals eine Reihe militärrelevanter Töpfe im EU-Haushalt 2021 bis 2027 eingerichtet, darunter vor allem der Europäische Verteidigungsfonds (zunächst rund 8 Mrd. Euro, später 9,5 Mrd. Euro) für die Erforschung und Entwicklung von Rüstungsprodukten. Auch die Weltraumprogramme, insbesondere Galileo and Copernicus, haben einen starken militärischen Anteil und wurden wohl nicht zuletzt deshalb üppig bedacht (rund 14 Mrd. Euro). Wie bereits erwähnt: dies alles geschah, obwohl Verteidigungspolitik die Zuständigkeit der Staaten ist und Militärausgaben laut Artikel 41(2) des EU-Vertrages nicht aus dem EU-Haushalt bestritten werden dürfen – umgangen wird dies durch die rechtlich hochgradig fragwürdige Behauptung, hier handele es sich vorrangig um industriepolitische und nicht militärische Maßnahmen (siehe IMI-Analyse 2020/21).
Nun soll es also in der zweiten Amtszeit von der Leyens einen eigenen Kommissar für Verteidigung und Weltraum geben – inwieweit sich das mit den EU-Verträgen verträgt, scheint inzwischen ohnehin niemand mehr zu fragen (eine 2021 von der Linksfraktion eingereichte Klage liegt immernoch beim Bundesverfassungsgericht herum). Bekleiden soll das neue Amt der frühere litauische Regierungschef Andrius Kubilius, der gleich unter Beweis stellen wollte, dass er sich als „würdiger“ Nachfolger Bretons erweisen möchte: „Dies ist das erste Mal, dass die EU einen Verteidigungskommissar mit der ganz klaren Aufgabe hat, den Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion voranzutreiben und auch Investitionen in die Verteidigung anzukurbeln“, gab er gegenüber der Presse an. Unmittelbar dürfte sich Kubilius mit dem Europäischen Verteidigungsinvestitionsprogramm befassen, den im März 2024 vorgelegten Kommissionsvorschlag für ein Umschalten auf Kriegswirtschaft und Rüstung in Massenproduktion, den es noch mit dem Europäischen Rat und dem Parlament abzustimmen gilt (siehe IMI-Analyse 2024/23). Erst einmal sind dafür nur relativ bescheidene 1,5 Mrd. Euro vorgesehen. Ab dem nächsten Haushalt 2028 bis 2034 sollen zur Unterstützung der Rüstungsproduktion aber ganz andere Summen locker gemacht werden. Während Breton hierfür noch – vergleichsweise – bescheidene 100 Mrd. Euro zusätzlich forderte, schwebt dem designierten Rüstungskommissar Kubilius ein ganz anderer Betrag vor: „Im nächsten Jahrzehnt sind zusätzliche Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro in die europäische Verteidigung erforderlich.“
Während hier also als die Weichen gestellt sind, fehlt weiter auffällig ein Kommissar für Dinge wie Abrüstung, Rüstungskontrolle und Risikominimierung. Am ehesten könnten derlei Aufgaben bei der EU-Außenbeauftragten angesiedelt sein. Doch schon länger ist bekannt, dass dieser Posten mit der früheren estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas besetzt werden soll – sie hat sich bereits hinlänglich als ausgesprochene Hardlinerin hervorgetan, womit dann endgültig sichergestellt ist, dass sich die EU immer weiter auf Kriegskurs begibt.