IMI-Studie 2023/01

Aufrüstung im Schwarzmeerraum

Geopolitische Interessen und innenpolitische Konflikte in Bulgarien

von: Yasmina Dahm | Veröffentlicht am: 16. Mai 2023

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

———————-

Gesamte Studie zum herunterladen hier

———————-

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Geopolitische Interessen im Schwarzmeerraum
    2.1 Strategische Interessen der NATO im Schwarzmeerraum
    2.2 Strategische Interessen Russlands im Schwarzmeerraum
    2.3 Das Meerengenabkommen von Montreux
  3. NATO-Präsenz und Konflikte im Schwarzmeerraum
    3.1 Spannungen im Schwarzmeerraum
    3.2 NATO- und US-Truppen in Bulgarien
    3.3 Logistische Rolle der BRD
  4. Proteste und Profite
    4.1 Innenpolitische Konflikte und Proteste
    4.2 Indirekte Treibstoff und Waffenexporte
    4.3 Austausch alter Waffen
  5. Fazit

Gesamte Studie zum herunterladen hier

  1. Einleitung

Das NATO-Mitglied Bulgarien steht bei der Eskalation der Spannungen zwischen Russland und der NATO geographisch und innenpolitisch zwischen den Fronten und wird dabei immer häufiger ein Ziel von NATO-Truppenbewegungen und groß angelegten Manövern im Schwarzmeerraum.

Dass dem Schwarzen Meer und der Schwarzmeerregion eine große strategische Relevanz in Auseinandersetzungen zwischen Russland und der NATO beigemessen werden, geht aus einer Vielzahl von Strategiepapieren und einer immer größeren militärischen Präsenz an der NATO-Südostflanke hervor, die im Folgenden thematisiert werden sollen. Aufgrund seiner Bedeutung für geopolitische Interessen in der Schwarzmeerregion wird an dieser Stelle auch auf das Meerengenabkommen von Montreux eingegangen, das die Durchfahrt durch den Bosporus und die Dardanellen regelt und damit den Wasserweg zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer reguliert.

Die Aufrüstung der NATO-Südostflanke wird in Bulgarien beispielsweise durch die 2022 neu eingerichtete multinationale Battlegroup deutlich, die nach einem Besuch des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin im März 2022 angekündigt und aufgestellt wurde, der bei dieser Gelegenheit betonte, dass die Zusammenarbeit mit Bulgarien nie enger gewesen sei. Die zunächst von der bulgarischen Regierung abgelehnte Battlegroup gilt seit Dezember letzten Jahres als vollständig kampfbereit. 

Da die Verknüpfung von NATO-Truppenstationierungen und Rüstungsdeals bereits in Litauen und Polen regelmäßig vorkam, stellt sich die Frage, ob es auch in Bulgarien Rüstungsdeals im Anschluss an die Stationierung der multinationalen Battlegroup geben wird und welche Akteur*innen von ihnen profitieren werden. Auf Informationen zu einem Ringtausch Bulgariens mit den Niederlanden zum Tausch veralteter MiG-29  Kampfflugzeuge sowjetischer Bauart gegen F-16 Kampfflugzeuge und dem Austausch alter Waffen in Bulgarien gegen moderne NATO-Waffen allgemein soll an dieser Stelle eingegangen werden.1

Auch  der NATO-Präsenz im Schwarzmeerraum ist ein Kapitel gewidmet, das sich mit der historischen Entwicklung der immer angespannteren Lage dort beschäftigt und auf die enge Kooperation von bulgarischem Militär mit US-Truppen verweist. Die US-bulgarische Kooperation, die so weit geht, dass nach der Ratifizierung des sogenannten „Defense Cooperation Agreement“ von 2006 sogar Militärbasen geteilt werden, wurde 2020 mit einer 10-Jahres-Roadmap für die sogenannte „sicherheitspolitische Zusammenarbeit“ weiter gefestigt. Darin wird von US-Seite auf höhere Rüstungsausgaben gedrängt, obwohl es sich bei Bulgarien offiziell um das ärmste Land der EU handelt.

Bei den Spannungen im Schwarzmeerraum spielt die Bundesrepublik, auch wenn deutsche Truppen tendenziell stärker im Baltikum, als auf dem Balkan involviert und nicht direkt mit Truppen an der multinationalen  Battlegroup in Bulgarien beteiligt sind, eine wichtige Rolle als Logistikdrehscheibe. Aus diesem Grund wird im Folgenden auch auf die Rolle Deutschlands bei der Aufrüstung der NATO-Ostflanke und auf das Konzept der Militärischen Mobilität eingegangen, die dafür sorgen soll, dass NATO-Truppen von der Ostküste der USA bis zum Schwarzen Meer verlegt und versorgt werden können.

Innenpolitische Konflikte im Zusammenhang mit der Stationierung zusätzlicher NATO-Truppen sowie im Kontext von Waffenlieferungen in die Ukraine und der damit verbundenen Involvierung  in den Krieg in unmittelbarer Nachbarschaft sollen im Folgenden ebenfalls aufgegriffen werden. Als bemerkenswerter innenpolitischer Konflikt wird an dieser Stelle beispielsweise der Fall des ehemaligen bulgarischen Verteidigungsministers Stefan Yanev thematisiert, der sich für eine  neutrale Position Bulgariens im Ukrainekrieg und gegen zusätzliche NATO-Truppen in Bulgarien aussprach und anschließend durch Dragomir Zakov, der zuvor der ständige Vertreter Bulgariens bei der NATO in Brüssel war, ersetzt wurde.

Mittlerweile ist bekannt, dass Waffenlieferungen in die Ukraine zwar bis Ende 2022 von der Übergangsregierung in Bulgarien offiziell abgelehnt wurden, zeitgleich aber Rekordmengen von Munition für die sowjetische Ausrüstung der ukrainischen Armee und eine beträchtliche Menge an Treibstoff in die Ukraine geliefert wurden, die zu einer beispiellosen Konjunktur der bulgarischen Rüstungsindustrie führten.2 So legte beispielsweise der ehemalige Leiter des bulgarischen Rüstungsunternehmens Kintex, Alexander Mihailow in einem Interview mit Euractiv Bulgarien im November 2022 nah, dass das Jahr 2022 (…) mit einem Umsatzwachstum von 150 Prozent oder sogar 200 Prozent im Vergleich zu den stärksten Jahren des militärisch-industriellen Komplexes enden [könne], was der bulgarischen Wirtschaft und dem Staatshaushalt in Krisenzeiten erhebliche Einnahmen beschert[e].3 Auch die Exporte von Brennstoffen steigerten sich von Januar bis November 2022 im Vergleich zur Zeit vor dem Krieg in der Ukraine extrem.

Der Schwarzmeerraum und insbesondere auch Bulgarien geraten so immer weiter in den Strudel der sich dramatisch verschärfenden westlich-russischen Konflikte, wie im Folgenden beschrieben werden soll.

Gesamte Studie zum herunterladen hier