Unter dem Titel „Jihadismus als Motor lokaler Konflikte – Entstehung und Legitimität nichtstaatlicher Gewaltordnungen in Tillabéri (Niger)“ hat das Projekt „Megatrends Afrika“, das u.a. vom BMVg finanziert wird, ein Arbeitspapier von Lisa Tschörner veröffentlicht, die in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) tätig ist. Es handelt sich dabei um eine gut nachvollziehbare, kurze Geschichte des Djihadismus in Niger und Mali, bei der Religion so gut wie keine Rolle spielt. So heißt es etwa in den „Schlussfolgerungen“:
„Trotz der unterschiedlichen lokalen Wurzeln und Vorgehensweisen beider Gruppierungen konnten sich sowohl ISGS als auch JNIM in einem gesellschaftlichen Umfeld, das zunehmend von Gewalt geprägt war, erfolgreich als Schutz- und Ordnungsmacht etablieren; letztlich auch, indem sie das soziale Aufbegehren marginalisierter Gruppen ermöglichten. Militärische Antiterroreinsätze und der bewaffnete Widerstand lokaler Selbstverteidigungsgruppen konnten diese Dynamiken nicht aufhalten, sondern trugen im Gegenteil zu Radikalisierung und zur Eskalation von inter-ethnischen Konflikten bei.“
Eher ungewöhnlich für die SWP, hatte diese bereits im September vergangenen Jahres ein Interview der Autorin mit Moussa Tchangari (MT), Generalsekretär der nigrischen NGO Alternative Espaces Citoyens (AEC), veröffentlicht, in dem als Gründe für zivilgesellschaftliche Proteste nicht primär in russischer Desinformation genannt werden:
„MT: Die Mobilisierung der Bevölkerung liegt nicht primär an der Verbreitung von Desinformation, sondern an der Tatsache, dass fast 10 Jahre französische Militärpräsenz in der Region keine zufriedenstellenden Ergebnisse erbracht haben. Die Menschen fragen sich: Warum sollten wir so weitermachen wie bisher, wenn es doch nicht funktioniert? Sie argumentieren, dass die Franzosen die Mittel hätten, etwas zu verändern, aber dies nicht tun. Sie bezweifeln daher, dass Frankreichs Ziel wirklich der Kampf gegen den Terrorismus ist, und es verbreiten sich viele Grüchte. Dabei sollten wir uns in Wirklichkeit fragen, ob Militärinterventionen im Kampf gegen die bewaffneten Gruppen in unserem Land effektiv sein können. Im Gegensatz zu anderen denke ich nicht, dass wir bessere Ergebnisse erzielen, wenn wir einfach die Spieler austauschen. Wir sehen in anderen Fällen, zum Beispiel in Afghanistan, aber auch in unserer eigenen Geschichte, dass sich ein Krieg nicht allein mit Panzern, Drohnen und Flugzeugen gewinnen lässt. Es reicht nicht aus zu sagen, dass Barkhane nicht effizient war. Wir sehen heute, dass ein rein militärischer Ansatz versagt hat. Wir sehen, dass wir eine Alternative brauchen. Diese Alternative besteht zwangsläufig in der Suche nach politischen Lösungen.“