IMI-Standpunkt 2022/046

Verhandlungen im Ukraine-Krieg bleiben eine vernünftige Forderung

Gegen Denkverbote und militaristische Hysterie

von: Jens Wittneben | Veröffentlicht am: 2. November 2022

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Wer heute Verhandlungen in der Ukraine-Krise fordert, erntet nicht selten Kopfschütteln oder wird gar als Putin-Versteher verunglimpft. Ein kurzer Blick in die Zeitgeschichte zeigt allerdings, dass viele internationale Konflikte sogar von den USA durch Verhandlungen deeskaliert wurden. In diesem Bericht finden sich unten drei Fälle für Verhandlungen mit gewalttätigen, autokratischen Regimen. Deshalb bleibt die Forderung nach Verhandlungen zur Ukraine eine äußerst vernünftige Forderung. Jeder Tag ohne Diplomatie und (Vorbereitungen für) Verhandlungen rund um die Ukraine kostet daher unnötig Menschenleben.

Präsident Macron und Kanzlerin Merkel konnten Donald Trump nicht daran hindern, das Atomabkommen mit Iran zu kündigen. (FAZ 27.04.2018) „Soldaten der iranischen Revolutionsgarden stehen [… durch den Bürgerkrieg in Syrien] nahe der Grenze zu Israel.“ (FAZ 17.11.2017) Um Verhandlungen für eine Neuauflage des Atomabkommens mit Iran hat sich die EU aktiv bemüht und einen Gesandten nach Teheran geschickt. (FR 20.11.2021) Berlin und Brüssel verhandelten danach mit Vertretern des sogenannten Mullah-Regimes, das Oppositionelle und Frauen unterdrückt – doch im Fall des Regimes Putin soll das aussichtslos sein?

„Das Doha-Abkommen […] ist eine Friedensvereinbarung zwischen den USA und den Taliban, um den seit 2001 andauernden Krieg in Afghanistan zu beenden. Das Abkommen wurde am 29. Februar 2020 im katarischen Doha […] unterzeichnet. […] Die Vereinbarung regelt den Rückzug aller Truppen der USA und derer Verbündeten aus Afghanistan und enthält im Gegenzug Sicherheitszusagen der Taliban gegenüber den USA und den Verbündeten.“ (wikipedia) Wenn Washington mit den Taliban verhandelt hat, Taliban, die Oppositionelle und Frauen unterdrücken und Gegner mit Terrorangriffen töten, welchen moralischen Grund gibt es dann, nicht mit Putin und seinen Getreuen zu verhandeln?

Von 1950 bis 1953 führten Nord- und Südkorea einen Stellvertreterkrieg für China, Russland und die USA. Die Schlachten am Boden endeten 1951, es folgte ein Luftkrieg. Kim Il-sung, der kommunistische Autokrat Nordkoreas, hatte sein Militär durch Stalins Unterstützung mit sowjetrussischem Gerät modernisieren lassen. US-Generäle drangen damals gegen Washington – zum Glück vergeblich – auf den Einsatz von Atombomben.  Auch ohne Atomschläge sind 940.000 Soldaten und etwa drei Millionen Zivilisten getötet worden. „Nach zweijährigen Verhandlungen wurde am 27. Juli 1953 ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen.“ (wikipedia) Wenn US-Präsident Truman mit Chinas Mao Zedong und dem Nordkoreaner Kim Il-sung damals in Verhandlungen einen Waffenstillstand aushandeln konnten – warum sollten Biden und Putin das heute nicht können?

Wenn Berlin Verhandlungen verhindert, vergehen sich die Verantwortlichen an den Bevölkerungen Europas, der Ukraine und Russlands.

Quellen

„Der schlechteste Deal?“ Frankfurter Allgemeine Zeitung 27.04.2018

„Naher Osten : Droht ein Krieg gegen Israel?“ Frankfurter Allgemeine Zeitung 17.11.2017

„Der Westen will die Neuauflage des Atomdeals mit dem Iran –  Jerusalem wappnet sich dafür. Israels aufmerksames Misstrauen“ Frankfurter Rundschau 20.10.2021