IMI-Studie 2021/8
Der Wettstreit um Zentralafrika
Französische und russische Präsenz in der Zentralafrikanischen Republik
von: Milena Düstersiek | Veröffentlicht am: 11. Oktober 2021
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Seit beinahe zehn Jahren befindet sich die Zentralafrikanische Republik (ZAR) in einem andauernden Bürgerkrieg. In dem schon seit der Unabhängigkeit von gewaltsamen Auseinandersetzungen und Putschen geprägten Land geht es um mehr als um einen Konflikt basierend auf Ideologie, Religion oder Ethnie. Mit wachsender Präsenz und Einmischung anderer Staaten geht es in der ZAR auch um die Vormachtstellung und Einfluss in Zentralafrika, zwischen dem Westen auf der einen Seite und Russland, China und der Türkei auf der anderen Seite. Besonders die Spannung zwischen Frankreich und Russland kann man in der ZAR beobachten. The Sentry, ein journalistisches Rechercheteam, das zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsgewinnler in verschiedenen Konflikten Zentralafrikas ermittelt, bewertet die Lage in der ZAR so, dass dort ausländische Mächte einen Stellvertreterkrieg führen, „indem sie regionale und lokale Akteure ausnutzen, um ihre politischen, wirtschaftlichen und geostrategischen Ziele durchzusetzen.“ Demnach sollen Russland und Frankreich auf entweder pro-russische oder pro-französische Akteure zurückgreifen, um dort ihre eigenen geostrategischen und geopolitischen Interessen durchzusetzen.[1] Diese Akteure bestehen einerseits aus der Zentralafrikanischen Armee, die von Russland unterstützt wird (FACA) und aus einer neu geformten pro-französischen Rebellenkoalition (Coalition des patriotes pour le changement, CPC).
Warum sind Russland und Frankreich in der ZAR aktiv? Was sind ihre Einflussräume und ihre dahinterstehenden Interessen? Diese Studie soll diese Fragen beantworten. Sie wird im Folgenden die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen Frankreichs und diejenigen Russlands darlegen, um einen ersten Überblick der internationalen Verflechtung dieses sehr komplexen Konflikts zu schaffen.
Inhaltsverzeichnis
Kurze Darstellung des Hintergrunds – 2
Die Problematik der Beschaffung unvoreingenommener Informationen – 4
Russland – 4
Russische Waffen für die ZAR – 5
Wagner-Gruppe als Militärausbilder in der ZAR – 5
Russlands Wirtschaftsinteressen in der ZAR – 6
Frankreich -7
Frankreichs wirtschaftlicher Einfluss in der ZAR – 7
Frankreichs militärischer Einfluss in der ZAR – 9
Fazit – 10
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Kurze Darstellung des Hintergrunds
Seit Beginn ihrer Kolonialisierung 1910 und auch noch lange nach ihrer Unabhängigkeit war die ZAR abhängig vom französischen Staat und dieser intervenierte regelmäßig in den internen und regionalen Angelegenheiten Zentralafrikas. Die ZAR, damals Ubangi-Shari, gehörte von 1910 bis 1960 zum französischen Kolonialgebiet und bildete gemeinsam mit Französisch Kongo, Gabun und Französisch Kamerun die Region Französisch-Äquatorialafrika. Die Kolonie Ubangi-Shari war vor allem wegen ihrer wertvollen Rohstoffe für die französische Regierung interessant. Die Kolonialmacht verzichtete weitestgehend auf große Investitionen für den Ausbau der Infrastruktur und Städte vor Ort. Stattdessen verpachtete sie das Land der ZAR an unterschiedliche europäische Unternehmen und führte die einheimische Bevölkerung in die Zwangsarbeit. Anfang des 20. Jahrhunderts begannen die Einwohner sich gegen die Zwangsarbeit der europäischen Unternehmen und französischen Kolonialherren zu wehren und rebellierten. Dieser Aufstand führte zur Kongo-Wara-Rebellion (1928-1931), die aber schnell von der französischen Regierung niedergeschlagen wurde.[2]
Im Jahr 1946, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, verabschiedete die französische Regierung eine neue Verfassung. Sie verlieh den Einwohnern Ubangi-Sharis die volle französische Staatsbürgerschaft und erlaubte die Einrichtung lokaler Parlamente innerhalb der neuen Union française. Am 13. August 1960 erlangte Ubangi-Shari die formelle Unabhängigkeit von Frankreich und David Dacko wurde der erste Präsident in der nun umbenannten Zentralafrikanischen Republik. Im Dezember 1965 kam es mit Unterstützung der französischen Regierung zu einem Staatstreich und der Armee-Chef Jean-Bédel Bokassa ernannte sich zuerst zum Präsidenten und dann 1976 zum Kaiser des Zentralafrikanischen Kaiserreiches. Die Kosten seiner Kaiserkrönung, die Gerüchten zufolge die französische Regierung bezahlte, betrugen rund 20 Mio. US-Dollar, was dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt der damaligen ZAR entsprach. Aufgrund der weitverbreiteten Unterdrückung, der Menschenrechtsverletzungen und des angeblichen Kannibalismus in der ZAR durch Kaiser Bokassa war es 1979 wieder die französische Regierung, die im Rahmen der Operation „Barracuda“ Bokassa entmachtete und David Dacko zurück ins Amt des Präsidenten brachte.
In den folgenden Jahren griff Frankreich immer wieder in die zentralafrikanische Politik ein, indem es zentralafrikanische Präsidenten unterstützte und absetzte. Im Jahr 1997 aber verhandelte der ZAR-Präsident Ange-Félix Patassé die Abkommen von Bangui aus, um den Konflikt der 1990er Jahre zwischen Regierung und Rebellen zu beenden. Dieses Abkommen beinhaltete auch die Schließung der französischen Militärbasis in Bouar. 1998 zogen die französischen Soldaten aus Bouar ab. Frankreich blieb allerdings weiterhin militärisch stark im angrenzenden Tschad vertreten.
Im März 2009 wurden erneut französische Truppen in die zentralafrikanische Hauptstadt Bangui entsandt, nachdem es Berichte über die Übernahme der Stadt durch Rebellen gab, die den damaligen Präsidenten François Bozizé stürzen wollten. Infolge des 2012/2013 ausgebrochenen Konflikts zwischen den Milizen der Séléka und der Anti-Balaka, kehrten französische Truppen erneut in ZAR zurück, vorgeblich um die Gewalt zu stoppen und Zivilisten zu beschützen. Allerdings hatten die französischen Truppen nur wenig Einfluss auf die Konfliktsituation vor Ort. Um den Frieden zu erhalten, entsandte die französische Regierung 1.000 Streitkräfte und gepanzerte Fahrzeuge in die ZAR. Diese Militärmission lief unter dem Namen „Operation Sangaris“ und war die letzte direkte französische Intervention in der ZAR. 2016 endete die Mission „Sangaris“ und das französische Militär zog ab. Seitdem sind französische Soldaten in den multilateralen Missionen der UNO und der EU vertreten. Große Teile der Bevölkerung in der ZAR bezweifeln jedoch den angeblichen französischen Altruismus.
Die folgenden Jahre nutzte die russische Regierung, um den eigenen Einfluss im Land und in der Region zu vergrößern bzw. alte Partnerschaften aus der Zeit der Sowjetunion zu reaktivieren. Die Tatsache, dass russische Regierungen nie versucht haben, den afrikanischen Kontinent zu kolonialisieren, und dass die Sowjetunion unterschiedliche anti-kolonialen Kämpfe auf dem afrikanischen Kontinent unterstützte, kommt Russland dabei zugute. Mit der Unterstützung russischer „Ausbilder“, von denen einige auch zu der privaten Sicherheitsfirma Wagener-Gruppe gehören sollen, kontrolliert die ZAR-Regierung so viel Territorium, wie seit Beginn der Krise 2013 nicht mehr. Mittlerweile ist scheinbar auch das Überleben der ZAR-Regierung statt von französischer nun von russischer Unterstützung abhängig. Seit 2018 stellt die russische Regierung die französische Vormachtstellung in dem Land damit in Frage, was in Paris nicht überraschend zu Kritik an Moskau und der ZAR-Regierung führt. So bezeichnete z.B. der französische Präsident Emmanuel Macron den ZAR-Präsidenten Faustin-Archange Touadéra als „Geisel der Wagner Gruppe“. [3]
Als Antwort auf die russische Präsenz im Land haben sich sechs Rebellengruppen, auch aus ehemals verfeindeten Parteien hinter dem ehemaligen Präsidenten François Bozizé zu der Koalition Coalition des patriotes pour le changement (CPC) zusammengeschlossen. Dieses Netzwerk, an dem auch die „traditionellen pro-französischen Gruppen“[4] FPRC und UPC beteiligt sind, versucht die Macht in der ZAR wiederzuerlangen. Französische Militärnetzwerke unterhalten seit jeher enge Beziehungen zu Mitgliedern bewaffneter Gruppen, mit dem Ziel die Bildungen bestimmter Allianzen zu unterstützen und andere zu spalten, um die französischen Interessen zu fördern und russische Vorhaben zu vereiteln.[5] Touadéra wurde im Dezember 2020 mit 53% der Stimmen wiedergewählt. Diese Wahl war umstritten, weil gut 40% der Bevölkerung aufgrund von Rebellen-Aktivitäten nicht an der Wahl teilnehmen konnten und zusätzlich 600.000 muslimische Geflüchtete, die sich in den Nachbarländern der ZAR aufhalten, von der Wahl ausgeschlossen wurden.[6]
Die Problematik der Beschaffung unvoreingenommener Informationen
Die hiesige mediale Aufmerksamkeit, die jetzt dank dem Auftreten Russlands dem Konflikt geschenkt wird, berichtet sehr kritisch über Russlands Präsenz und die möglichen geopolitischen Hintergedanken der russischen Regierung. Dabei greifen sie oft auf eine moralisch binäre Berichterstattung zurück, in der die klassischen Feindbilder aus dem Kalten Krieg vom „bösen‘‘ Russland und vom „guten“ Westen/EU verwendet werden. Solch eine Form der Berichterstattung kann man besonders in Berichten über begangene Menschenrechtsverletzungen in der ZAR beobachten. Hier wird sehr ausführlich von den Verbrechen, die die UN den russischen Kräften vor Ort vorwirft, berichtet, während die Anschuldigungen gegenüber französischen „Peacekeepern“ des sexualisierten Missbrauchs, Menschenhandels, Kindesmissbrauchs und Zwangsprostitution weniger Aufmerksamkeit erfahren. Das mag wie ein klassischer Fall von „whataboutism“ klingen, allerdings trägt so eine eindimensionale Berichterstattung nicht dazu bei, dass die Leser neben den russischen Interessen auch die Interessen der EU oder die der anderen westlichen Kräfte im Land klar erläutern oder benennen können. Zudem verstärkt so eine Darstellung eine klassische Kalte-Kriegs-Rhetorik, in der Russland als das Land dargestellt wird, dessen Aktivitäten gegen die eigenen Interessen und Ideale gehen und gegen die man unbedingt gegensteuern muss. Sowohl Frankreich als auch Russland verwenden Strategische Kommunikation, in der beide Seiten mit verzerrten Darstellungen operieren, wobei insbesondere der russischen Seite – teilweise zurecht – Fake News vorgeworfen werden, wodurch der Westen moralische Überlegenheit und Objektivität für sich zu beanspruchen sucht. Diese medialen Umstände erschweren die unvoreingenommene Informationsbeschaffung und erschweren auch in dieser Studie die Erläuterung und Benennung westlicher, in diesem Fall französischer, Interessen in der ZAR.
Russland
Spätestens seit 2014, seitdem der Westen aufgrund der Krim-Krise Sanktionen gegen Russland erlassen hat, ist die russische Regierung darauf bedacht, anderswo auf der Welt neue Partner zu finden. Diese hat das Land auf dem afrikanischen Kontinent gefunden. „Russland kommt zurück nach Afrika“, wie Valery Zakharov, der jetzige Sicherheitsberater des zentralafrikanischen Präsidenten, sagte.[7] Russland hatte sich nach dem Zerfall der Sowjetunion lange auf dem afrikanischen Kontinent zurückgehalten, doch mit dem militärischen Rückzug Frankreichs und der USA aus Zentralafrika entstand eine Möglichkeit für die russische Regierung, ihren Einfluss wieder auszudehnen. „Die Franzosen sind als alte Kolonialmacht verhasst und die amerikanischen Truppen abgezogen. [Die ZAR] ist ein freies Land, das man sich nehmen kann“, sagt ein hoher UN-Sicherheitsbeamter in Bangui.[8] Demnach sei, wie Andrei Kermarsky, der Direktor des russischen Außenministeriums, sagt, die Kooperation afrikanischer Staaten mit Russland auch ein Weg, um „dem Druck der westlichen Länder entgegenzuwirken.“[9] Der Kreml setzt hierbei auf diplomatische, wirtschaftliche und militärische Mittel, um politischen Einfluss auf dem Kontinent zu gewinnen und neue Märkte zur erschließen. So lud Vladimir Putin 2019 in Sotchi zum Russland-Afrika-Gipfel ein – mit über 40 Staats- und Regierungschefs. Dort warb Putin für eine russisch-afrikanische Freundschaft und kündigte an, das Handelsvolumen mit den afrikanischen Ländern bis 2024 verdoppeln zu wollen.[10] Bis heute hat Russland gut 20 bilaterale Militärabkommen und milliardenschwere Waffengeschäfte geschlossen und bewirbt sich auch für große Bauprojekte, fördert die Kommunikation im Weltraum, erschließt Kohlenwasserstoffvorkommen und führt militärische Interventionen durch.[11]
Die Motive Russlands könnten auch strategischer Natur sein. Die ZAR liegt im geographischen Zentrum Afrikas und die Einrichtung eines Stützpunktes dort oder zumindest von Überflug- und Landungsrechten würde den Zugang zum Rest des Kontinents erleichtern. Russland hat seit 2020 auch eine Militärpräsenz im Sudan (nordöstlich der ZAR), der wiederum an Libyen und Ägypten grenzt, wo Russland ebenfalls präsent ist. Zudem hat Moskau kürzlich zugestimmt, Militärpersonal zur Wartung russischer Waffen in die Republik Kongo (im Südwesten der ZAR) zu entsenden.[12] Offenbar verfolgt die russische Regierung das Ziel, einen Einflusskorridor durch den afrikanischen Kontinent zu bilden. „Die Russen wollen sich in der ZAR durchsetzen, so dass sie eine Einflussachse durch den Sudan im Norden und nach Süden bis nach Angola haben“, sagte ein UN-Sicherheitsbeamter in Bangui[13]– eine spekulative, aber plausible Vermutung.
Russische Waffen für die ZAR
Die Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit waren in der ZAR von Putschen und Instabilität geprägt, und die internationalen Einsätze konnten keinen nachhaltigen Frieden schaffen. In diesem Kontext sieht der Kreml nun eine Chance, in der ZAR einen Fuß in die Tür des afrikanischen Kontinents zu bekommen. Russlands ZAR-Strategie passt auch zur globalen russischen Geostrategie, sich mit Hilfe seiner Waffenindustrie wieder zu einem wichtigen Akteur im politischen Weltgeschehen zu machen. Die russische Rüstungsindustrie besteht aus über 1.300 Unternehmen und rund zwei Mio. beschäftigten. Dadurch haben die boomenden Waffenverkäufe auch eine innenpolitische Komponente, denn sie tragen dazu bei, dass Putin sich selbst und seine Macht im eigenen Land festigen und stärken kann.[14]
Die Zusammenarbeit der beiden Länder – und damit Russlands Expansion in der ZAR – begann 2017, als Russland eine Sondergenehmigung vom Sicherheitsrat der UNO (UNSC) einholte, die es Russland erlaubte, der ZAR trotz Waffenembargo Waffen zu liefern. Die ersten Lieferungen begannen zwischen dem 26. Januar und 7. Februar 2018. Neun russische Transportflugzeuge landeten am M’Poko International Airport in Bangui und lieferten Waffen und Munition, die nach ihrer Ankunft schrittweise an die ebenfalls von Russland trainierten, nationalen Sicherheitskräfte verteilt wurden.[15] Neben der zentralafrikanischen Armee (FACA) erhielten auch die Polizei und Gendarmerie Waffen aus Russland. Aus einem Bericht von UN-Experten geht hervor, dass 2018 die Gendarmerie 127 Sturmgewehre und 73 Pistolen, die Polizei 97 Sturmgewehre und 10 Pistolen aus Russland erhielten.[16] 2019 lieferte Russland dann über 4.500 Waffen und mehr als 7 Mio. Munitionsladungen. Laut Expertenberichten deckten die Waffenspenden aus Russland und Frankreich (Frankreich hat 1.400 Sturmgewehre, die sie in Somalia beschlagnahmt haben, an die ZAR gespendet) 2018 und 2019 nahezu die gesamten Anforderungen der FACA an Kleinwaffen und leichten Waffen.[17] In seiner Rede auf dem Russland-Afrika Gipfel 2019 sagte Präsident Touadéra: „unser Bedarf an Kleinwaffen wurde nach Erhalt der zweiten Lieferung russischer Waffen gedeckt. Wir brauchen schwerere Waffen, um wirksame Streitkräfte in der Zentralafrikanischen Republik aufzubauen. Illegale bewaffnete Gruppen schmuggeln solche Waffen.“ So forderte er, dass „unsere russischen Partner uns tödliche Waffen mit einem Kaliber von mehr als 14,5 mm sowie gepanzerte Mannschaftstransporter, Schützenpanzer, Mörser und andere Artilleriewaffen liefern werden, die uns helfen werden, unsere Verteidigungs- und Sicherheitskräfte zu stärken.“[18]
Russland folgte dieser Aufforderung und lieferte im Oktober 2020 20 BRDM-2 gepanzerte Wagen mit aufgesetzten 14,5 mm Maschinengewehren und 20 7,62 mm Kalaschnikows, welche ebenfalls auf den gelieferten Wagen installiert werden können.[19]
Wagner-Gruppe als Militärausbilder in der ZAR
Das Abkommen zwischen Russland und der ZAR beinhaltet neben den Waffenlieferungen auch Ausbildungsmissionen zentralafrikanischer Soldaten durch russische Soldaten und Zivilisten.
Im Dezember 2018 belief sich diese Mission auf eine russische Präsenz mit fünf militärischen und 170 zivilen Ausbildern. Seitdem wurde die Mission schrittweise aufgestockt. Mittlerweile (Stand 18. April 2021) sind 532 bis 550 Ausbilder laut Russland in der ZAR. Bis Juni 2020 sollen russische Ausbilder bereits 4.200 Soldaten der FACA und 600 Polizisten ausgebildet und trainiert haben.[20] Das Experten-Gremium der UN stellte jedoch auch fest, dass mehrere Quellen die Zahl der russischen Ausbilder und Soldaten deutlich höher schätzten und von 800 bis 2.100 russischen Soldaten ausgehen.[21]
Neben den Ausbildern stellt Russland auch den Personenschutz des Präsidenten und weiterer Regierungsmitglieder. Zudem ist auch der Sicherheitsberater des ZAR-Präsidenten, Valery Zacharov, ein russischer Staatsangehöriger. Er besetzt damit einen Posten, der zuvor traditionell von einem französischen Staatsangehörigen besetzt worden war und verringert so den französischen Einfluss auf das Regierungsgeschehen im Land.
Laut dem Kreml sind die von Russland entsandten Ausbilder nicht an militärischen Operationen der FACA beteiligt, sondern ihre Rolle beschränke sich auf „die Ausbildung von FACA-Kadetten im Ausbildungszentrum Berengo in der Präfektur Lobaye sowie die Ausbildung von Polizei und Gendarmerie, den Transport von FACA-Truppen in die Einsatzgebiete, die beratende Unterstützung der FACA bei der Einsatzplanung, die logistische Unterstützung der FACA bei der Lieferung von Munition, Lebensmitteln, Wasser und Treibstoff sowie die Unterstützung bei der Organisation der medizinischen Evakuierung und der ersten Hilfe für verwundetes FACA-Personal während militärischer Operationen.“[22] Der Koordinator der russischen Ausbilder teilte dem Expertengremium auch mit, dass „alle Ausbilder die russische Staatsangehörigkeit besäßen und vom Verteidigungsministerium der Russischen Föderation aus einer Vereinigung von vor allem ehemaligen Militäroffizieren namens „The Officer’s Union for International Security“ rekrutiert worden seien.“[23] Obwohl Russland angibt, dass seine Soldaten nicht an operativen Einsätzen der FACA beteiligt sind, liegen dem Expertengremium zahlreiche Zeugenaussagen lokaler Beamter, der FACA, der internen Sicherheitskräfte und von Quellen auf Gemeindeebene aus verschiedenen Orten der ZAR vor, die eine aktive Beteiligung russischer Ausbilder an Kampfhandlungen vor Ort feststellten, wobei viele angaben, beobachtet zu haben, dass die russischen Ausbilder die FACA bei ihrem Vormarsch auf verschiedene Städte und Dörfer oft anführten, anstatt ihnen zu folgen.[24]
Neben den offiziellen russischen Ausbildern sollen sich laut Presseberichten auch russische Söldner einer privaten Sicherheitsfirma, der Wagner-Gruppe, in der ZAR aufhalten. Die Wagner-Gruppe erschien 2014 in der Ostukraine das erste Mal auf der Bildfläche. Es wird angenommen, dass die Wagner-Gruppe ein direkter Nachfolger der 2014 aufgelösten privaten russischen Sicherheitsfirma „Slavic Corps“ ist, die bereits in Syrien aktiv war. Laut russischem Gesetz ist die Gründung und Betreibung einer privaten Sicherheitsfirma in Russland verboten. Die Wagner-Gruppe ist demnach nicht in Russland registriert, genauer gesagt sie ist nirgends registriert und existiert de jure nicht.[25] Für ihre Einsätze in der Ostukraine wurden auch einige Anführer der Gruppe mit russischen Orden ausgezeichnet.[26] Diese Umstände deuten auf eine enge Verbindung zwischen der Wagner-Gruppe und der russischen Regierung oder zumindest auf eine Gutheißung dieser Gruppe durch die Regierung hin.
Die Verwendung privater Sicherheitsfirmen in solchen Kontexten wie in der ZAR können sowohl für die russische als auch für andere Regierungen nützlich sein. Eine private Sicherheitsfirma in eine Konfliktsituation zu entsenden, ist oft günstiger als das eigene Militär. Die Todesopfer solcher Missionen erscheinen entweder gar nicht oder nicht als offizielle eigene Kriegsopfer und zählen somit nicht zu den offiziellen Zahlen des Verteidigungsministeriums. Zudem erlaubt das „Schattendasein“ dieser Firmen Russland (oder anderen Staaten, die solche Firmen einsetzen) die eigene, eventuell illegale Präsenz in einem Konflikt zu verschleiern, indem solche Söldner als Privatpersonen und Freiwillige bezeichnet werden und nicht als offiziell von der Regierung eingesetzte Truppen.
Für die ZAR wird angenommen, dass sich hinter den offiziellen 170 Zivilisten, die die russische Regierung 2018 in das Land geschickt hat, vor allem Söldner der Wagner-Gruppe verbergen. In der ZAR sollen diese Söldner hauptsächlich mit der Ausbildung der lokalen Sicherheitskräfte, der Sicherung von Transportwegen und von Russland neu errichteten Krankenhäusern beauftragt sein. Allerdings gibt es auch Berichte, aus denen hervorgeht, dass russische Söldner sich aktiv an den Kampfhandlungen der FACA beteiligen. Außerdem wirft die UNO russischen Kräften schwere Menschenrechtsverletzungen in der ZAR vor.[27]
Russlands Wirtschaftsinteressen in der ZAR
Da die ZAR nicht aus eigener Staatskasse die russische Regierung für ihre Dienste – Waffenlieferungen und Soldatentraining – entlohnen kann, hat die zentralafrikanische Regierung in Form von der Vergabe von Schürfrechten an russische Unternehmen, besonders an das Unternehmen Lobaye Invest SARLU, bezahlt.[28] Laut einer CNN-Reportage sollen sowohl die Wagner-Gruppe als auch Lobaye Invest SARLU dem russischen Unternehmer Jewgeni Prigoschin gehören, der auch unter dem Spitznamen „Putins Koch“ bekannt ist.[29] Demnach sind Berichte von russischen Söldnern der Wagner-Gruppe, die Minen in der Zentralafrikanischen Republik bewachen, wenig überraschend. Allerdings wirft diese Verflechtung auch die Frage auf, inwieweit der russische Einsatz privaten Wirtschaftsinteressen dient, denn es gibt auch Berichte, denen zufolge sich russische Söldner mit zentralafrikanischen Rebellen getroffen und über Zugangsrechte zu weiteren Minen verhandelt haben sollen.[30]
Der Zugang zu natürlichen Rohstoffen ist für Russland von strategischem Interesse, denn Russland hat einen kritischen Mangel an bestimmten Rohstoffen, darunter Chrom, Mangan, Quecksilber und Titan, und steht vor der Erschöpfung seiner Reserven an anderen Rohstoffen, darunter Kupfer, Nickel, Zinn und Zink.[31] Aber auch der Waffenhandel ist für Russland ein erhebliches Wirtschaftsinteresse. Laut SIPRI war Russland zwischen 2012 und 2016 mit 35 Prozent der Waffenexporte in die Region der größte Waffenlieferant für Afrika.[32] Der Waffenexport ist ein lukratives Geschäft für das russische Wirtschaftswachstum, insbesondere vor dem Hintergrund anhaltender westlicher Sanktionen und einer stagnierenden Wirtschaft aufgrund des weltweiten Ölpreisverfalls. Sowohl bei der Militärtechnologie und -ausrüstung als auch bei der Ausbildung ist Russland eine alternative Quelle für die afrikanischen Länder.[33] Das Werben um die Obrigkeiten in der ZAR könnte Russland auch dabei helfen, Aufträge im benachbarten Tschad, Kamerun, der Demokratischen Republik Kongo, dem Sudan und dem Südsudan zu erhalten. Mit seiner Präsenz in der ZAR und den Waffenexporten, und -spenden schafft es Russland auch feste Wirtschaftsbeziehungen zur ZAR herzustellen, denn russische Waffen müssen gewartet, repariert und deren korrekte Verwendung beigebracht werden. Da Russland nun sowohl die Armee als auch die Polizei mit und an seinen Waffen ausrüstet und ausbildet, wird vermutlich die ZAR-Regierung auch in der Zukunft weiterhin russische Waffen verwenden und kaufen.
Ob Russlands Interessen an ihrem verstärkten Einfluss in der ZAR eher wirtschaftlicher oder geopolitischer Natur sind, lässt sich schwer sagen. Allerdings beweist Russland in der ZAR, dass es in der Lage ist, afrikanische Präsidenten gegen inneren Druck zu verteidigen und ihnen helfen kann, ihre Macht weiter auszubauen. Damit zeigt es sich als mächtige Alternative zu westlichen Interventionen, die wiederum neben der militärischen Komponente auch unter dem Deckmantel von „Menschenrechten“ und „Demokratisierung“ auf neoliberale Umstrukturierungen von Wirtschaft und Politik setzen. Durch Russlands Ansatz der „Nicht-Einmischung“ ausländischer Staaten in die interne Politik anderer, beinhalten russische Militärhilfen und -interventionen keinen Anspruch auf innenpolitische Reformen und einen Ausbau demokratischer Strukturen. Durch diese Gegebenheiten kann Russland geopolitisch sowohl auf lokaler Ebene als auch durch Partnerschaften auf internationaler Ebene wie bspw. in der UNO an Einfluss gewinnen.
Frankreich
Um die französischen geopolitischen und geostrategischen Interessen an der ZAR zu verstehen, muss man aufgrund von historischen und post-kolonialen Strukturen die Region Zentralafrika auch als Ganzes betrachten. Frankreich ist seit der Kolonialzeit dort die regionale Hegemonialmacht und möchte dies auch gerne bleiben. Vereinfacht lässt sich also sagen, dass als politische Weltmacht Frankreichs geopolitisches Interesse in der ZAR das gleiche ist, das realpolitisch alle Großmächte motiviert, sich globalpolitisch zu engagieren: Machtprojektion. Als Mitglied des UNSCs will Frankreich seine Position als internationaler „power broker“ nicht verlieren. Viele der verschiedenen Militärmissionen in der ZAR waren entweder einseitig von Frankreich oder im Rahmen einer multilateralen Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und/oder der EU organisiert, wobei Frankreich maßgeblich an den UN-Resolutionen und EU-Operationen zur ZAR beteiligt war und/oder diese konzeptionell geprägt hat.[34] Dadurch präsentiert Frankreich sich als die zuständige Weltmacht für Zentralafrika gegenüber anderen Mächten, die daraufhin Frankreichs Vormachtstellung anerkennen sollen. Auch die USA haben in den vergangenen Jahren durch kleine Einsätze (wie der 2017 beendete Militäreinsatz der USA in Uganda und dem Südosten der ZAR zur Festnahme Joseph Konys) und zahlreiche Militärabkommen versucht, ihren Einfluss in der Region zu verstärken,[35] allerdings waren diese Einsätze lediglich eher kleine lokale Militäroperationen. So etabliert sich Frankreich als konstanter und bedeutendster Anbieter von so genannter Sicherheit vor Ort und auf internationaler Bühne.
Frankreichs wirtschaftlicher Einfluss in der ZAR
Ein wichtiger Arm der französischen Machtprojektion in Zentralafrika ist die Währungskontrolle über den CFA-Franc. Um die eigenen Kolonien während der Kolonialzeit neben den eigenen Besitzansprüchen auch wirtschaftlich, kulturell, sprachlich und politisch enger an Frankreich zu binden, brachte Frankreich seine Kolonialgebiete in ein ausbeuterisches Abhängigkeitsverhältnis und führte als Teil dessen die gemeinsame koloniale Währung, den CFA-Franc, ein. Dieses Abhängigkeitsverhältnis besteht durch die CFA-Franc Währungsunion in vielen frankophonen afrikanischen Ländern noch bis heute fort. Dieses Abhängigkeitsverhältnis hat nur zu einer partiellen Dekolonialisierung der ehemaligen französischen Kolonien in Afrika geführt und hat Frankreichs ausbeuterische wirtschaftliche Präsenz in der Region bis heute erhalten.[36]
Die massive Überbewertung des CFA-Franc bedeutet eine de facto Subventionierung von Importen und gleichzeitig eine Steuer auf Exporte. Demnach ist der Aufbau einer funktionierenden Industrie in der ZAR kaum möglich. Zudem bedeutet die feste Bindung des CFA-Franc an den Euro für die französischen Unternehmen, die in der ZAR tätig sind, dass ihre Interessen effektiv vor Abwertung der gemeinsamen Währung geschützt sind, während die Konvertibilität und die Grundsätze der unentgeltlichen Übertragung, ihre Gewinnrückführung aus der ZAR nach Europa erleichtern.[37]
Frankreich ist bis heute der wichtigste Handelspartner für die ZAR. Im Jahr 2018 gingen von dort 33,37% der Exporte nach und kamen 42,61% der Importe aus Frankreich. Den größten Anteil des französischen Imports aus der ZAR hatte in den Jahren 2018 (90.55%) und 2019 (85,98%) Holz. (Auch Deutschland importierte in den Jahren 2018 und 2019 Holz im Wert von knapp 1,4 Mio. (2018) und 1,14 Mio. (2019) US-Dollar aus der ZAR.[38]) Was die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs betrifft, so ist die Bedeutung des Handelsvolumens zwischen der ZAR und Frankreich für die französische Wirtschaft zwar vernachlässigbar und der transnationale französische Konzern Areva, der 2008 ein Abkommen mit der ZAR über den Abbau von Uran im Osten des Landes unterzeichnet hatte, hat auf Grund von Korruptionsskandalen sein Vorhaben vorerst aufgegeben – aber Frankreich hat noch immer wirtschaftliche Interessen zu schützen. Zu diesen gehören auch die über 20 französischen Unternehmen in der ZAR, unter anderem Orange, der französische Telekommunikationsanbieter, und die Bolloré-Gruppe, die den Containerhafen in Bangui[39] betreibt. Durch den Schutz dieser wirtschaftlichen Interessen in strategisch wichtigen Bereichen wie Kommunikation und Handelsschifffahrt hofft Frankreich, die Verbindungen zur ZAR in einer Zeit aufrechtzuerhalten, in der der afrikanische Kontinent der wirtschaftlich am schnellsten wachsende Kontinent der Erde ist.[40]
Dass französische Wirtschaftsinteressen in der ZAR eine wichtige Rolle spielen, kann man auch an einigen der französischen Holzeinschlagsunternehmen oder deren Subunternehmen in der ZAR erkennen, die während der Hochphase des Konflikts 2013-2014 bewaffnete Rebellengruppen finanziell im Austausch gegen ungehinderten Export unterstützt haben sollen.[41] Frankreich und die EU erlaubten weiterhin, trotz fragwürdiger Legalität des Holzes, den Import von Tropenholz aus der ZAR. Ein weiteres Beispiel ist eine zentralafrikanische Zuckerrohrplantage und -raffinerie, die zum französischen Konzern Castel gehört. Diese soll bis März 2021 ebenfalls bewaffnete Rebellengruppen im Austausch gegen sicheren Handel unterstützt haben. Dazu kommt noch, dass die Rebellengruppe aktiv die Ware von konkurrierenden Zuckerschmugglern konfisziert und diese Ware gemeinsam mit der Raffiniere unter dem Label der Zuckerfirma neu verkauft haben soll. Trotz Berichten über die Zusammenarbeit zwischen dem ZAR-Subunternehmen und den UPC-Rebellen, die unter anderem bekannt für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind, schritt die Unternehmensführung und auch der Mutterkonzern Castel nicht ein. Sollten sich diese Vorwürfe bewahrheiten, verstieß Castel damit ungestraft gegen französisches Recht und trägt eine Mitverantwortung für begangene Menschenrechtsverletzungen in der ZAR.[42]
Durch den breiten Einfluss, den die französische Regierung durch die Strukturen des CFA-Francs auf dem afrikanischen Kontinent genießt, haben die Interessen Frankreichs an der ZAR demnach vor allem regionale Gesichtspunkte. Mit ihrer geographischen Lage in der Mitte Afrikas nimmt die ZAR aber auch eine wichtige geostrategische Position ein, denn dadurch grenzt sie entweder direkt an oder liegt in der Nähe von Ländern, in denen Frankreich vielfältigere Wirtschaftsinteressen hat wie zum Beispiel Kamerun, Tschad, Republik Kongo und Gabun.[43] Weiteres Chaos in der ZAR, wie der Zusammenbruch des Staates 2013-2014, könnte das Land noch attraktiver als Rückzugsort für die zahlreichen regionalen bewaffneten Gruppen aus dem Tschad, dem Sudan und der Demokratischen Republik Kongo machen, die so auch die französischen Interessen in anderen Ländern untergraben könnten.
Frankreichs militärischer Einfluss in der ZAR
Frankreichs Militäraktivitäten in Afrika sind derzeit nicht auf Zentralafrika konzentriert. Dennoch reichen einige Operationen, wie die auslaufende „Operation Barkahne“ in der Sahel-Region, bis an den Tschad-See heran und betreffen so, neben Tschad, auch Kamerun. Dadurch spielt Zentralafrika weiterhin eine strategische Rolle, denn die geschlossenen Militärabkommen zwischen Frankreich und seinen ehemaligen Kolonien, die Frankreich das Recht auf freien Durchgang sichern, ermöglichen es dem französischen Militär, flexibel und schnell seine Truppen durch die Region zu bewegen und gegebenenfalls Truppen aufzustocken. Neben diesen Abkommen unterhält Frankreich auch große Militärbasen wie in Gabun und im Tschad. Auch in der ZAR hatte Frankreich seit der Unabhängigkeit 1960 bis 2016 und dem Ende der „Operation Sangaris“ beinahe durchgängig Truppen im Land stationiert. Selbst nach dem Ende der „Operation Sangaris“ und dem Abzug französischer Soldaten verblieben ca. 300 französische Streitkräfte in Bangui und Frankreichs damaliger Verteidigungs- und heutiger Außenminister Jean-Yves Le Drian schwor, dass die französischen Truppen weiterhin bereit wären, in dem Land erneut zu intervenieren.[44]
Trotz des Truppenabzugs macht die französische Regierung weiterhin ihren militärischen Einfluss in der ZAR deutlich. Am 9. Januar 2021 ordnete die französische Regierung eine Überflugmission über der ZAR an. Das Büro des französischen Präsidenten gab an, dass die Mission auf „Ersuchen des Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik, Faustin-Archange Touadéra und mit Genehmigung der Friedensmission der Vereinten Nationen (MINUSCA) im Land stattfand.“[45]
Auch ohne direkte französische Militärpräsenz bleibt Paris weiterhin einflussreich in der ZAR. Frankreich gehörte bis Juni 2021 zu den größten Gebernationen von humanitärer- und Entwicklungshilfe an die ZAR. Trotz des wachsenden Einflusses Russlands buhlt die französische Regierung auch in den sozialen Netzwerken um ihren Einfluss in der ZAR. Im Vorlauf der Wahlen, die für Dezember 2020 angesetzt waren, kam es vor allem auf Facebook zu einer Einflussnahme, die vom Standford Internet Observatory und Graphika als „Troll vs. Troll“ Operationen bezeichnet wurde. Dort sollen Mitglieder des französischen Militärs über Fake-Profile Falschinformationen und pro-französische Propaganda verbreitet haben. Zusätzlich sollen sie aktiv gegen russische Einflussoperationen vorgegangen sein, mit dem Ziel diese als „Fake News“ und Internet-Trolls zu enttarnen. Teil dieser Kampagne war auch die Darstellung der militärischen Unterstützung Russlands als ein neokoloniales Unterfangen Moskaus, das nur zur wirtschaftlichen Bereicherung russischer Oligarchen dienen soll.[46]
Im Juni 2021 gab die französische Regierung bekannt, dass sie sowohl die militärische als auch die finanzielle Unterstützung an die ZAR einstellen werde. Grund dafür soll einerseits die Nichtachtung einer Opposition durch die Regierung sein und andererseits deren Versagen, die „massiven Desinformationskampagnen“ gegen Frankreich zu stoppen.[47]
Die jüngsten Ereignisse zeigen, dass die französische Regierung nicht gewillt ist, das Feld, bzw. die ZAR „kampflos“ Moskau zu überlassen. Die Überflugmission soll sowohl der ZAR-Regierung als auch der russischen Regierung zeigen, dass das französische Militär weiterhin bereit und willig ist, schnell wieder in der ZAR aktiv zu werden. Auch die digitale Kriegsführung gegen russische Trolls auf Facebook zeigt, dass Frankreich bemüht ist, in der Bevölkerung eine anti-russische und pro-französische Stimmung aufzubauen, um durch ein verbessertes Ansehen in der Bevölkerung einen größeren Einfluss in der Politik wieder herzustellen. Zudem würde eine anti-russische Stimmung den amtierenden Präsidenten aktiv unter Druck „von unten“ setzen, wenn sich die Bevölkerung vermehrt kritisch gegen die enge Verbindung der amtierenden Regierung mit Russland äußern könnte. Ein Abwenden der ZAR-Regierung von Russland würde dann wieder Platz für verstärkten französischen Einfluss in der ZAR schaffen.
Fazit
Russlands Einflussraum in der ZAR beschränkt sich derweil hauptsächlich auf den Sicherheitsbereich. Es bildet sowohl die Armee als auch die Polizei und Gendarmerie aus und versorgt diese auch mit russischen Waffen. Zudem ist es aktiv involviert in die Planung und Ausführung von Militäroperationen und betreibt die Logistik für die zentralafrikanische Armee. Darüber hinaus berät Russland auch die Regierung und den Präsidenten in Sicherheitsfragen und stellt gleichzeitig den Personenschutz des Präsidenten. Neben dem Sicherheitsbereich nimmt Russland allerdings auch zunehmend Einfluss auf die Kultur und Zivilgesellschaft der ZAR. So finanzierte das Unternehmen von Prigoschin, der auch die Wagner-Gruppe essentiell unterstützt, einen Schönheitswettbewerb (Miss Zentralafrikanische Republik). Außerdem unterhält Russland auch einen eigenen lokalen Radiosender, veranstaltet Sportveranstaltungen, Filmscreenings und Kulturinitiativen wie Gedichts- und Malwettbewerbe.[48] Russlands verstärkten Einfluss in der Zivilgesellschaft und die eher skeptische Haltung der ZAR-Bevölkerung der UNO-Mission und Frankreich gegenüber halfen der russischen Regierung, den eigenen Einfluss auszubauen.
Für Russland geht es in der ZAR darum, sich als starker nicht-westlicher Partner zu präsentieren. Russland demonstriert in der ZAR, wie auch in Libyen und Syrien, dass es in der Lage ist, autoritäre Präsidenten gegen innenpolitischen Druck zu unterstützen, womit es nahe an den Interessen lokaler Potentaten ist. Russland macht für sich als Alternative zu westlichen Unterstützern in der ZAR Werbung und könnte so das Interesse anderer autoritärer Regierungen wecken, um so weiteren Einfluss in der Region zu erlangen und ggf. Frankreich den Rang abzulaufen. So eine Dynamik ist aktuell auch in Mali zu beobachten, wo die malische Regierung mit Mitgliedern der Wagner-Gruppe über Personenschutz und Militärtraining verhandeln soll. Wie in der ZAR sind, neben der französischen Militäroperation, sowohl eine von der UNO als auch der EU geführten Militärmissionen in Mali präsent. Diese konnten bisher keine nennenswerte Verbesserung der Situation in Mali herbeiführen – eher im Gegenteil. Dadurch sieht die malische Bevölkerung die Missionen Frankreichs, der EU und der UNO auch zunehmend kritisch. Russische „Ausbilder“ könnten, wie zuvor auch in der ZAR, die Position des Präsidenten festigen und ihn gegen die verschiedenen Kräfte im Land verteidigen.
Diese Entwicklungen zeigen, dass es folglich auch in Russlands Interesse liegt, durch zunehmende Militärabkommen die westliche Militärdominanz auf dem afrikanische Kontinent zu verringern, die – in diesem Fall frankophonen – Länder weniger abhängig von Europa oder der USA zu machen und so sowohl lokal als auch global und regional weiteren Einfluss zu gewinnen.
Frankreichs Einfluss in der ZAR ist nach dem Abzug der französischen Truppen und dem wachsenden Einfluss Russlands vor allem noch wirtschaftlicher Natur. Durch die anhaltende Kontrolle des CFA-Francs und seinem de facto Vetorecht im CEMAC-Vorstand hat Frankreich einen weitreichenden Einfluss auf die wirtschaftliche Gestaltung der Zentralafrikanischen Republik. Zudem sind viele französische Unternehmen in der ZAR tätig und Frankreich hat durch die Unabhängigkeitsabkommen weiterhin privilegierten Zugang zu Rohstoffen. Sowohl militärisch als auch politisch ist Frankreich weiterhin durch die EU-Mission im Land einflussreich.
Für Frankreich geht es in der ZAR darum, die eigene Vormachtstellung zu verteidigen. Durch zurückgehende Partnerschaften schwindet Frankreichs internationaler Einfluss und demnach auch seine Stellung in der internationalen Politik. Dazu kommt, dass enge politische Partnerschaften auch zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit führen und ohne Frankreichs privilegierte Position in seinen ehemaligen Kolonien auch Frankreichs Wirtschaftskraft schwindet. Daher nimmt Frankreich Russlands Präsenz in der ZAR als eine Bedrohung der eigenen Stellung in der Region wahr. Darum möchte Frankreich Russlands Einfluss vor Ort verringern und dem potentiell wachsenden internationalen Einfluss, den Russland durch die ZAR gewinnen könnte, zuvorkommen.
Demzufolge geht es sowohl Russland als auch Frankreich nicht primär um die ZAR selbst. Vielmehr geht es um den regionalen Einfluss und den Stand beider Länder in einem sich ökonomisch schnell entwickelnden Kontinent. Nicht nur für Russland, sondern auch für Frankreich sind enge Partnerschaften in dieser Region von Bedeutung, denn mit diesen kommen sowohl politische als auch militärische Vorzüge wie strategische Truppenplatzierungen und Militärbasen als auch die politische Unterstützung auf internationale Bühne. Die Ansätze der Militärmissionen des Westens und Russlands sind in ihren Grundzügen sehr ähnlich. Beide Parteien setzen auf die Ausbildung lokaler Streitkräfte und Beratungen in Sicherheitsfragen. Basierend auf den eher fehlenden Erfolgen des Westens mit dieser Strategie bleibt allerdings die Frage offen, wie erfolgreich Russland mit dieser Taktik auf Dauer sein wird. Frankreich scheint sich mit diesem Ansatz auf dem afrikanischen Kontinent übernommen zu haben, versucht deshalb Unterstützung in EU und NATO zu mobilisieren und muss doch – wie es scheint – immer wieder Truppen abziehen bzw. laufende Missionen beenden, ohne dabei keine militärischen Erfolge vorweisen zu können. Durch die sich schnell ausdehnende Militärpräsenz Russlands besteht die Möglichkeit, dass auch Russland schlussendlich in dieselbe Falle tappen könnte.
Für die ZAR führt das zunehmende Nullsummendenken beider Staaten nun zu einem Wettkampf, der auf ihrem Boden ausgetragen wird, was weder zu einer Lösung und/oder Befriedung des Konflikts noch zu einer Verbesserung der Lebensumstände der Zentralafrikaner beiträgt.
[1] Dukhan, Nathalie: State of Prey Proxies, Predators, and Profiteers in the Central African Republic, S.8, Oktober 2020
[2] Britannica, History of the Central African Republic
[3] Melly, Paul: Macron’s blunt style may harm bid for new African chapter, 3.6.2021, bbc.com
[4] Dukhan, Nathalie State of Prey: Proxies, Predators, and Profiteers in the Central African Republic, S.11, Oktober 2020; Lechner, John A./ Lamarche, Alexandra: Outside Powers Are Making the Conflict in the Central African Republic Worse, 22.1.2021, foreignpolicy.com
[5] Dukhan, Nathalie: State of Prey: Proxies, Predators, and Profiteers in the Central African Republic, S.10, Oktober 2020; Lechner, John A./ Lamarche, Alexandra: Outside Powers Are Making the Conflict in the Central African Republic Worse, 22.1.2021, foreignpolicy.com
[6] Lechner, John A./ Lamarche, Alexandra: Outside Powers Are Making the Conflict in the Central African Republic Worse, 22.1.2021, foreignpolicy.com
[7] Lister, Tim/ Shukla Sebastian/ Ward, Clarissa: Putin’s Private Army, 2019, cnn.com
[8] Losh, Jack/ Mathews, Owen: ‚Battle for Africa‘: Russia Pushes Into ‚Free Country for the Taking‘ In Attempt to Rival the West, 9.8.2018, newsweek.com
[9] Ebd.
[10] Kinpp, Kersten; van Eyssen, Benita: Putins afrikanische Ambitionen, 23.10.2019, dw.com
[11] Losh, Jack/ Mathews, Owen: ‚Battle for Africa‘: Russia Pushes Into ‚Free Country for the Taking‘ In Attempt to Rival the West, 9.8.2018, newsweek.com
[12] Marten, Kimberly: Russ-Afrique? Russia, France and the Central African Republic, PONARS Eurasia Policy Memo No. 608, S.5, August 2019
[13] Losh, Jack/ Mathews, Owen: ‚Battle for Africa‘: Russia Pushes Into ‚Free Country for the Taking‘ In Attempt to Rival the West, 9.8.2018, newsweek.com
[14] Ebd.
[15] United Nations Security Council: Midterm report of the Panel of Experts on the Central African Republic extended pursuant to Security Council resolution 2399 (2018), S.8, 23.7.2018 S/2018/729
[16] United Nations Security Council: Final report of the Panel of Experts on the Central African Republic extended pursuant to Security Council resolution 2399 (2018), S. 42, 14.12.2018 S/2018/1119
[17] United Nations Security Council: Final report of the Panel of Experts on the Central African Republic extended pursuant to Security Council resolution 2454 (2019), S.35 , 6.12.2019, S/2019/930
[18] Ebd. S.182
[19] United Nations Security Council: Midterm report of the Panel of Experts on the Central African Republic extended pursuant to Security Council resolution 2536 (2020), S.18, 27.1.2021, S/2021/87
[20] United Nations Security Council: Final report of the Panel of Experts on the Central African Republic extended pursuant to Security Council resolution 2507 (2020), S. 15-16, 8.7.2020 S/2020/662
[21] United Nations Security Council: Final report of the Panel of Experts on the Central African Republic extended pursuant to Security Council resolution 2536 (2020), S. 19, 25.6.2021 S/2021/569
[22] Ebd.
[23] Ebd.
[24] Ebd.
[25] Center for Strategic & International Studies: Band of Brothers: The Wagner Group and the Russian state 21.9.2020 csis.org
[26] Kimberly Marten (2019) Russia’s use of semi-state security forces: the case of the Wagner Group, Post-Soviet Affairs, 35:3, S. 185, 195
[27] UN Geneva: Central African Republic: Rights experts concerned over ‘Russian advisers’ and close contacts with UN peacekeepers 31.3.2021 ungeneva.org
[28] Lister, Tim/ Shukla Sebastian/ Ward, Clarissa: Putin’s Private Army, CNN, 2019, cnn.com
[29] Ebd.
[30] Dornblüth, Gesine/ Rühl, Bettina: Putins Schattenarmee: Russische Söldner in Afrika, Deutschlandfunk,14.2.2020; deutschlandfunk.de
[31] Hedenskog, Jakob: Russia is Stepping Up its Military Cooperation in Africa, FOI Memo 6604, December 2018
[32] SIPRI Factsheet 2017: Trends in International Arms Transfers, 2016, S.5, Februar 2017, sipri.org
[33] Hedenskog, Jakob: Russia is Stepping Up its Military Cooperation in Africa, FOI Memo 6604, December 2018
[34] Mattheis, Frank: How to wield regional power from afar: a conceptual discussion illustrated by the case of France in Central Africa, S. 10, International Politics, 25.08.2021
[35] Serafino, Nina: The Global Peace Operations Initiative: Background and Issues for Congress, Congressional Research Service, 11.6.2009, crs.gov
[36] Samba Sylla, Ndongo: Monetary imperialism in Francophone Africa: an Interview with Ndongo Samba Sylla, 24.7.2019 africasacountry.com
[37] Taylor, Ian: France à fric: the CFA zone in Africa and neocolonialism, Third World Quarterly, 2019, 40:6, S. 2065
[38] WITS: Central African Republic Imports, Tariffs by country 2018; WITS: Central African Republic Exports by country 2018; WITS: France Product Imports from Central African Republic 2018; WITS: France Product Imports from Central African Republic 2019; WITS: Germany Product Imports from Central African Republic 2018; WITS: Germany Product Imports from Central African Republic 2019
[39] Die ZAR ist für die Kommunikation und den Handel auf die Wasserwege (den Ubangi und andere Flüsse) angewiesen. Etwa fünf Siebtel des internationalen Handels werden auf Flüssen abgewickelt. Die Ubangi-Mittelkongo-Route ist die zentrale internationale Transportverbindung mit der Außenwelt. Sie ist die meiste Zeit des Jahres schiffbar und führt vom Containerhafen in Bangui nach Brazzaville im Kongo. Von dort aus werden die Waren mit der Eisenbahn zum kongolesischen Atlantikhafen Pointe-Noire transportiert. (Quelle: https://www.britannica.com/place/Central-African-Republic/Economy )
[40] Beninga, Paul-Crescent/ Manga Essama, Déflorine Grâce et al.: Persistence of the Crisis in the Central African Republic: Understanding in order to Act, S.15 Friedrich Ebert Stiftung, 2018; Bremer, Patrick, Die wirtschaftliche Lage in Afrika: Zwischen Aufschwung und andauernden Herausforderungen: Eine Analyse anhand der Handelsverflechtungen mit Baden-Württemberg und Deutschland, Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2016 statistik-bw.de
[41] Global Witness: Blood Timber: How Europe Helped Fund War in the Central African Republic, Juli 2015, globalwitness.org
[42] The Sentry: Cultivating Atrocities French Sugar and Beverage Giant Castel Group Linked to the Funding of Brutal Militias in Central African Republic, August 2021, thesentry.org
[43] Beninga, Paul-Crescent/ Manga Essama, Déflorine Grâce et al.: Persistence of the Crisis in the Central African Republic: Understanding in order to Act, S.15 Friedrich Ebert Stiftung, 2018
[44] Deutschew Welle: France pulls out of Central African Republic, 31.10.2016, dw.com
[45] Al Jazeera: French jets fly over CAR as tens of thousands flee vote tensions, 9.1.2021 aljazeera.com
[46] Grpahika; Stanford Internet Observatory: More-Troll Kombat French and Russian Influence Operations Go Head to Head Targeting Audiences in Africa, 15.12.2020 graphika.com
[47] Charlton, Angela: France freezes military ties with Central African Republic, 8.6.2021 apnews.com; Reuters: France suspends aid, military support for Central African Republic, 9.6.2021reuters.com
[48] Russia’s Activities in Africa’s Information Environment: Case Studies: Mali And Central African Republic, S.24-25, NATO Strategic Communications Centre of Excellence, 4.3.2021 stratcomcoe.org