IMI-Standpunkt 2021/010 - in: Zivilcourage 1-2021
Angriff auf linke Friedenspolitik
Linke-Politiker Matthias Höhn legt Konzept vor, das dem Parteiprogramm widerspricht
von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 24. Februar 2021
Zum Jahresanfang hat Matthias Höhn, Bundestagsabgeordneter der Linken, ein „Diskussionsangebot“ gemacht, wie „linke Sicherheitspolitik“ künftig aussehen soll. „Linke Antworten auf der Höhe der Zeit“ forderte er in einem Positionspapier. Tatsächlich legt Matthias Höhn die Axt an zentrale friedenspolitische Positionen der Linken.
Die Linksfraktion im Bundestag wendet sich programmgemäß strikt gegen den Umbau der EU zu einer Militärmacht. Als einzige Fraktion sagt die Linke konsequent Nein zu den millionenschweren Rüstungsprojekten dieser Bundesregierung. Die Linksfraktion ist gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr und kämpft gegen das aberwitzige Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Ohne Die Linke würden diese zentralen friedenspolitischen Positionen im Bundestag gar nicht vorkommen.
Fatalerweise setzt Matthias Höhn genau hier an: „Die EU muss sich als politischer Akteur mit eigenständigen Interessen, Zielen und Werten verstehen und auch als solcher agieren“, fordert er. Deshalb müssten sich Linke über „Ziele und Mittel einer europäischen Sicherheitspolitik“ verständigen. „Für DIE LINKE sind Verteidigungspolitik und EU derzeit jedoch zwei unvereinbare Dinge. Das ist ein Fehler“, behauptet Höhn.
Damit übernimmt Höhn komplett Positionen, wie sie bei SPD oder Grünen (programmatisch) vertreten werden, das ist wohl auch Zweck der ganzen Übung. Diese Positionen wollen den Umbau der EU in eine Militärmacht mittragen und vorantreiben. Höhn beklagt durchaus in seinem Papier das Verhalten von Großmächten, denen es nur „um geopolitische Einflusssphären und wirtschaftliche Interessen“ gehe und die „für den eigenen Vorteil internationale Regeln (…) brechen“. Er nennt namentlich aber nur die Vereinigten Staaten, Russland und China. Bezüglich der EU schürt er dagegen unglaubliche Illusionen. Er missachtet völlig, dass auch die EU ein großer geopolitischer Akteur ist mit ökonomischen und militärischen Interessen. Das ist nichts anderes als illusionäre Realpolitik.
Ein Dorn im Auge ist Matthias Höhn auch das strikte Nein zu Rüstungsprojekten der Bundeswehr. „In den zurückliegenden Legislaturperioden hat die Linksfraktion nahezu keiner Beschaffung für die Bundeswehr, von der persönlichen Ausrüstung bis zum Kampfflugzeug, zugestimmt“, klagt er. Das stimmt. Genau das ist ein wesentlicher Punkt, auf den ich auch weiterhin drängen werde. Denn wir sind mit dem ganzen Kurs der Bundeswehr nicht einverstanden und dringen im Parlament auf Abrüstung. Denn die 53 Milliarden Euro, die diese Hochrüstung 2021 kostet, fehlen natürlich im zivilen Sektor, etwa zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.
Es wäre daher auch keine Lösung, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato durch ein „1-plus-1-Prozent-Ziel“ zu ersetzen – 1 Prozent Entwicklungszusammenarbeit, 1 Prozent Militär, wie Matthias Höhn das vorschlägt. Denn das wäre immer noch deutlich zu viel. Ein Prozent wären 2020 bei einem – wegen Corona leicht gesunkenen – Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 3,32 Billionen Euro immer noch 33 Milliarden Euro. Der ideale Verteidigungshaushalt von Matthias Höhn wäre in etwa so hoch wie der Verteidigungshaushalt von 2016, der bei 34,3 Milliarden Euro lag. Und er wäre sogar um 10 Milliarden Euro größer als im Jahr 2000, als der Etat 24,3 Milliarden Euro betragen hatte. Also: Kein vernünftiger Abrüstungsvorschlag.
Ein Prozent des BIP für die Bundeswehr bedeutet also weiterhin enorme Militärausgaben. Hinzu kommt: Den Militäretat an das BIP anzubinden, ist an sich unsinnig. Denn dann steigt der Bundeswehr-Etat immer entsprechend der Wirtschaftsleistung, ohne dass friedenspolitische Erwägungen auch nur angestellt werden müssten. Das wäre sozusagen automatisierte Aufrüstung.
Auch Auslandseinsätze schließt Höhn in Bezug auf EU und UN keineswegs aus, er plädiert lediglich für einen „Schwerpunkt auf der Landesverteidigung“.
Insgesamt ist der Text ein Angriff auf die programmatischen Grundlagen linker Friedenspolitik. Matthias Höhn will eine grundlegende, aber falsche Wende.
Die gute Nachricht ist: Was Matthias Höhn da schreibt, ist eine Einzelmeinung, in der Linken gibt es dafür keine Mehrheiten. Die Linke steht zu ihrem gültigen Parteiprogramm, dem Erfurter Programm von 2011, ist gegen die Militarisierung der EU und setzt sich „für eine schrittweise Abrüstung der Bundeswehr“ ein.
Auch der Parteivorstand der Linken hat sich am 23. Januar hinter das Erfurter Programm gestellt und unter anderem eine europäische Armee klar abgelehnt. Drei Tage später war das Papier auch Thema in der Sitzung der Bundestagsfraktion. Dort verwies auch der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch auf den Beschluss des Parteivorstandes und ging nach nur wenigen Redebeiträgen zu anderen Tagesordnungspunkten über. All das zeigt: Die Linke bleibt Friedens- und Antikriegspartei und lehnt Bundeswehr- Einsätze ab – auch solche unter EU-Flagge.
Und wenn ich noch einen Tipp geben darf, dass sich solche Positionen wie die von Matthias Höhn in der Linken auch weiterhin nicht durchsetzen: Es ist durchaus sinnvoll, diejenigen in der Linken zu (unter)stützen, die die linke Friedensprogrammatik oder darüber hinaus vertreten. 😉