IMI-Standpunkt 2019/025
Tag der Bundeswehr in Pfullendorf – ein Rückblick
von: Luca Heyer | Veröffentlicht am: 28. Juni 2019
Am Tag der Bundeswehr (TdB) in Pfullendorf am 15. Juni 2019 öffnete das Ausbildungszentrum Spezielle Operationen der Bundeswehr seine Türen, um für Bundeswehr und Auslandseinsätze zu werben.[1] Zuvor hingen die Städte über Wochen voll mit makaberster Werbung der deutschen Armee. Erwartet wurden 20.000 Besucher*innen – letztendlich verirrten sich „nur“ 12.500 in die Kaserne in Pfullendorf.
Zum Programm, das die Bundeswehr vorbereitet hatte, gehörte auch ein Militärkonzert des Heeresmusikkorps Ulm, eine Hüpfburg, Feldpost schreiben, eine dynamische Vorführung des Kommando Spezialkräfte (KSK) und Fallschirmspringen. Interessant dabei: Das gesamte Programm wurde so gestaltet, dass es vor allem auf Kinder möglichst ansprechend wirken sollte. Kinder wurden sogar mit „Hallo liebe Kinder, hallo liebe Besucher“ explizit angesprochen. Immer wieder waren Kinder zu sehen, die auf Panzern kletterten. So verankert sich eine Normalisierung und Verharmlosung von Krieg und Militär schon im Kindesalter und ebnet den Weg für eine spätere „Karriere“ als Soldat*in, wie auch das Offene Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart, das sich an Protesten gegen den TdB beteiligte, kritisiert.[2]
Hohe Kosten
Kritisiert wurden unter anderem auch die sehr hohen Kosten, die mit der Durchführung des Militärspektakels verbunden sind: In der Antwort auf eine Anfrage von Tobias Pflüger (Die Linke) bezifferte die Bundesregierung die Kosten für die Durchführung des TdB allein in Pfullendorf auf insgesamt 170.000 Euro. Für die Anmietung von Geräten (z.B. Tribünen, Absperrgitter oder Zelte) waren 75.000 Euro eingeplant. Für die Anmietung von Bussen waren weitere 23.000 Euro veranschlagt. Das Sicherheits- und Verkehrskonzept ließ sich die Bundeswehr 18.500 Euro kosten. Die Werbung im Vorfeld des Tags der Bundeswehr hatte zudem 10.000 Euro gekostet. 43.500 Euro sind außerdem für weitere Ausgaben, wie Dienstreisen, das Bühnenprogramm, die Abfallentsorgung oder Parkflächen veranschlagt. Hinzu kommen weitere Kosten für Personal und den Betrieb vorgeführter Waffensysteme, die in den geplanten 170.000 Euro nicht enthalten sind Die tatsächlichen Kosten (mit Personal- und Treibstoffkosten) dürften deutlich höher liegen.[3]
Ebenfalls nicht enthalten sind die Kosten für ein Anschreiben, das im Vorfeld des TdB an 700.000 Minderjährige verschickt wurde, die im kommenden Jahr volljährig werden. Ihnen wurde ein Beratungsgespräch mit der Bundeswehr und ein Camouflage-Handtuch mit der Aufschrift „Militärische Sperrzone“ angeboten. 4.800 der potenziellen Rekrut*innen hatten sich wohl daraufhin tatsächlich für ein Beratungsgespräch angemeldet.[4] Hier zeigt sich einmal mehr, wie die Bundeswehr immer unverhohlener auch Minderjährige anwirbt. Es ist zudem unklar, wie und auf welcher Rechtsgrundlage die Bundeswehr an die Daten der 700.000 Minderjährigen gekommen war.
Protest
Das Bündnis „Keinen Tag der Bundeswehr“, an dem sich neben elf weiteren Gruppen auch die IMI beteiligte, rief zu einer Kundgebung vor den Kasernentoren auf. Dem Aufruf folgten etwa 50 Demonstrierende. Es gab zahlreichen Reden, in denen u.a. die Aufrüstung und Normalisierung der Bundeswehr kritisiert wurde. Kritik gab es auch an den vielen rechten und sexistischen Skandalen in der Staufer-Kaserne. Mehrere Bundeswehr-Sympathisanten beleidigten die Redner*innen: Einer Aktivistin, die gerade eine Rede hielt, wurde von einem Besucher aus dem Kaserneninneren zugerufen, sie solle in die Küche gehen – ein absolut sexistischer Kommentar, der das bei der Bundeswehr vorherrschende Bild von Frauen einmal mehr bestätigt.
Der Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger (Die Linke) wurde als „Landesverräter“ beschimpft.
Einige Aktivist*innen mischten sich unter die Besucher*innen und protestierten mit mehreren friedlichen Aktionen gegen den Tag der Bundeswehr in Pfullendorf. An drei Stellen wurden Transparente gezeigt und Parolen gerufen. Zum Teil wurden symbolisch Blutlachen aus roter Farbe auf dem Boden hinterlassen, um daran zu erinnern, dass das „Geschäft“ der Bundeswehr ein blutiges ist.
Gewaltbereitschaft und rechte Bezüge
Die Friedensaktivist*innen waren bestürzt über die Gewaltbereitschaft, die ihnen teilweise seitens der Besucher*innen entgegen schlug. So wurde beispielsweise eine vierköpfige Gruppe, die ein Transparent mit der Aufschrift „No war“ zeigte, von mehreren Besucher*innen körperlich angegriffen. Die Aktivist*innen wurden gewürgt, geschubst und gekniffen, sie erlitten Prellungen. Einer stellte Strafanzeige gegen einen Besucher, weil dieser ihm büschelweise Haare ausriss. Die Militärpolizei beförderte die Aktivistinnen und Aktivisten aus der Kaserne und fügte ihnen dabei durch Schmerzgriffe an Handgelenken, Hals und Nase unnötig Schmerzen zu, obwohl sich diese friedlich verhielten.
Eine andere Gruppe zeigte am Stand des KSK ein Transparent mit der Aufschrift „KSK = rechte Terrorzelle“ – eine Anspielung auf die enge Verstrickung mehrerer KSK-Soldaten in ein rechtes Untergrundnetzwerk mit Waffenlagern und Umsturzplänen um den Soldaten Franco A. und den Verein UNITER. Ein Mann mit einem T-Shirt von UNITER wurde ebenfalls auf dem Kasernengelände fotografiert. UNITER wird vorgeworfen, paramilitärische Trainings abzuhalten und in rechtsterroristische Umtriebe um Franco A. sowie die Chatgruppe Nordkreuz verwickelt zu sein.[5]
Ebenfalls für Aufsehen sorgte ein Banner der Reservistenkameradschaft oberer Linzgau: Auf dem Banner war unter anderem ein Logo mit der Aufschrift „Supported by AlfaShirt.de“ zu sehen. AlfaShirt ist ein rechter Onlineversandhandel, der diverse Kleidungsstücke, Tassen, Wappern, usw. mit positiven Bezügen zur Wehrmacht verkauft. Auch geschichtsrevisionistische Motive oder solche, die sich positiv auf die Eroberung des Sudetenlandes während des Nationalsozialismus beziehen, finden sich im Sortiment von AlfaShirt. Die Tatsache, dass rechte Kleinunternehmer – wie im Fall von AlfaShirt – auf dem TdB Werbung für sich machen können und dies bei der Bundeswehr offensichtlich niemanden stört, zeigt, dass die Märchen vom „Staatsbürger in Uniform“ oder dem Konzept der „Inneren Führung“, wie sie vom Verteidigungsministerium immer wieder propagiert werden, leider keinerlei Umsetzung durch die Soldat*innen erfährt.
Erfolg für die Friedensbewegung
Das Bündnis, das zu den Protesten gegen den TdB aufgerufen hatte, verbucht den Tag dennoch als Erfolg. Gerade die genannten Vorfälle verdeutlichen, dass es wichtig ist, die Bundeswehr nicht ungestört agieren zu lassen, sondern der Normalisierung von Militär und rechtem Gedankengut entgegenzuwirken. Die DFG-VK, die sich an den bundesweiten Protesten gegen den TdB beteiligte, schreibt: „An zwölf der vierzehn Standorte wurde den Bundeswehr-Feiern friedliche Proteste entgegengesetzt […] Dass der Tag der Bundeswehr trotz des Millionen-Euro-Budgets – Steuergelder – auch in diesem Jahr wieder zu einem bundesweiten Aktionstag gegen Militär wurde, werten wir als großen Erfolg: Die Friedensbewegung mag kaum finanzielle Mittel haben, dafür ist das Engagement umso größer! Und auch das Interesse der Bevölkerung an dem Werbetag der Armee scheint abzunehmen.“[6]
Anmerkungen
[1] Weitere Informationen zur Bedeutung des Tags der Bundeswehr finden sich hier: IMI-Standpunkt 2019/021. Jacqueline Andres: Keinen Tag der Bundeswehr – Gegen die Normalisierung des Militärs.
[2] Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart: Tag der Bundeswehr in Pfullendorf: KSK und Militärkonzert gestört.
[3] Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 6/64 des Abgeordneten Tobias Pflüger. 13.6.2019.
[4] Bento: Mit dem Pony in den Krieg: Wir haben das Werbe-Festival der Bundeswehr besucht. 19.6.2019.
[5] IMI-Studie 2019/04. Luca Heyer: Der Hannibal-Komplex. Ein militantes, rechtes Netzwerk in Bundeswehr, Geheimdiensten, Polizei, Justiz und Parlamenten.
[6] DFG-VK: Erfolgreicher Protest gegen den „Tag der Bundeswehr“.