Die Rechtfertigung für die aktuelle Aufrüstung der NATO-Ostflanke leitet sich aus zwei miteinander verwobenen Argumenten ab: Einmal, dass Russland in der Lage sei, die baltischen Staaten innerhalb kürzester Zeit zu überrennen und zu halten; und zweitens, dass dies auch als reale Option erwogen werde, schließlich habe Moskau am Beispiel der Ukraine ja gezeigt, wozu es willens und in der Lage sei. Weitgehend unhinterfragt werden auf dieser Grundlage Truppen nach Osteuropa verlegt, Manöver abgehalten, die See- und Luftpräsenz ausgebaut u.v.m..
Insofern ist es dankenswert, dass ein bei linkedin erschienener Beitrag sich einmal ausführlich mit der „politischen Sinnhaftigkeit“ eines solchen Einmarsches beschäftigt. Man muss zwar nicht alle Schlussfolgerungen teilen, in jedem Fall setzt sich der Artikel aber äußerst kritisch mit der Annahme, eine russische Invasion des Baltikums stehe kurz bevor, auseinander: „Das Szenario eines russischen Einmarsches im Baltikum lässt sich absehbar nicht mit einem schlüssigen Rational hinterlegen. […] Die Konstellation im Baltikum ist [zur Ukraine] eine fundamental andere. Der einzige gemeinsame Nenner ist die russische Minderheit. Die baltischen Staaten sind in der kulturellen und historischen Perzeption der Russen ganz anders einzuordnen als die Ukraine oder gar die Krim. Das gilt auch aus strategischer Perspektive. Wäre Kaliningrad nicht russisch, läge der Fall vielleicht anders, aber so hat Moskau dort schlichtweg nichts zu gewinnen. Der Bruch ist vollzogen, die baltischen Staaten sind NATO-Mitglieder.“ (jw)