IMI-Standpunkt 2017/19

Das G20-Gipfeltreffen 2017 in Hamburg

von: Markus Pflüger | Veröffentlicht am: 13. Juli 2017

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Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem G-20 sowie dem Alternativgipfel wurde nahezu vollkommen durch Berichte über Krawalle und Polizeigewalt überlagert und ausgeblendet. Dazu bleibt festzuhalten, dass viele Medien, neben dem Ermittlungs­ausschuss und dem Anwaltlichen Notdienst, von provozierter Eskalation und unverhältnismäßige Aktionen durch teils militarisierte Polizeikräfte berichten, und das nicht nur bei der Auftaktdemonstration. Die Versammlungs­freiheit in Hamburg wurde Gerichtsurteilen zum Trotz massiv eingeschränkt, hinzu kamen Angriffe auf Journalist*inn*en und die Aberkennung von Akkreditierungen, hinzu kommen Übergriffe auf die Gruppen, die den Protest funktional unterstützen, insbesondere die Rechtsanwält*innen und Demonstrations-Sanitäter*innen. Vielerorts wurde die Polizei­strategie für gescheitert erklärt, es bleibt die Frage, ob die Eskalation nicht politisch gewollt war, manche sagen aber aber auch, dieser Ausnahmezustand könnte eine bewusste polizeistaatliche Aufstandsbekämpfungsübung gewesen sein.

Nicht im Fokus standen die vielfältigen, friedlichen Proteste, die phantasievollen Blockaden und bunten Aktionen, genauso wenig wie die eindrucksvolle Großdemonstration mit 76.000 TeilnehmerInnen. Stattdessen dominierten Meldungen über Auseinandersetzungen der Polizei mit dem sog. „schwarzen Block“ oder „Autonomen Linksradikalen“ die Berichterstattung: Die verschiedenen Gewaltaktionen wurden von teilnehmenden Gruppen in verschiedener Weise kritisiert, so von attac, der roten Flora und auch von der Demoleitung der Demo „Welcome to Hell„. Gewalt­tätige und zerstörerische Handlungen wurden nicht von einer homogenen Gruppe verübt. Berichten (von vor Ort) zufolge nutzen auch insbesondere erlebnishungrige Jugendliche sowie Voyeure und Partyvolk“ die Situation. Auch Rechtsextreme wurden vor Ort gesichtet. Der Anteil von „agents provocateurs“ wird ebenfalls zu klären sein. Eine große, bunte Demonstration mit 76.000 Teilnehmer*innen für die inhaltliche Kritik an den G-20 Staaten ist und bleibt beeindruckend.

Zu den politischen Ergebnissen des G20 Gipfel

Selbst das Handelsblatt fragt: „Soll man den im Hamburger Abschluss-Kommuniqué durch nächtelange Verhandlungen erreichten Minimalkonsens ernsthaft als ein Gesprächsergebnis bezeichnen?“ Dieses „Ergebnis“ rechtfertigt kaum die offiziellen (und noch zu niedrig bezifferten) Kosten von 130 Millionen Euro, die zur dringend notwendigen Bekämpfung von Hunger und Armut hätten verwendet werden können. Die Abschluss­erklärung des Gipfels entbehrt handfester Lösungsansätze. So fehlen Maßnahmen, um die Klimaziele zu erreichen: Weder das Abkommen von Paris, noch die Nachhaltigkeitsziele, noch der Klima­fonds der Vereinten Nationen werden konkret unterstützt. Das Abschlussdokument zementiert lediglich die ungerechte neoliberale Wirtschaftspolitik, Hauptursache der globalen Probleme. Deutschland hat sich nicht von seiner aggressiven Exportüberschuss­politik verabschiedet. Kohle u.a. fossile Energien und ihr Raubbau sollen weiterhin das Klima schädigen. Die Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen und Migranten wird fest­ge­schrieben, ebenso wie die Wachstumsideologie und weltweite Kriegspolitik. Geschadet hat der millionenteure Gipfel nicht nur der Stadt Hamburg, dem Klima und der Demokratie, sondern auch den Vereinten Nationen – wo wenigstens ein Mindestmaß an Demokratie und Transparenz einen sinn­volleren Austausch ermöglicht hätte, ohne Ausschluss vieler armer Länder und der Öffentlichkeit. Attac verbucht die Gipfelergebnisse als Desaster für eine gerechte Globalisierung: „Die G20 setzt weiter auf ungerechte Welthandelsregeln und die Privatisierung öffentlicher Infra­struktur. Eine echte Regulierung der Finanzmärkte wird nicht einmal mehr angestrebt. Und der angebliche klimapolitische Gipfel-Erfolg Merkels besteht aus einem Lippenbekenntnis von 19 der G20-Mitglieder zu einem längst beschlossenen Abkommen. Die G20 gehört abgeschafft. Sie wird ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht – und wo sie etwas hinbekommt, ist es gegen die Interessen der Mehrheit der Menschen rund um den Globus.“ Beim ”Gipfel der globalen Solidarität“ wurde Kritik an der herrschenden Politik formuliert und Alternativen zur neoliberalen Globalisierung diskutiert.

Gerade angesichts der aktuellen Diskussionen und noch laufenden Auswertungen zum Gipfel(protest) bleibt es entscheidend, die inhaltliche Kritik am Gipfel und der herrschenden Kriegs-Politik zu bekräftigen, der Protest gegen Grundrechteabbau, Sicherheitswahn und Militarisierung ist wichtiger denn je.