IMI-Studie 2017/02
Fraunhofer IOSB: Dual Use als Strategie
Wie das Verteidigungsministerium Anschluss an die
Wissenschaft suchte und in Karlsruhe fündig wurde
von: Christoph Marischka | Veröffentlicht am: 20. Januar 2017
In der Debatte um Militärforschung und militärisch relevante Technologien spielt der Begriff „Dual Use“ eine herausragende Rolle. Analytisch ist er wenig tragfähig, da die meisten, vielleicht sogar alle Technologien sowohl zivile wie auch militärische Anwendungen haben können. Tatsächlich verfolgt die Bezugnahme auf „Dual Use“ meist taktische Zwecke, um im konkreten Fall die militärische Nutzbarkeit ziviler Forschung als unintendiert bzw. unvermeidlich darzustellen oder generell Versuche, militärische Interessen aus der zivilen Forschung – z.B. durch Zivilklauseln – auszuschließen, als nicht realisierbar zurückzuweisen.
Am Beispiel des Fraunhofer Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (Fraunhofer IOSB) in Karlsruhe und Ettlingen kann jedoch gezeigt werden, dass Dual-Use auch eine Strategie des Militärs und der Regierung darstellt, um:
1. Zivile Forschungsförderung militärisch nutzbar zu machen;
2. den Wettbewerbsdruck bei militärisch relevanten Technologien zu erhöhen;
3. eine engere Anbindung und schnelleren Transfer zwischen ziviler Forschung und militärischer Anwendung zu erzielen; dementsprechend
4. das Personal in der Ressortforschung zu verjüngen; sowie
5. „zivile“ Märkte für militärische Technologien zu erschließen.
Diese Strategie wird zunächst anhand eines einzelnen Dokuments, der Stellungnahme des Wissenschaftsrates zur Neustrukturierung der Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften e.V. (FGAN) vom Januar 2007, dargestellt, wobei ersichtlich wird, dass das Bundesverteidigungsministerium treibende Kraft hinter der Fusion von FGAN und Fraunhofer-Gesellschaft war. Darin werden außerdem die o.g. Motivationen hinter dieser expliziten Dual-Use-Strategie verdeutlicht.
In einem zweiten Schritt wird anhand der aktuellen Arbeit des Fraunhofer IOSB dargestellt, dass dieses weiterhin eine starke militärische Prägung aufweist und eng mit Rüstung, Bundeswehr und NATO verwoben ist. Zugleich konnte das IOSB, wie von der Bundeswehr vorgesehen, umfangreich an der „zivilen“ Sicherheitsforschung partizipieren. Dies gilt v.a. für Projekte zur Grenzüberwachung bzw. „maritimen Sicherheit“, die jedoch gerade in Zeiten asymmetrischer Kriegführung starke Parallelen zu militärischer Aufklärung und dem Konzept der „Netzwerkzentrierten Kriegführung“ aufweisen. Entsprechend kann am Beispiel des IOSB auch gezeigt werden, wie Forschung zur Grenzüberwachung der Rüstungsindustrie zugute kommt, militärisch relevante wissenschaftliche Erkenntnisse hervorbringt und junge Wissenschaftler_innen an militärische Fragestellungen und Technologien heranführt. Letztes wird besonders – und wie vom BMVg angestrebt – durch die enge Zusammenarbeit des IOSB mit dem Karlruher Institut für Technologie (KIT) ermöglicht, wie abschließend beispielhaft anhand wissenschaftlicher Biographien aufgezeigt werden soll.
Inhalt
1. Die Dual Use-Strategie des BMVg anhand der Stellungnahme des Wissenschaftsrates
1.1. Von der Ressort- zur Dual Use-Forschung
1.2. Sicherheitforschung als Dual Use-Katalysator
1.3. Die Fusion zum Fraunhofer IOSB
2. Die heutige Struktur des IOSB und die Rolle der Wehrforschung
2.1. Asymmetrische Kriegführung und Dual Use
2.2. Dual Use und die Militarisierung der Grenzüberwachung
3. Bilderbuchkarrieren – die Zusammenarbeit zwischen IOSB und KIT
4. Fazit: Zur Unkenntlichkeit verwoben – Rüstungsforschung und KIT
https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2017-2-IOSB-Web.pdf