IMI-Studie 2016/05
Die Militarisierung der kryptologischen Forschung in Deutschland
von: Thomas Gruber | Veröffentlicht am: 26. April 2016
Ganze Studie im Studienlayout zum Download:
https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2016-5.pdf
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
Begriffliche und historische Einordnung der Kryptologie
Die Rolle der USA in der kryptologischen Forschungslandschaft
Auftragsforschung des deutschen Militärs
Gesellschaftliche Folgen einer militarisierten Forschungslandschaft
Anmerkungen
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Einleitung
Die ganze Mathematik ist in drei Teile geteilt: die Kryptographie (bezahlt von der CIA, dem KGB und Ähnlichen), die Hydrodynamik (unterstützt von den Hersteller_innen von Atom-U-Booten) und die Himmelsmechanik (finanziert vom Militär und anderen Institutionen, die sich mit Raketengeschossen auseinandersetzen, wie die NASA). [1]
– Vladimir Arnold
Für jede Form des Umgangs mit sensiblen Daten gilt eine zentrale Prämisse: Was nicht mitgehört und mitgelesen werden soll, wird verschlüsselt. Daher sind Techniken der Verschlüsselung auch in zahlreichen Bereichen des alltäglichen Lebens zu finden – in der privaten Kommunikation, bei bargeldlosen Geldtransfers, bei der Speicherung von personenbezogenen Daten (wie beispielsweise Patientenakten) und vielem mehr. Kaum verwunderlich also, dass sich das auch in der Forschung zu Verschlüsselungstechniken widerspiegelt: Die Kryptologie ist derzeit eines der am intensivsten behandelten Teilgebiete der angewandten Mathematik. Ebenso offensichtlich wie der individuelle und zivile Nutzen sicherer Verschlüsselung ist allerdings auch das staatliche, wirtschaftspolitische und militärische Interesse an der Kryptologie. Die Forschung an neuen Verschlüsselungstechniken wird dabei gepaart mit Angriffen auf bereits etablierte Systeme, was zur Abschirmung eigener kritischer Daten und der simultanen Abhörung des gewählten Feindes oder Gegners befähigt. Bei einem Blick auf die Arbeit deutscher Forschungseinrichtungen stellt sich die Frage, inwiefern sich ein militärischer Einfluss auf die Kryptologie auch in der hiesigen zivilen Forschungslandschaft abbildet und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Militarisierungstendenzen innerhalb der kryptologischen Forschungslandschaft lassen sich oft nur schwer auf einzelne Staaten beschränken. Das liegt zum einen an den selbstverständlichen internationalen Kooperationsbestrebungen von Forscher_innen, zum anderen am transnationalen Agieren von Geheimdiensten, staatlichen Institutionen und Konzernen. Auch ist es oft nicht mehr möglich, militärische Interessen von staatlichen oder wirtschaftlichen zu trennen –zu nah liegen die (geo)politischen Ziele der jeweiligen Akteur_innen meist beisammen. Staatlich legitimierte (und oft mit der Wahrung von Menschenrechten begründete) Kriege dienen häufig wirtschaftlichen Interessen wie der Absatzmarkterschließung.[2] Einige Akteur_innen sind in der militärrelevanten Kryptologie an deutschen Forschungseinrichtungen besonders präsent: Die Bundeswehr und das Bundesministerium für Verteidigung (die sich meist auf direkte Drittmittelkooperationen mit Forscher_innen konzentrieren) sowie Institutionen und Behörden der USA (die sich eine subtilere Beeinflussung der kryptologischen Forschungslandschaft über Fachtagungen und Geheimdienstarbeit zu Eigen gemacht haben).
Nach einer kurzen begrifflichen und historischen Einordnung der Kryptologie soll hierzu anhand einiger exemplarischer Projekte die Militarisierung der kryptologischen Forschungslandschaft veranschaulicht werden. Es wird in jeweils zwei Beispielen auf die Verbindung der kryptologischen Forschung mit den US-amerikanischen Akteur_innen und den deutschen Institutionen eingegangen. Das Spektrum der militärrelevanten Kryptologie ist sehr breit gefächert. Die im Folgenden behandelten Beispiele können also nur einen Bruchteil der Militarisierung dieses Fachbereichs darstellen – sie sollen einen für die Kryptologie möglichst fachtypischen Einblick bieten. Dabei liegt der Fokus auf einer Darstellung nachvollziehbarer Forschungsprojekte, die gleichzeitig die wichtigsten Formen der Verquickung militärischer Interessen und der institutionellen Forschung zur Kryptologie in Deutschland verdeutlichen.
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Anmerkungen
[1] Übersetzung des Autors aus dem Englischen.
[2] Das bestätigten auf Seiten der deutschen Politik auch der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler und der ehemalige Verteidigungsminister Guttenberg. Köhler: Krieg für freien Handel, 02.03.2016; Guttenberg auf Köhlers Spuren, 02.03.2016.