[0448] Flyer und Plakate Kongress / Parlametsvorbehalt / Phase 2 EUNAVFOR MED

von: 25. September 2015

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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0448 ………. 18. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ……. https://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich

1.) der Hinweis auf Flyer und Plakate zum IMI-Kongress;

2.) eine erste kurze Einschätzung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine Zustimmung des Bundestages zur Operation Pegasus 2011 in Libyen nicht notwendig sei;

3.) einige Hintergründe zur Phase 2 der Marineoperation EUNAVFOR MED zur Migrationsbekämpfung im Mittelmeer, die aktuell im Bundestag debattiert wird.

1.) Flyer und Plakate zum IMI-Kongress

Von 13.-15. November 2015 wird wieder unser jährlicher Kongress in Tübingen stattfinden, dieses Jahr unter dem Titel „Militärische Landschaften: Diskurse – Räume – Strategien“.

Programm, Plakat und Flyer sind hier zu finden:
https://www.imi-online.de/2015/09/22/militaerische-landschaften-diskurse-raeume-strategien/

Wer Plakate und Flyer zugeschickt haben möchte, melde sich bitte im Büro unter
Tel.: 07071 49154 o.
imi@imi-online.de.

2.) Erste kurze Einschätzung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Operation Pegasus

IMI-Aktuell 2015/522
BVerfG: Parlamentsvorbehalt (cm)
https://www.imi-online.de/2015/09/24/bverfg-parlamentsvorbehalt/

Am 23. September 2015 hat das Verfassungsgericht über eine Klage der Grünen-Fraktion entschieden, welche der Meinung war, dass die „humanitäre“ Operation Pegasus zur Rettung von deutschen und anderen westlichen Staatsbürgern in Libyen 2011 zumindest nachträglich vom Bundestag beschlossen werden müsse.

Das BVerfG hat geurteilt, dass es sich zwar um einen grundsätzlich zustimmungsbedürftigen bewaffneten Einsatz und nicht um eine humänitäre Operation gehandelt habe, dass aber wegen Gefahr im Verzug eine Zustimmung durch das Parlament in diesem Fall nicht einzuholen war und auch nachträglich nicht einzuholen sei, da der Einsatz zu diesem Zeitpunkt schon beendet war und das Parlament ja nur über seine Zustimmung, aber nicht die Rechtmäßigkeit des Einsatzes entscheidet: „Der Bundestag ist auch nicht dazu berufen, über die Rechtmäßigkeit des exekutiven Handelns verbindlich zu urteilen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass einem nachträglichen parlamentarischen Beschluss keine Rechtserheblichkeit mehr zukommen kann.“ Auch wenn der Bundestag seine Zustimmung verweigere, gelte damit die Entscheidung der Exekutive im Vorfeld und damit der Einsatz nicht als rechtswidrig. Zu erinnern ist in diesem Fall daran, dass der Einsatz bewaffneter Fallschirmkräfte damals zwar angeblich mit der Führung der Aufständischen, nicht aber mit der amtierenden Regierung in Tripolis abgesprochen war, d.h. es handelte sich um eine Souveränitätsverletzung und damit einen Akt, der im damaligen Kontext dem im Urteil ausführlicher diskutierten „historische[n] Bild eines Kriegseintritts“ nahekommt.

Alarmierend sind im übrigen noch andere Formulierungen im Urteil des BVerfG. So heißt es in Urteil (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/09/es20150923_2bve000611.html) wie in begleitender Pressemitteilung (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2015/bvg15-071.html): „Der konstitutive wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt ist nicht auf Einsätze bewaffneter Streitkräfte innerhalb von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit beschränkt, sondern gilt darüber hinaus allgemein für bewaffnete Einsätze deutscher Soldaten im Ausland.“ Was meint das Gericht hiermit? Hat es nicht selbst im Widerspruch zum Wortlaut des Grundgesetzes eins bewaffnete Auslandseinsätze unter der Bedingung (und mit der Begründung) ermöglicht, dass diese in einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit stattfinden?

Der rechtspolitische Korrespondent der Tageszeitung taz, Christian Rath, geht sogar so weit, das Urteil generell als Freibrief für geheime Operationen der Bundeswehr zu interpretieren (http://www.taz.de/!5235470/): „Damit hat Karlsruhe für heimliche Kommandoaktionen der Bundeswehr den Parlamentsvorbehalt faktisch ausgehebelt. Denn solche Aktionen können naturgemäß nicht vorab diskutiert werden. Die neue Einschränkung gilt nicht nur für Hilfseinsätze, sondern auch für militärische Kommandos. Immer wenn die Bundeswehr schnell und geheim handelt, ist künftig keine Zustimmung des Bundestags mehr nötig“. Allerdings hat das Gericht auch behauptet, dass „die Frage[…] ob Gefahr im Verzug gegeben war, […] verfassungsgerichtlich voll überprüfbar“ sei und damit immerhin das Verfassungsgericht nachträglich über die „Rechtmäßigkeit“ eines Einsatzes entscheiden könne. Fast scheint es, als wolle sich das Oberste Gericht in Fragen von Bundeswehreinsätzen an die Stelle des Parlaments setzen. (cm)

3.) Erste Hintergründe zur Phase 2 der Marineoperation EUNAVFOR MED, die aktuell bereits im Bundestag debattiert wird

„Phase 2“
Ergänzung zu IMI-Analyse 2015/031 Marineoperation im Mittelmeer, in: Ausdruck (Oktober 2015)
https://www.imi-online.de/2015/08/31/marineoperation-im-mittelmeer/

Laut Darstellung der Bundesregierung – ein Beschlussdokument hierzu liegt nicht vor – hat der Rat der Europäischen Union „am 14. September 2015 die Feststellung getroffen, dass die Voraussetzungen für den Phasenwechsel gegeben sind und der Übergang in die Phase 2 i) gemäß dem Beschluss des Rates (GASP) 2015/778 erfolgen kann“. Die Bundesregierung hat sich entschlossen, für den deutschen Beitrag zu Phase 2i ein Mandat des Bundestages einzuholen. Das Mandat sieht u.a. vor, auf Hoher See Schiffe anzuhalten, zu durchsuchen oder umzuleiten. Hierzu soll die Bundeswehr u.a. „Kräfte zum Anhalten und Durchsuchen“ bereithalten, außerdem sind Fähigkeiten des „Militärische[n] Nachrichtenwesen[s] einschließlich Abschirmung des Einsatzkontingents“ vorgesehen. Auch im Antrag der Bundesregierung zu Phase 2i wird die Seenotrettung nicht als Aufgabe genannt, sondern lediglich festgestellt, dass „für alle im Rahmen von EUNAVFOR MED eingesetzten Schiffe die völkerrechtliche Verpflichtung zur Hilfeleistung für in Seenot geratene Personen fort[gilt]“.

Das Völkerrecht findet sehr häufig Erwähnung im Antrag der Bundesregierung wie auch im Ratsbeschluss, womit die Bundesregierung und ihre EU-Partner eine Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen, wonach es eben Aufgabe der Militärs sei, Boote mit Migranten aufzubringen, zu kontrollieren und umzuleiten und eine entsprechende Praxis im Mittelmeer etablieren. Die Rechtsquelle, auf die sich Bundesregierung und Rat dabei stützen, ist das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, das im Januar 2004 in Kraft trat, nachdem es von 40 Staaten ratifiziert wurde. Von Umleiten und Beschlagnahmen ist darin jedoch keine Rede, es erlaubt lediglich, „geeignete Maßnahmen im Hinblick auf das Schiff sowie die an Bord befindlichen Personen und die an Bord befindliche Ladung zu treffen“, sofern „Beweise dafür gefunden werden, dass das Schiff für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird.“ Ausdrücklich hält das Zusatzprotokoll fest, dass es nicht „die anderen Rechte, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von Staaten und Einzelpersonen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und dem Völkerrecht auf dem Gebiet der Menschenrechte und insbesondere, soweit anwendbar, de[n] … Grundsatz der Nichtzurückweisung“ berührt. Da eine entsprechende Operationalisierung und Praxis in Umsetzung der relativ neuen Rechtsquelle bisher so gut wie nicht stattgefunden hat, ist noch völlig unbestimmt, was etwa als Beweis aufzufassen ist und wie das Prinzip der Nichtzurückweisung Geltung erhalten kann. Grundsätzlich beziehen sich Übereinkommen und Zusatzprotokoll nur auf „Schleusungen“, die bandenmäßig und mit dem Ziel der „unmittelbaren oder mittelbaren Erlangung eines finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteils begangen“ werden, Fluchthelfer ohne kommerzielle Interessen dürften also im Mittelmeer nicht von der Bundeswehr behelligt werden. Auch hier ist aber völlig unklar, wie das in der – in diesem Fall quasi rechtssetzenden Praxis – umgesetzt werden soll.

Um all diese Fragen im Vorfeld zu klären, wird aber keine Zeit bleiben. Die erste Lesung des Antrags der Bundesregierung wurde auf Donnerstag, den 24.9.2015 festgelegt, vermutlich wird die zweite Lesung samt Abstimmung bereits in der Woche darauf stattfinden. Operationspläne und Einsatzregeln liegen den Abgeordneten nicht vor. Wahrscheinlich befinden sie sich noch in Ausarbeitung durch den EU-Militärausschuss und das PSK, welches zu einem späteren Zeitpunkt hinter verschlossenen Türen den Übergang in Phase 2 beschließen wird.