IMI-Standpunkt 2014/001 - in: junge Welt 09.01.2014 - in: AUSDRUCK (Februar 2014)

Der Krieg beginnt hier!

von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 9. Januar 2014

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Auf der XIX. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar wird in einem Podiumsgespräch diskutiert, wie der Widerstand gegen Faschismus, der gegen den Krieg und der gegen den Sozialkahlschlag zusammengeführt werden können. jW bat Tobias Pflüger, Mitglied des Parteivorstands der Partei Die Linke und Friedensaktivist, zu den Aufgaben der Friedensbewegung Stellung zu nehmen. (jW)

Die deutsche Friedensbewegung hat sich mit dem neuen Jahr auf eine veränderte Regierungspolitik einzustellen. Das frisch vereidigte Bundeskabinett will eine Reihe von bisher noch vorhandenen Bremsen im Bereich Außenpolitik lösen. Die Welt schrieb am 19. November: »Einig waren sich Union und SPD aber tatsächlich immer dann, wenn es darum ging, die Doktrin des amtierenden Außenministers Guido Westerwelle (FDP) zu beerdigen. So ist die von Westerwelle am häufigsten zitierte Formulierung des alten Koalitionsvertrages, man lasse sich bei militärischen Interventionen von einer ›Kultur der Zurückhaltung‹ leiten, im neuen Vertrag nicht mehr enthalten.«

CDU/CSU und SPD geben sie Schritt für Schritt auf. Äußerungen wie die folgende wird es von einem deutschen Außenminister so schnell nicht mehr geben: »Ich bin in meinem politischen Leben oft dafür kritisiert worden, daß ich mich mehrmals gegen eine deutsche Beteiligung an militärischen Interventionen gestellt habe. Aber wie ist denn heute die Lage im Irak? Oder in Libyen? Ich kann nicht sehen, warum eine politische Reifung des wiedervereinigten Deutschlands mit mehr militärischen Interventionen einhergehen muß. Politische und diplomatische Lösungen haben für mich Vorrang. Wir sollten bei der Kultur der militärischen Zurückhaltung bleiben. Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik. Die Pickelhaube steht uns nicht. (…) Ich glaube nicht, daß Syrien eine bessere Entwicklung nähme, wenn jetzt eine militärische Intervention stattfände. Deswegen hat sich auch die Bundesregierung dagegengestellt. Es gibt in Syrien keine Alternative zu einer Verhandlungslösung.«

Statt Westerwelle ist, nach vier Jahren Abstinenz, wieder der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier Außenminister. Zuvor war er 1999 in der »rot-grünen« Regierung von Gerhard Schröder und Joseph Fischer – eben jenem Kabinett, das den (Angriffs-)Krieg in die deutsche Außenpolitik zurückbrachte – zum Chef des Kanzleramts und damit auch zum Koordinator der Geheimdienste berufen worden. Mit Steinmeier gibt es eine Kontinuität sozialdemokratischer Kriegspolitik.

Ihre genauere Ausrichtung ist aber – wie bei vielen anderen Themen – noch strittig. Springers Bild berichtete vom Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 19./20. Dezember 2013 in Brüssel: »Und auch beim Hauptthema des ersten Gipfeltages, der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, waren die Großkoalitionäre noch nicht so richtig einer Meinung. Die Kanzlerin gab sich in Sachen Unterstützung von EU-Auslandseinsätzen eher wortkarg. Zu den Forderungen Frankreichs, sich am Militäreinsatz in der Zentralafrikanischen Republik zu beteiligen, sagte sie nur: ›Wir als Europäer können nicht überall auf der Welt die Probleme lösen, sondern wir müssen die Regionen befähigen, ihre Probleme lösen zu können.‹ SPD-Mann Schulz1 zeigte sich dagegen viel großzügiger: ›Daß die Staaten, die militärische Einsätze zum Schutz auch der Interessen Europas organisieren und bezahlen müssen, eine gewisse Solidarität von den anderen, die daran nicht beteiligt sind, erhalten, ich finde, das ist ein diskutierenswerter Vorschlag.‹ Jedenfalls stellte sich Schulz damit hinter Frankreichs Präsident François Hollande. Der forderte zum Gipfelauftakt eine dauerhafte EU-Kriegskasse, aus der Einsätze wie der in Zentralafrika mitfinanziert werden sollten, auch im nachhinein. Er habe für die von Frankreich zunächst alleine begonnene Mission zum Schutz der Bevölkerung in dem krisengeschüttelten Land ›viel Unterstützung von den europäischen Regierungen bekommen, praktisch von allen‹, sagte Hollande. ›Also müssen die Finanzierungsbeiträge dieser Unterstützung folgen.‹«2 Die Christdemokraten wollen sich auf die direkten Interessengebiete des deutschen Kapitals konzentrieren und die jeweiligen regionalen Bündniskräfte mit Waffen und Ausbildungshilfen unterstützen. Sozialdemokratische Linie ist es, weltweit mit Soldaten und Interventionen sowie der Finanzierung von beidem »deutsche« Interessen durchzusetzen.

Wer unter solchen Voraussetzungen noch glaubt, daß eine »rot-rot-grüne« Koalition im Bund eine reale Option ist, betreibt illusionäre »Realpolitik«. Von der Partei Die Linke und allen Friedensorganisationen ist daher solide Oppositionsarbeit innerhalb und außerhalb des Parlaments gefordert. Debatten über die Aufweichung von friedenspolitischen Positionen in der Partei Die Linke wegen einer angestrebten Regierungsfähigkeit sind verantwortungslos. Nicht die außenpolitischen Vorstellungen der nun stärksten Oppositionspartei müssen sich ändern, sondern SPD und Grüne müssen von ihrer Fixierung auf Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln abgebracht werden.

Militarisierung im Innern

Zum ersten Mal, bezogen auf die Koalitionsverträge der jüngeren Geschichte, gibt es im aktuellen einen positiven Hinweis auf Atomwaffen: »Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.« Die letzten Regierungen hatten hier zumindest erklärt, daß ein Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen aus der Bundesrepublik angestrebt werde – auch wenn dies nie umgesetzt wurde und die »nukleare Teilhabe« ein wichtiger Aspekt der Politik aller bisherigen Bundesregierungen blieb. Die Friedensbewegung und die Partei Die Linke sollten nun, da von US-Seite auch noch eine Modernisierung der Atomwaffen geplant ist, verstärkt deren vollständigen Abzug fordern. Die Nuklearbomben sind in Büchel in Rheinland-Pfalz stationiert. Aktionen vor dem dortigen »Fliegerhorst« bieten sich regelrecht an. Es müssen ja nicht gleich Massendemonstrationen wie in den 1980er Jahren sein. Auch gilt es für Linkspartei und Friedensbewegung, Gliederungen der SPD damit zu konfrontieren, daß »ihre« Koalition sich für Atomwaffen in Deutschland einsetzt.

Ebenso wird der Propaganda und den Werbefeldzügen der Militärs in staatlichen Einrichtungen das Wort geredet: »Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich.« Damit nicht genug: »Wir treten dafür ein, das Verständnis für die Besonderheiten des Soldatenberufes zu erweitern und so die breite Anerkennung für den Dienst in den Streitkräften sicherzustellen. Feierliche Gelöbnisse etwa sind Ausdruck der Verankerung der Bundeswehr in der demokratischen Gesellschaft. Die Koalition unterstützt den fortgesetzten Dialog der Bundeswehr in und mit der Gesellschaft. Die Verantwortung für unsere Veteranen wollen wir gemeinsam tragen. Dies gilt auch für die Fürsorge für Verwundete und Versehrte und die würdige Gestaltung der Erinnerung an unsere Gefallenen und Toten.«

Erstmals ist von »Veteranen« der Bundeswehr in einem Koalitionsvertrag die Rede. Dies ist ein Indiz dafür, daß unter der neuen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit einer verstärkten Propagandaoffensive für die Armee und ihre Auslandseinsätze zu rechnen ist. Die Aufgabe der Friedensbewegung und der Linkspartei ist es – wie bisher –, überall im öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich dagegenzuhalten. Es muß selbstverständlich werden, daß die Soldaten an Schulen und Hochschulen nichts zu suchen haben. Aktionen wie gegen Militär- und Kriegsforschung an Hochschulen (Stichwort: Zivilklausel-Bewegung) und »Schulfrei für die Bundeswehr« sollten bundesweit an allen Bildungseinrichtungen stattfinden. Häufig betreiben Universitäten, an denen eine Zivilklausel durchgesetzt werden konnte, trotzdem Rüstungs- oder zivil-militärische (Auftrags-)Forschung. Allein die Unterzeichnung einer solchen Vereinbarung genügt deshalb nicht. Wissen zum Zusammenhang von Forschung und Militär kann durch Diskussionsveranstaltungen und anderen Aktionen weiter in die Studierendenschaft und unter die Dozenten getragen werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bietet sich als Partnerin an, sie hat sich gegen eine Militarisierung des Bildungswesens ausgesprochen. So wird auch der Diskurs unter Lehrkräften forciert.

Die neue Bundesregierung baut die »Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr)« der Bundeswehr weiter auf (siehe jW-Thema vom 3.4.2013). Diese aus Reservisten gebildeten Einheiten sollen den sogenannten Heimatschutz sichern. Mit ihrer Einrichtung soll die zivil-militärische Zusammenarbeit verstärkt und die Bundeswehr gesellschaftlich verankert werden. Die Linkspartei hat in ihrem Bundestagswahlprogramm die Auflösung der RSU-Kräfte gefordert. Daran ist festzuhalten. Ein nächster Schritt wäre folgerichtig, die Heimatschutzeinrichtungen vor Ort öffentlich zu machen und die Bevölkerung über diesen Akt der Militarisierung aufzuklären. Hier bieten sich Anträge in allen Kommunen und die Thematisierung und Ablehnung dieser Einrichtungen während der kommenden Kommunalwahlkämpfe an.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom August 2012 gibt mit der schwammigen Formulierung zu Einsätzen des Militärs in »Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes« den Handlungsrahmen für Aktionen der Bundeswehr im Inneren vor. Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wehrte solche Einsätze noch ab. Das muß jetzt nicht mehr so sein, so daß die Aktivierung von Soldaten auch bei Demonstrationen droht. Es müßte eine Stimmung gegen Bundeswehreinsätze im Innern entwickelt werden. Die Möglichkeiten sind groß, denn Friedensbewegung und Linkspartei können an diesem Punkt mit Bürgerrechtsgruppen und Gewerkschaften zusammenarbeiten. In letzteren ist hier schon durch den Affront der DGB-Spitze eine Diskussion entbrannt: Sie hat im letzten Jahr die Kooperation mit der Bundeswehr gesucht und so beim »sicherheitspolitischen« Seminar Proteste von der Basis und einige kritische Stellungnahmen von Gewerkschaftsvertretern provoziert. Laßt uns die Friedenskräfte in den Gewerkschaften argumentativ und durch Aktionen stärken.

Strategien für EU und NATO

Die verstärkten Inlandsaktivitäten ­korrespondieren mit dem Streben nach einer intensiveren militärischen Rolle im Ausland. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: »Die Bundeswehr wird auch in Zukunft in Auslandseinsätzen gefordert. Das setzt ein breites militärisches Fähigkeitsspektrum voraus.« Dafür baut die Bundeswehr verstärkt auf Kooperation. Dazu heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag: »Eine zunehmende Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene muß mit dem Parlamentsvorbehalt3 vereinbar sein. Deshalb wollen wir eine Kommission einsetzen, die binnen Jahresfrist prüft, wie die Parlamentsrechte gesichert werden können.« Hier sollte die Friedensbewegung hellhörig werden, denn das Gegenteil wird der Fall sein: Via EU- und ­NATO-Einsätze ist geplant, die Axt an den Parlamentsvorbehalt anzulegen. Es sollen wohl noch häufiger als bis jetzt schon deutsche Truppen am Parlament vorbei im Ausland eingesetzt werden.

Ein weiterer strategischer Zug der neuen Regierung ist die EU-Erweiterung im Kontext der NATO-Ausdehnung – besonders in Richtung Osteuropa: »Gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten werden wir die Heranführung der Länder des Westlichen Balkans an EU und NATO aktiv vorantreiben.« Überhaupt setzt die große Koalition neben dem Nordatlantikpakt auf die Europäische Union als Militärbündnis: »Wir setzen uns dafür ein, die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander zu verknüpfen und Europas zivile sowie militärische Fähigkeiten zur Krisenprävention und Konfliktbeilegung zu verbessern. Die Streitkräfteplanung in Europäischer Union und Nordatlantischer Allianz ist enger aufeinander abzustimmen. Dopplungen sind zu vermeiden. NATO- und EU-Fähigkeiten müssen komplementär zueinander sein.« Hinter diesen Formulierungen versteckt sich die seit langem verfolgte Strategie zahlreicher Bundesregierungen, Hegemon in der EU und dadurch auch in der Welt zu werden. Der bald beginnende Wahlkampf um die Sitze im EU-Parlament ist die ideale Gelegenheit für die Friedensbewegung, die weitere Militarisierung des Bündnisses zu kritisieren und abzulehnen. In diesem Zusammenhang ist der Entwurf der Linkspartei für ihr EU-Wahlprogramm nützlich, wonach ein Neustart des Staatenbundes mit vollständig neuen Verträgen und Institutionen dringend erforderlich ist. Eine deutliche internationalistische linke Kritik an den Institutionen der EU und ihrer Politik ist und bleibt notwendig.

Bezüglich der NATO ist Klartext zu sprechen: Sie ist ein Kriegsbündnis und muß aufgelöst werden. Um dieses Ziel politisch zu realisieren, ist der Austritt Deutschlands aus deren militärischen Strukturen zu fordern. So steht es seit dem Erfurter Parteitag der Linkspartei vom Oktober 2011 in allen ihren Programmen. Dieses Ziel ist nicht nationalistisch. Vielmehr käme es beim heutigen Grad an Vernetzung (»Pooling und Sharing«) innerhalb der NATO zu einer effektiven Behinderung des kriegerischen Staatenbündnisses.

Die jetzige Bundesregierung wird weiterhin auf »zivil-militärische Kooperation« setzen, also auf die Einbindung von Entwicklungs- und humanitärer Hilfe in Militärstrategien zur Einflußsicherung, in einem Land, etwa in Afghanistan. Diese Zusammenarbeit kann von der Friedensbewegung nur abgelehnt werden. Der Willen der Bundesregierung ist es, daß auch nach dem sogenannten Abzug der Truppen eigene Soldaten am Hindukusch stationiert sind. Eine gewissenhafte und aufklärerische Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes und die Forderung nach vollständigem Abzug von NATO und Bundeswehr sind notwendig.

Die zivil-militärische Zusammenarbeit bei der Flüchtlingsabwehr soll verstärkt werden. Frontex, die EU-Agentur zur Abschottung der Außengrenzen des Bündnisses, soll nun auch auf militärische Strukturen zugreifen können. Die Forderung nach Auflösung der Agentur und nach Beendigung der mörderischen Flüchtlingspolitik bleibt bestehen. Hier bietet sich eine Zusammenarbeit von Friedens- und Refugee-Bewegung bzw. Organisationen zur Unterstützung von Flüchtlingen an. Gegen die Hetze von NPD und CSU kann eine Willkommenskultur etabliert werden. An manchen Orten funktioniert das schon ganz gut.

Was die Anschaffung von Kampfdrohnen angeht, will die große Koalition mit ihren Verbündeten auf dem Kontinent kooperieren und »schnell ein gemeinsames Regelwerk für ihre Zulassung und Teilnahme am europäischen Luftverkehr« schaffen. Dabei hat laut Koalitionsvertrag eine EU-Drohne gegenüber dem Kauf israelischer oder US-Drohnen Priorität. Der bereits erwähnte EU-Gipfel Ende Dezember 2013 hat dazu grünes Licht gegeben. Die Kampagne gegen die »Etablierung einer Drohnentechnologie zur Kriegsführung, Überwachung und Unterdrückung« ist für 2014 zentral. Es darf zu keiner Anschaffung von Killerdrohnen durch die Bundeswehr kommen.

Das Milliardengrab »Euro Hawk«, eine Aufklärungsdrohne, bietet ein weites Feld für Friedensarbeit inner- und außerhalb des Parlaments. Im Koalitionsvertrag heißt es: »Deutschland hat ein elementares Interesse an einer innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.« In diesem Zusammenhang ist das Bundestagswahlprogramm der Linkspartei hilfreich, in dem neben dem Verbot des Rüstungsexports auch das der Rüstungsproduktion bei gleichzeitiger Konversion der betroffenen Betriebe gefordert wird. Dies gilt es insbesondere im Jahr der 100. Wiederkehr des Beginns des Ersten Weltkrieges konkret etwa vor den entsprechenden Rüstungsbetrieben deutlich zu machen.

Der Feind steht im eigenen Land

Alle Orte an denen die Bundeswehr Kriege vorbereitet, müssen von der Friedensbewegung benannt werden: das Gefechtsübungszentrum in der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt und, neben den Übungsplätzen z.B. in Ohrdruf in Thüringen oder Senne in Ostwestfalen-Lippe, das Kommando Spezialkräfte in Calw und das Einsatzführungskommando in Potsdam-Geltow. Ebenso müssen die in Deutschland befindlichen Militärbasen der USA und Großbritanniens in den Fokus der politischen Auseinandersetzung. Die Forderung nach ihrer Schließung muß lauter werden. Erste Aktionen dazu gibt es beispielsweise gegen das in Stuttgart-Möhringen befindliche AFRICOM, von dem aus auch Drohneneinsätze in Somalia koordiniert werden. »Der Krieg beginnt hier!« ist die Devise.

In Stuttgart-Vaihingen befindet sich das EUCOM und daran angegliedert das Europabüro der NSA. Das wurde bisher zu wenig thematisiert. Der »Dagger Complex«, ein Stützpunkt der US-Nachrichtendienste in Darmstadt-Griesheim, der größte US-Stützpunkt Ramstein und neuerdings das Gelände in Wiesbaden sind mit Blick auf den größten US-Geheimdienst ebenfalls zu nennen. Er hat dem Bundesnachrichtendienst geholfen, eigene Abhöreinrichtungen, etwa in Bad Aibling und Rheinhausen, aufzubauen. Gemeinsame Aktionen von Initiativen gegen den Überwachungswahn und der Friedensbewegung – auch vor diesen Einrichtungen – sollten ausgebaut werden.

Karl Liebknecht betonte 1907 in seiner Schrift »Militarismus und Antimilitarismus« die besondere Bedeutung des Antimilitarismus, den er als untrennbaren und zentralen Bestandteil des Antikapitalismus erachtete: »Wir sind Antimilitaristen als Antikapitalisten.« Die Zustimmung zu Kriegseinsätzen der SPD im August 1914 war der entscheidende Grund für einen Bruch in der Arbeiterbewegung. Die Sozialdemokratie spaltete sich später, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands gründete sich 1917, die KPD Ende 1918. Auch heute gilt: Wer sich für Kriegs- oder Militäreinsätze ausspricht, kann nicht glaubhaft für sich reklamieren, politisch links zu stehen.

Es hilft nur begrenzt weiter, die »Schuld« an Krisen und Konflikten anderen in die Schuhe zu schieben: Wie schnell ist man etwa in Deutschland bereit, alle Probleme der Welt auf die Politik der USA zurückzuführen, die eigene Regierung oder die EU von jeglicher Verantwortung freizusprechen. Auch hier bleiben Liebknechts Aussagen von bleibender Bedeutung. Im Mai 1915, mitten im Ersten Weltkrieg, erschien sein berühmtes Flugblatt, in dem er den Gegner für die hierzulande lebenden Menschen klar und deutlich benannte: »Der Hauptfeind des deutschen Volkes steht in Deutschland: der deutsche Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche Geheimdiplomatie. Diesen Feind im eigenen Lande gilt’s für das deutsche Volk zu bekämpfen, zu bekämpfen im politischen Kampf, zusammenwirkend mit dem Proletariat der anderen Länder, dessen Kampf gegen seine heimischen Imperialisten geht.« Dies – immer zuerst und zentral gegen die »eigene« Regierung – ist ein grundlegender Ansatz, den es bei allen politischen Aktivitäten zu bedenken gilt.

Anmerkungen

1 Martin Schulz ist sozialdemokratischer Präsident des EU-Parlaments (zu ihm siehe jW-Thema vom 25.9.2013)

2 Bild vom 19.12.2013

3 Nur das Parlament kann über den Einsatz von Soldaten oder etwa eine Kriegserklärung entscheiden.