IMI-Standpunkt 2013/025 (Update 11.6.2013)

Kissinger-Professur in Bonn

„Das Illegale machen wir sofort, das, was gegen die Verfassung geht, dauert ein bisschen länger.“

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 29. Mai 2013

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Der Satiriker Tom Lehrer hängte seinen Job Anfang der 1970er an den Nagel, nachdem Henry Kissinger, Nationaler Sicherheitsberater der US-Regierung von 1969 bis 1973 und anschließend bis 1977 US-Außenminister, der Friedensnobelpreis verliehen worden war. Es geht das Gerücht um, Lehrer habe seinen Rückzug damit begründet, nach der Auszeichnung Kissingers sei politische Satire unmöglich geworden.

In seiner Funktion als Nationaler Sicherheitsberater war Kissinger führend beteiligt am Chemiewaffeneinsatz der USA gegen Vietnam. Trotzdem erhielt er 1973 zusammen mit dem vietnamesischen Politiker Le Duc Tho den Friedensnobelpreis für den Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens. Kissinger nahm an, Le Doc Tho lehnte ab, da der Krieg trotz des Abkommens andauerte. Er endete erst 1975.

Auch beim Militärputsch 1973 in Chile hatte Kissinger die Finger im Spiel. Nach der Machtergreifung Pinochets erklärte er als US-Außenminister, dass die Vereinigten Staaten selbst nicht geputscht hätten, aber dass sie „die größtmöglichen Voraussetzungen geschaffen haben.“

Der britische Journalist Christopher Hitchens kommt in seinem 2001 erschienenen Buch ‚The Trial of Henry Kissinger‘ („Die Akte Kissinger“) zu dem Schluss, Kissinger habe sich u.a. folgender Vergehen schuldig gemacht: „Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Verletzung des Völkergewohnheitsrechts oder Völkerrechts, einschließlich der Verschwörung zu Mord, Entführung und Folter.“

Zuletzt bestätigten im April 2013 von Wikileaks veröffentlichte Botschaftsdepeschen, wie wenig Berührungsängste Kissinger gegenüber illegalen Machenschaften hatte. So berichtete der Focus (08.04.2013) über Aussagen Kissingers während seiner Amtszeit im Kontext des Konflikts zwischen Zypern und der Türkei: „Das Illegale machen wir sofort, das, was gegen die Verfassung geht, dauert ein bisschen länger.“

Mit dieser Politik ist Henry-Kissinger für Außenminister Guido Westerwelle „ein Staatsmann von Weltgeltung und ein Vordenker der Kunst des Machbaren.“ und für Verteidigungsminister Thomas de Maizière „einer der großartigsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts und ein brillanter Wissenschaftler.“ (BMVg/Auswärtiges Amt) Beide haben deshalb vorgeschlagen, aus Anlass des 90. Geburtstags Kissingers an der Bonner Universität eine ‚Henry-Kissinger-Professur‘ einzurichten.

Die Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung, unter besonderer Berücksichtigung sicherheitspolitischer Aspekte, soll auf fünf Jahre angelegt werden und vom Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt gemeinsam finanziert werden.

Ein Lehrstuhl, der laut de Maizière sicherstellen soll, „dass die außerordentlichen Leistungen Henry Kissingers auf den Gebieten der Diplomatie, Strategie und der transatlantischen internationalen Beziehungen die sicherheits- und verteidigungspolitische Debatte dauerhaft beflügeln.« (Behördenspiegel Online, 27.05.2013)

Der Satiriker Tom Lehrer hatte recht, bei dieser Politik vergeht einem das Lachen. Was überlegen sich de Maizière und Außenminister Westerwelle als nächstes? Den Augusto Pinochet Gedächtnis-Lehrstuhl?