IMI-Studie 2011/06 - Texte zum IMI-Kongress 2010
Eurosphere: Europäische Nachbarschaftspolitik als imperiale Expansionsstrategie
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 27. April 2011
Vollständiger Text: http://imi-online.de/download/JW_Kongress2010.pdf
Was die Europäische Union charakterisierte, war zumindest bis 1990 relativ unumstritten: Sie war ein Staatenbund, der sich durch – relativ – flache Hierarchien zwischen den Mitgliedern auszeichnete. Die sukzessive Angleichung der Wohlstandsverhältnisse war zumindest auf dem Papier ein wesentliches Ziel, während die Grenzen der Europäischen Union weitgehend festgelegt waren. Diese Zurückhaltung war jedoch eher den äußeren Umständen als irgendwelchen freiwilligen Selbstbeschränkungen geschuldet: Sowohl durch die Rolle als Juniorpartner der Vereinigten Staaten als auch aufgrund der Macht der Sowjetunion waren europäischen Expansionsplänen enge Grenzen gesetzt.
Offensichtlich hat sich die Europäische Union aber seit dem Ende des Kalten Krieges fundamental verändert. Dies belegen Aussagen namhafter Politiker wie Kommissionschef José Manuel Barroso oder EU-Wirtschaftskommissar Oli Rehn, die ebenso wie zahlreiche Wissenschaftler und Kommentatoren die – keineswegs kritische – Feststellung in den Raum stellen, die Europäische Union sei ein Imperium geworden.[i] Wie in diesem Artikel aufgezeigt werden soll, entspricht dies leider der Realität. Hierbei ist zwischen „imperialistisch“, einer (aggressiven) Taktik, um bestimmte Ziele zu erreichen, und „imperial“ zu unterscheiden, worunter ein ontologischer Zustand zu verstehen ist, der durch diverse Kriterien definiert wird. Was sind also die kennzeichnenden Merkmale von Imperien? Zieht man die einschlägige Literatur zurate, so werden vor allem ein ausgeprägtes Zentrum-Peripherie-Gefälle, ein kontinuierlicher Expansionsdrang sowie die Bereitschaft, Gewalt zur Aufrechterhaltung der imperialen Ordnung anzuwenden, als entscheidende Charakteristika benannt.[2]
http://imi-online.de/download/JW_Kongress2010.pdf
[1] Vgl. Wagner, Jürgen: Brüssel, das neue Rom? Ostexpansion, Nachbarschaftspolitik und das Empire Europa, Studien zur Militarisierung EUropas 36/2008.
[2] Vgl. zu den Imperiums-Definitionen Zielonka, Jan: Europe as Empire: The Nature of the Enlarged European Union, New York 2006; Münkler, Herfried: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft, Bonn 2005; und Wagner 2008, S. 4f..