Dokumentation - in: issa 5-6/2010

Hunger nach Atom und Macht

Angolas Vorbereitungen für den Aufstieg zur Nuklearmacht im Südwesten Afrikas

von: Dokumentation / Emanuel Matondo | Veröffentlicht am: 4. Januar 2011

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Angola ist reich an Naturressourcen und gesegnet mit fruchtbaren Böden, aber die Bevölkerung ist weiter arm und das Land mit Millionen von Landminen verseucht. Doch seine Herrscher befinden sich derzeit im Rausch. Aus den steigenden Erdölpreisen in den Jahren 2004 bis 2007 hat das Land enorme Einnahmen erzielt, so hoch wie nie zuvor, und eine unbekannte Menge an Geldreserven angesammelt. Keiner weiß genau, wo das Geld deponiert ist, keiner außer einer kleinen Gruppe aus der Elite um den Präsidenten José Eduardo dos Santos, den Alleinherrscher Angolas. Diese winzige Minderheit von nicht einmal 3.000 Familien teilt sich die Erdöleinnahmen und ihre Angehörigen sind über Nacht zu Multimillionären aufgestiegen. Gleichzeitig agieren sie als Großinvestoren bei der Privatisierung von staatlichen Unternehmen, die seit nun mittlerweile fünf Jahren vorangetrieben wird. Diese kleine Elite gründet eigene Privatbanken mit milliardenschwerem Startkapital, erwirbt große Anteile von öffentlichen Finanzinstitutionen, ordert die Fertigungsanlagen für die Montagen von teuren Luxuskarossen wie Mercedes, Porsche und BMW.[1]

Portugal als Drehscheibe für Geschäfte

Mit dem angesammelten Vermögen aus den Diamanten- und Erdöleinnahmen gehen die Herrscher Angolas auch auf dem Weltmarkt einkaufen.[2] In der ehemaligen Kolonialmacht Portugal sind die reichen Angolaner aus der Elite längst zu den einflussreichsten Finanzinvestoren des Landes aufgestiegen, mit Beteiligungen an privaten wie öffentlichen Banken, Erdölfirmen, Bauunternehmen und Hotelketten.

Ausgerechnet eine der Töchter des angolanischen Präsidenten wird von portugiesischen Medien als die reichste Frau Portugals ausgemacht.[3] In manchen Städten Portugals sind Angehörige der angolanischen Elite als Liebhaber von teuren Designermarken bekannt und werden als vermögende Kunden äußerst zuvorkommend behandelt. Ein hochrangiger angolanischer Funktionär etwa zählt zu den bekanntesten Kunden von Luxus-Konsumgütern in Portugal. Im Jahr 2009 soll er eine Uhr im Wert von 900.000 Euro gekauft haben[4] – mit seiner Platin-Kreditkarte.

Im Territorium der früheren Kolonialmacht fühlen sich die Mitglieder der Nomenklatura Angolas noch sehr wohl. Hier können sie sich ungestört von irgendwelchen eifrigen Ermittlungsrichtern und Antigeldwäsche-Behörden sorglos in Politik und Konsum einmischen. Und hier werden die aus der angolanischen Staatskasse entwendeten Gelder rein gewaschen und finden dann ihren Weg direkt in die weltweiten Steueroasen. So wird Portugal für die angolanische Elite zur Drehscheibe sowohl für die Eröffnung von großen Geschäften in Europa als auch für den Sprung in die Welt der globalen Finanzjongleure.

Je mehr sich das Ausland für das Erdöl aus Angola interessiert, desto mehr streben Angolas Herrscher nach Macht auf dem schwarzen Kontinent. Angola gilt neben Südafrika längst als wichtige Regionalmacht, und Luanda demonstriert dies auch selbstbewusst. Das bekommen gerade die beiden Nachbarländer Kongo-Brazzaville und die Demokratische Republik Kongo mächtig zu spüren. Die Regenten in Luanda wissen die Rückendeckung ihrer „strategischen Partner“ im Ausland sehr zu schätzen und nehmen sich deshalb so viel wie möglich heraus.

Deutschland hat Angola spätestens seit dem Staatsbesuch von Präsident dos Santos im Februar 2009 in Berlin zu einem der wichtigsten und strategischen Partner[5] in Afrika erkoren. Die USA folgten mit der gleichen Auszeichnung im Sommer 2010.[6] Ob Portugal, USA, Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, Brasilien, China[7], Indien, Deutschland oder Niederlande, alle sind hinter dem Öl her, und in Konzernzentralen wie den Regierungskanzleien ihrer Hauptstädte herrscht Goldgräberstimmung in Sachen Angola. Als Gegenleistung für die strategische Partnerschaft mit dem Erdölland zeigen sich alle diese Länder bereit, den Despotismus Angolas massiv militärisch aufzurüsten. Damit will man sich den ungestörten Zugang zu den Rohstoffvorkommen in der Region sichern.

Eine gut funktionierende Demokratie sowie transparente Regierungsführung, wie sie offiziell von den Gebernationen gefordert wird, wären im Sinne der strategischen und Wirtschaftsinteressen dieser Länder im Grunde genommen geschäftsschädigend. Nur ein autoritäres Angola kann die Rolle der Militärpolizei im Auftrag der neuen und alten Supermächte in dieser ressourcenreichen Weltregion übernehmen und ihre schmutzigen Geschäfte vor Ort, dank fehlender Parlamentskontrolle, erledigen.

Aufstieg zur Atommacht?

Die Machthaber in Luanda hegen noch größere Ambitionen, die über die Rolle Angolas als Regionalmacht hinausgehen. Präsident dos Santos will auch in der Atomfrage Südafrika dessen Rolle streitig machen. Angola will unbedingt die nukleare Technologie importieren und Atomanlagen im Lande aufbauen lassen. Nach bisherigen Beobachtungen laufen die Vorbereitungen dafür in Angola und im Ausland langsam an. Angola scheint auf dem ungehinderten Weg zur zweiten regionalen Nuklearmacht im Südlichen Afrika. Für die Entwicklung, Umsetzung und Zielerreichung kann sich Luanda überwiegend auf China, die USA, Frankreich, Nordkorea und Vietnam verlassen.[8] Aber auch auf die Internationale Atomenergiebehörde in Wien.

Dabei stellt sich auch die Frage, welche Rolle dabei Deutschland spielt. Welche Interessen haben deutsche Konzerne bezüglich des großen Energieprojektes Angolas? In den wichtigen Diskussionsforen zur Energiefrage in Angola taucht auch der Name Areva Technik auf.[9] Areva Technik ist eine Tochtergesellschaft des französischen Unternehmens und weltweit führenden Verbreiters von Atomtechnologie, die zu 34 Prozent der Siemens AG gehört.[10] Nach vorliegenden Informationen ist die „Areva Energietechnik GmbH Sachsenwerk Medium Voltage” (Areva T&D) am angolanischen Flüssiggas-Projekt (Liquified Natural Gas, LNG) beteiligt und wird die Schaltanlagen von 36kV dafür beliefern.[11]

Das Großprojekt ist nicht nur in den USA und China umkämpft. Deutschland hat bereits Eon, Ruhrgas, Wintershall AG und EnBW ins Rennen geschickt, um seine Teilhabe an der Ausbeutung der Gasvorkommen zu sichern. Bisher hat es nur Areva T&D geschafft, ins Geschäft um das LNG-Projekt zu kommen. Die Sicherung dieses Geschäftes lief wohl vorwiegend über Portugal ab, laut Quellenlage vieles über die Deutsch-Portugiesische Industrie- und Handelskammer.

Mit der „Gemeinsamen Absichtserklärung über eine strategische Partnerschaft zur Erweiterung und Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Republik Angola und der Bundesrepublik Deutschland“ vom 27. Februar 2009 haben sich beide Länder in Absatz 1.4. auf einen „konstruktiven Dialog … zu Energiefragen“ geeinigt. Als Punkt g) wir der Bereich „Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism – CDM) des Protokolls von Kyoto“ genannt.[12] Danach „teilen beide Seiten die Auffassung, dass sich auch weitere Bereiche als geeignet erweisen könnten, in die angestrebte Zusammenarbeit im Energiebereich einbezogen zu werden.“

Der Begriff „CDM“ wird seit der UN-Klimakonferenz von Kyoto von Atomlobbyisten weltweit in allen Foren immer wieder gerne vorgetragen, um den Regierenden der unterentwickelten Länder eine Pro-Nuklearpolitik schmackhaft zu machen und diese teure und gefährliche Technologie dort verkaufen zu können. Die Vermutung liegt also nahe, dass Deutschland mit dieser Absichterklärung bereit wäre, den Transfer von Nukleartechnologie oder auch die Lieferung von „Dual-Use“-Materialien nach Angola zu dulden oder durch seine Kontrollbehörden zuzulassen. Mit dem Einstieg von Areva Technik ins Liefergeschäft von Energieanlagen nach Angola wäre es keine Überraschung, wenn die Welt eines Tages über die Verbreitung von Nuklearmaterialen „Made in Germany“ in Angola erfahren würde. Die Tatsache, dass die „Motoren“ für den Bau der ersten gepanzerten Fahrzeugen für Truppenbewegungen der neu entstandenen Militärindustrie der angolanischen Armee aus Deutschland kamen, lässt schon ahnen, was die strategische Partnerschaft mit der angolanischen Öl-Oligarchie bedeuten könnte: Aufrüstung und Förderung einer Despotie.

Hilfe von Atomexperten aus den USA

Die anderen Areva-Verbindungen zu Angola laufen über die USA. Dort ist der Nuklearkonzern auch Silber-Sponsor von Veranstaltungen der einflussreichen US-Atomlobby-Organisation American Nuclear Society (ANS)[13], die jährlich Messen oder Expo, Ausbildungsseminare und sonstige Treffen für die Zusammenkunft von Experten, Konzernen und Neuankömmlingen organisiert. Hier wird sowohl das Know-How verbreitet als auch die Strategie für Atom-Propaganda erarbeitet.

„Angola braucht unbedingt die Nukleartechnologie, um des Energieproblems im Lande Herr zu werden und den Industrialisierungsprozess voranzutreiben. Das Land wird seine Atomtechnologie nur für friedliche Zwecke gebrauchen“[14], betonen die Regierenden auf allen Veranstaltungen, um die Welt zu beruhigen.

Atom nur für zivile Zwecke? Jeder weiß, dass mit der Aneignung dieser Technologie jeder Besitzer sozusagen zur „virtuellen Nuklearmacht“ wird, sagen die Experten. Es ist immer schwierig, diese sensible, aber teure Technologie von militärisch-strategischen Zielen eines Landes zu trennen. Deshalb bleibt sie auch unter Kontrolle des Militärs. Im Jahr 2008 nahm eine hochrangige Ministerialdelegation aus Angola an der Expo der US-Atomgesellschaft ANS in der Stadt Reno in Nevada teil, unter dem Titel „Nuclear Power – Ready, Steady, Go.”[15]

Geführt von der neuen Ministerin für Wissenschaft und Technologie, Maria Cândida Teixeira, beteiligte sich die Delegation aus Luanda an dem Panel „Nuclear Energy Prospects for Developing Nations”, der von Andrew Kadak, einem bekannten Atomwissenschaftler und Professor des Massachusetts Institute of Technology (MIT) an der Universität Boston geleitet wurde.[16] Hier und da steht der Name Kadak für die Verbreitung von Atomtechnologie insbesondere in Entwicklungsländern, u.a. in Afrika. Und gerade Areva trat dort als einer der Hauptsponsoren dieses Panels mit der angolanischen Delegation auf.

Auf dem ersten Einblick würde man zunächst nicht dahinter sehen. Doch die gewonnenen Erkenntnisse fördern einiges zu Tage: Bei Professor Andrew Kadak vom MIT handelt es sich gerade um jenen Mann aus dem internationalen Wissenschaftlerkreis, der nach Recherchen als Verfasser des angolanischen Nuklearprojektes gilt und die genaue Umsetzung des Baus von Atomanlagen in Angola wissenschaftlich wie technisch derzeit plant und begleitet.[17] Neben ihm sitzt ein Trio US-amerikanischer Staatsbürger, die sich schon früher zu Zeiten des Kalten Kriegs als Lobbyisten in Washington für das Dos-Santos-Regime betätigt hatten. Gemeinsam mit einem Angolaner portugiesischer Herkunft haben das Trio und der Wissenschaftler ein Konsortium mit dem schönen Namen „The Angola Industrial Infrastructure Group, LLC“ ins Leben gerufen.[18]

Nach vorliegenden Kenntnissen besteht das Konsortium aus zwei privaten und einem akademischen Institut des MIT, nämlich Mestres & Serviços Lda. (Angola), AMER-CON Corp (USA) und Select MIT Faculty (USA).[19] Die beiden ersten Teilhaber verfügen über direkte Kontakte zum angolanischen Präsidialamt oder aber haben dem Despoten schon gedient.[20] Auf den ersten Blick würde man kaum auf Idee kommen, dass hinter diesem schönen und langen Namen Lobbyisten der Nuklearverbreitung stecken. Doch nach eingehender Betrachtung gewinnt man die Erkenntnis, was die Atomindustrie in Angola wirklich vorhat und in welcher Phase der Vorbereitungen sich das Land derzeit befindet.

Eine bedeutsame Rolle in der Wissensvermittlung und für den Transfer von Nukleartechnologie nach Angola spielt das US-amerikanische „AABEE Training Institute“, das von „The American Association of Blacks in Energy (AABE)“ gegründet wurde und vom Energieministerium der USA, dem US Department of Energy (DoE), direkt gefördert wird. Die AABE, von schwarzen US-Amerikanern ins Leben gerufen und in Washington D.C. angesiedelt, verfolgt u.a. das Ziel, den afrikanischen Energiesektor weiter zu entwickeln, insbesondere die Atomenergie. In der US-Bundeshauptstadt agiert der Verband zugleich als Lobby- sowie Beratungsorganisation, setzt sich für die finanzielle Förderung von nuklearen Projekten in afrikanischen Ländern ein und bringt die Akteure der Atomindustrie mit den Regierenden des schwarzen Kontinents zusammen. „2004 unterzeichnete das US Department of Energy (DoE) einen dreijährigen Kooperationsvertrag mit AABE, um einen Beitrag zur Lösung der Energiefrage Afrikas, der Karibik und Südamerikas zu leisten.“[21] In der gleichen Zeit bat die angolanische Regierung die USA, eine nationale Energiestrategie für ihr Land zu entwerfen. Daraufhin schickte das US-Energieministerium ein Expertenteam nach Angola, um die Ortschaft und Gegebenheiten dort zu erkunden.

Atomenergie zur Sicherung des Strombedarfs

Im Jahr 1999 trat Angola der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA bei, mit dem Ziel, seinen Beitrag zur „atomaren Sicherheit weltweit zu leisten und damit auch die Risiken für Nuklearunfälle zu minimieren.“ Gleichzeitig erkannte das Land das „Übereinkommen über nukleare Sicherheit“ an. Diese Rhetorik wurde auf allen IAEA-Foren von angolanischen Delegationen immer wieder vorgetragen. Doch mit dem Boom, den die höheren Erdölpreise dem Land bescherten, begann die Elite im Jahr 2003, über die Industrialisierung nachzudenken.

Angesichts der andauernden Stromprobleme, mit denen Angola permanent konfrontiert ist, würde eine ungelöste Energiefrage der Industrialisierung des Landes im Wege stehen. Luanda sieht dabei die Atomenergie als Allheilmittel. Mittlerweile hat man sich die propagandistischen und irreführenden Begriffe der Atomlobbyisten zu eigen gemacht und verkauft die Atomenergie im südwestlichen Afrika als harmlos oder ungefährlich für Mensch und Umwelt, aber auch als die sauberste Energie der Welt mit einem Ausstoß von null CO2. Mit Anspielung auf das Kyoto-Protokoll verharmlosen Luandas Herrscher die Atomenergie nicht nur als menschenfreundlich, sondern auch als klimaschonend. Damit begannen auch die Ministerialberatungen unter der Federführung von dos Santos selbst und der Koordinierung vom Wissenschafts- und Technologieministerium.

Anfang 2005 meldete Angola sein Interesse an der Anschaffung von Atomtechnologie an. Sein damaliger Wissenschafts- und Technologieminister João Baptista Ngandajina verkündete dies öffentlich mit Stolz vor der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien. Seit Angolas Beitritt unterstützt die IAEA das Land in zivilen Bereichen wie Medizin, u. a. bei der Bekämpfung von Seuchen, Landwirtschaft, Viehzucht und Laboranalysen.[22] Mit der Verabschiedung des angolanischen Atomgesetzes (Gesetz 4/07) im Juni 2007[23] durch das Parlament kam die Regierung mit dessen Inkrafttreten am 5 September 2007[24] ihren Zielen näher. Seitdem ist der Weg frei für den Aufstieg zur virtuellen Nuklearmacht.

Über die Kosten stellten die Abgeordneten keine Fragen, sie nahmen die Gesetzesvorlage so an, wie sie eingebracht wurde. Über die künftige parlamentarische Kontrolle des wohl teuersten und abenteuerlichsten Projektes des Landes war nie die Rede. Im Oktober 2007 schaffte das Kabinett der angolanischen Regierung per Dekret (79/07) ihre eigene Aufsichtsbehörde, nämlich die Autoridade Reguladora de Energia Atomica (Area), welche dem Energie- und Wasserministerium direkt unterstellt ist. Diese werde künftig als „öffentliche Institution den wissenschaftlichen Charakter und die technologische Entwicklung der Regierungsziele im Bezug auf Nutzung von Nuklearenergie verfolgen und umsetzen, ausgestattet mit Verwaltungsautonomie, genügend finanziellen Mitteln und Forschungsfreiheit“, lautet es im Dekret namens Estatuto Orgânico da Autoridade Reguladora da Energia Atómica.[25]

Damit schaffte das Land die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Transfer und die Entwicklung der nuklearen Technologie „für friedliche Zwecke“, wie die Herrscher immer wieder betonen, weil sie nur „Thorium zum Betrieb ihrer Atomanlage für die Stromproduktion“ zu verbrauchen gedenken. Damit übernahmen sie jene Erklärung aus ihrer Wissenschaftsküche um den amerikanischen Professor Andrew Kadak (MIT/USA) und aus dessen Konsortium.

„Konzept des Sozialkapitalismus“

Den Entwurf des angolanischen Nuklearprogramms verfassten die Gründer dieses Konsortiums im April 2008 mit dem Titel „The Angola Citizen’s Permanent Trust Fund & Industrial Infrastructure Project“[26]. Darin bezeichnen sie ihre Initiative als „ein Konsortium, das mit dem Ziel gegründet worden ist, die Erdöleinnahmen des Landes angemessen zu verwenden, und zwar, um aus Angola eine industrialisierte Gesellschaft im 21. Jahrhundert zu machen.“[27]

Glaubt man den Verfassern des Nuklearprojekts Angolas, „wollen sie sowohl Infrastruktur entwickeln als auch Vermögen bilden“, welche von ihrem ‚Permanent Trust Fund’ kontrolliert und 100-prozentig unter Besitz der angolanischen Bevölkerung stehen werden. „Alles basiert auf dem Konzept des Sozialkapitalismus“.[28]

Eine Rhetorik, die viel zu schön klingt, um wahr zu sein. Ging es nach diesem Konsortium, werden oder wollen sie „mit der Errichtung einer Atomanlage in Angola“ zur Stromproduktion „die Armut effektiv bekämpfen“ und damit auch den Hunger besiegen. Wenn schon die Regierenden Angolas mit ca. 80 bis 100 Mrd. US-Dollar aus den jährlichen Erdöl- und Diamanteneinnahmen nichts gegen die Massenverelendung der angolanischen Bevölkerung und den permanenten Hunger unternimmt, wie können sie die Armutsbekämpfung allein mit dem Bau von einer oder mehreren Atomanlagen im Lande erreichen und die Ressourcen gerecht umverteilen?

Für den Bau der nuklearen Infrastruktur in Angola nimmt das Konsortium den südafrikanischen „Pebble Bed Modular Reactor“[29] (PBMR) als Modell, welchen der MIT-Wissenschaftler Kadak in seinen Ausführungen als eines weltweit innovativsten und revolutionärsten darstellt. Nach den Worten von Kadak scheint ein von Thorium betriebener Reaktor nicht so gefährlich und zugleich kostengünstig für jedes afrikanische Land zu sein. Für ihn gilt Thorium außerdem als vorteilhaft wegen der Minderung der Schwierigkeiten mit seiner Lagerung und weil es unmöglich sei, aus diesem Nuklearprodukt waffenfähige Materialien herzustellen.

Dass aber Thorium ein Abfallprodukt von Uran 235 ist und fast so viel Anteil radioaktives Gift beinhaltet, welcher eine unmittelbare Gefahr für die Menschen und seine Umwelt darstellt, das erwähnen die Verfasser um den MIT-Wissenschaftler erst gar nicht. Die Frage nach dem Atommüll spielen sie herunter und weisen auf die Harmlosigkeit von Thorium hin.

Einen Ratschlag haben sie aber an die Adresse der angolanischen Regierung parat, mit welchen Argumenten künftig Kritiker sowie Atomgegner aus dem Inland und aller Welt gegen ihr Lieblingsprojekt wettern werden, um „die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zunichte zu machen“. Sie empfehlen die Anschaffung der Atomtechnologie um jeden Preis, weil dies die beste Lösung für Angola sei. Kadak zitiert darin den südafrikanischen Minister für Staatsunternehmen mit dem Worten, dass der PBMR „die perfekte Nukleartechnologie für Afrika and die Entwicklungsländer“ sei.[30]

Ausgerechnet das südafrikanische Modell erwies sich aber im Laufe der Planungsjahre als „verschwenderisch“ und „nicht reif“. Deshalb musste die Regierung Südafrikas das Projekt ganz aufgeben und vor dem Parlament als beendet erklären. Auch in der Zeit danach verursacht das Projekt immer noch Kosten (vgl. afrika süd 3’2010). Ungeachtet dieses Pleiteeingeständnisses scheint Angola an der Nutzung von Atomenergie auf Thorium-Basis festhalten zu wollen.

Uran macht begehrlich

Das angolanische Parlament hat im Haushalt 2011 erstmals die Mittel für das Nuklearprogramm der Regierung bereitgestellt. Damit ist Angola seinem ersehnten Ziel zur Atommacht noch näher gekommen. Zielbewusst haben Luandas Machthaber die Zusammenarbeit mit anderen Mächten gesucht: Ende 2007 zeigte sich China bereit für die finanzielle Unterstützung[31]; und Vietnam sagte Angola wissenschaftliche Hilfe zu bei der Ausbildung von angolanischen Wissenschaftlern in Nuklearphysik und dem Aufbau eines entsprechenden Curriculums an der staatlichen Universität Angolas Agostinho Neto. Direkt anschließend nahm die vietnamesische Atomenergie-Kommission Maria Cândida Teixeira, Mitglied im Zentralkomitee der regierenden MPLA, in ein Doktorandenprogramm für Nuklearphysik auf, welches sie erfolgreich im Jahr 2009 abschließen konnte.[32]

Zwischendurch wurde Maria Cândida 2008 zur Wissenschafts- und Technologieministerin Angolas erkoren und übernahm damit auch die Rolle als Pro-Nuklear-Advokatin im In- und Ausland. Nach bisherigen Beobachtungen haben etliche Atomexperten zwischen 2005 und 2008 Ausschau in Angola gehalten und sondiert, wo sie sich bei dem Nuklearprojekt gut einbringen könnten: Dazu gehörten Nordkoreaner und ein französisches Team von EDF.

Es ist wohl auch die Gewissheit, dass Angola über Uran verfügt, was die Supermächte anzieht, die nun ungeduldig auf die Freigabe seiner Ausbeutung warten. So kann sich Angola alles leisten, z.B. als regionale Großmacht gegenüber seinen militärisch schwachen Nachbarn wie die DR Kongo und Kongo-Brazzaville die Muskeln spielen zu lassen und massenhaft Flüchtlinge aus diesen beiden Ländern gewaltsam abschieben zu lassen, ohne je Vorwürfe oder gar Sanktionen seitens der internationalen Gemeinschaft befürchten zu müssen.

Auch als die Geschichte der illegalen Landnahme durch Angola in der Stadt Moanda, in der Provinz Bas-Congo der Demokratischen Republik Kongo, aufflog, zeigten sich die angolanischen Regierenden unbeeindruckt von den Protesten aus dem Nachbarland. Die Tatsache, dass sie dabei auch Erdöl aus dem Kongo unter Missachtung des Völkerrechts ausbeuteten, ohne die Einnahmen an die kongolesische Regierung in der Hauptstadt Kinshasa zu überweisen, ließ sie einfach kalt. Im Kongo sehen die Menschen dies alles mit Wut, und die Ohnmacht gegenüber der Regionalmacht Angola staut sich in Frust.

Bisher wissen viele Menschen in Angola und in der Region noch nicht, dass Angola nach nuklearer Macht strebt. Dass Angola dann mehr als eine einfache Militärmacht ist, wird sicherlich noch viele Menschen in Aufregung versetzen. Die Stunde der nuklearen Proliferation in Südwestafrika hat erst begonnen. Damit steigt auch die Gefahr für sinnlose Aufrüstung in der Region. Es bleibt die Frage, ob ein armes Land eine so teure Technologie braucht, wenn es sogar seine eigene Bevölkerung nicht mal mit Brot und Medizin versorgen kann?

Anmerkungen:

[1] “Kopelipa” abre fabrica de montagem de Mercedes, in Club-k.com, Terça, 26 Janeiro 2010; VW goes Africa. Produktion demnächst auch in Angola, 28.06.2008; Mercedes-Benz e o Tráfico de Influências em Angola, von Rafael Marques, in www.makaangola.com

[2] „Os Bastidores dos negócios e os luxos. Os Angolanos que mandam nas maiores empresas portuguesas“, Semanário Sábado, Portugal, 02.09.2010, pg. 3 & 36-44

[3] „A mulher mais poderosa de Portugal é angolana“, Terça, 22 Dezembro 2009, Quelle: Jornal de negócios (PT)

[4] „A vida dos Angolanos ricos em Portugal. O que compram. O que fazem. Que locais frequentam (Titelseite & S.56-66)“, Seite 57, Magazine VISÀO, Portugal, 10 a 16 de Dezembro 2009

[5] URL: http://www.botschaftangola.de/regierung/beschluesse_gesetze/absichtserklaerung_deutsch.pdf

[6] „MOU Establishing U.S.-Angola Strategic Partnership Dialogue“, Washington, DC (USA), July 8, 2010

[7] „China, Angola sets up strategic partnership“, in Luanda/Angola, November 20, 2010, Xinhua

[8] Angola Makes First Moves Towards Nuclear Power, with China’s Support, May 14, 2007, Angola and Vietnam Cooperate in Science, Technology, Angola state-owned News Agency ANGOP, 6 November 2008

[9] „3rd German-Angolan Business Forum“, 1 and 2 July, 2010, Talatona Convention Hotel (HCTA), Luanda, Angola

[10] „The U.S. Deployment of AREVA’s Next Generation Nuclear Power Plants“, Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, Massachusetts, April 12, 2006, pg. 11

[11] AREVA Company Profile, Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft/Deutsch-Portugiesische Industrie- und Handelskammer (Câmara de Comércio e Indústria Luso-Alemà)

[12] „Gemeinsame Absichtserklärung über eine strategische Partnerschaft zur Erweiterung und Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Republik Angola und der Bundesrepublik Deutschland“, 27. Feb. 2009, URL: http://www.botschaftangola.de/regierung/beschluesse_gesetze/absichtserklaerung_deutsch.pdf

[13] AMERICAN NUCLEAR SOCIETY: 2008 WINTER MEETING AND NUCLEAR TECHNOLOGY EXPO, November 9-13, 2008, Reno, Nevada, Grand Sierra Resort and Casino, Official Program, Silver Sponsor: AREVA, pg. 2.

[14] „Angola: Atomic Energy Law for Peaceful Ends – Minister said“, ANGOP, 30 May 2007; „Angola reafirma intencào de usar energia atómica para fins pacíficos“, ANGOP, 14 Setembro 2007; “O nuclear para fins pacíficos”, Semanário Angolense, pg. 8-9, Sábado, 10 de Julho de 2010

[15] „Angola at winter nuclear energy meeting“, in Reno/Nevada (USA), ANGOP 11/09/08

[16] „Nuclear Energy Prospects for Developing Nations–Panel“, AMERICAN NUCLEAR SOCIETY: 2008, a.a.O.

[17] “ANGOLA’S NUCLEAR INFRASTRUCTURE PROJECT“ als “Angola II Project Update” unter http://www.angolaiigroup.com/

[18] URL: http://www.angolaiigroup.com/

[19] idem

[20] idem

[21] AABE AMERICAN ASSOCIATION OF BLACKS IN ENERGY, URL: http://www.aabe.org/index.php?component=pages&id=80

[22] „Angola na 51ª Sessão da Agência Internacional da Energia Atómica“, 17-21/09/2007

[23] „Parlamento angolano aprova lei sobre energia atómica“, PANAPRESS 29. Juni 2007

[24] Lei da Energia Atómica, Diário da República, 05.09.2007

[25] URL: http://www.mesct.gov.ao/LegislacaoD.aspx?Codigo=183

[26] “ANGOLA’S NUCLEAR INFRASTRUCTURE PROJECT“ als “Angola II Project Update“ unter http://www.angolaiigroup.com/ , S. 1, 4, 5 & 21.

[27] idem

[28] idem

[29] “ANGOLA’S NUCLEAR INFRASTRUCTURE PROJECT“ als „Angola II Project Update“ unter http://www.angolaiigroup.com/

[30] idem

[31] Angola Makes First Moves Towards Nuclear Power, with China’s Support, May 14, 2007; Angola and Vietnam Cooperate in Science, Technology, Angola state-owned News Agency ANGOP, 6 November 2008

[32] „Ministra da Ciência recebe diploma de doutoramento em Física (Atómica e Nuclear Aplicada pela Comissão de Energia Atómica do Vietname)“, in Angola Press (ANGOP), 7 de Agosto de 2009