Pressebericht - in: junge Welt 21.12.2010

Das Kreuz mit der Klausel


von: Pressebericht / Peer Heinelt / junge Welt | Veröffentlicht am: 21. Dezember 2010

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Bestimmungen, die Universitäten auf eine ausschließlich zivilen Zwecken dienende Forschung verpflichten, sind häufig bloße Makulatur. Zusehends gelingt es dem Militär, an bundesdeutschen Hochschulen Fuß zu fassen

Am 8. Juli 2009 verabschiedete der baden-württembergische Landtag das »Gesetz zur Zusammenführung der Universität Karlsruhe und der Forschungszentrum Karlsruhe GmbH im Karlsruher Institut für Technologie (KIT)«. Zur Debatte stand dabei, ob die neu geschaffene Institution eine sogenannte Zivilklausel erhalten soll, in der der Verzicht auf jede Form militärisch relevanter Forschung festgeschrieben ist. Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) äußerte sich hierzu wie folgt – und zeigte en passant, daß an ihm ein veritabler Komiker verlorengegangen ist: »Ich persönlich – das betone ich auch hier noch einmal – bin der festen Überzeugung, daß unsere Hochschulen eigentlich für die Armee eines demokratischen Staates und die beste Ausrüstung ihrer Soldaten auch forschen dürfen. Ich halte dies übrigens auch für eine Zivilklausel. Denn wir haben eine zivile Armee, für die man forschen können soll.«

Daß der Minister sich gezwungen sah, öffentlich einen solchen Nonsens von sich zu geben, war nicht zuletzt dem Engagement der Karlsruher Studierenden geschuldet. Sie hatten sich im Januar 2009 per Urabstimmung mit Zweidrittelmehrheit dafür ausgesprochen, die seit 1956 für das (Kern-)Forschungszentrum Karlsruhe geltende Bestimmung, ausschließlich »friedliche Zwecke« zu verfolgen, auf das neu geschaffene KIT auszuweiten. Seit Mai 2009 hatten zudem 140 Wissenschaftler und Politiker einen internationalen Appell für eine einheitliche Zivilklausel am KIT unterzeichnet; der Aufruf trug unter anderem die Signaturen des Bürgermeisters von Hiroshima, Tadatoshi Akiba, und des Physiknobelpreisträgers Jack Steinberger. Sie alle wollten verhindern, daß am projektierten KIT fürderhin Nuklear- und Waffenforschung unter einem Dach betrieben werden können.

Ausgedehnte Kriegsforschung

Diese Sorge ist alles andere als unbegründet: Wie die Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen ermittelt hat, ist etwa das Institut für Nachrichtentechnik der Universität Karlsruhe unter der Bezeichnung »Software Defined Radio« an der Entwicklung eines Breitbandkommunikationssystems für die Kriegsoperationen der Bundeswehr beteiligt. Deren zentraler Aspekt ist das »Gefecht mit verbundenen Waffen«, weshalb alle an Gewaltmaßnahmen im Ausland beteiligten Teilstreitkräfte – Heer, Luftwaffe und Marine – sowohl untereinander als auch mit dem Potsdamer Einsatzführungskommando permanent in Verbindung stehen müssen. Ziel sei die »Informationsüberlegenheit im Gefechtsfeld«, erklärt die Bundeswehr; »Information« gilt hier mittlerweile als »entscheidender Faktor in der Kriegsführung«. Auch an unbemannten, »intelligent« und »autonom« agierenden Landfahrzeugen forschen Wissenschaftler der Universität Karlsruhe in Kooperation mit den deutschen Streitkräften (siehe jW-Thema vom 16.2.2010).

Das Schicksal einer mehr oder weniger schleichenden Militarisierung – gern euphemistisch als »zivil-militärische Zusammenarbeit« deklariert – teilt die Karlsruher Hochschule mit zahlreichen anderen akademischen Bildungseinrichtungen hierzulande. Kriegsforschung ist mittlerweile ein flächendeckendes Phänomen; betroffen sind mitnichten nur natur- und ingenieurwissenschaftliche Fachbereiche, sondern ebenso die Sozialwissenschaften. Als Reaktion darauf beginnt nun allerdings auch der antimilitaristische Widerstand, sich flächendeckend zu organisieren: An zahlreichen Universitäten haben mittlerweile Studierende und Beschäftigte Arbeitskreise zum Thema gebildet, so in Tübingen, Stuttgart, Frankfurt/Main, Kassel, Braunschweig, Gießen und Köln. Unter dem Motto »Nein zur Militarisierung von Forschung und Lehre« ist für Mai 2011 ein internationaler Kongreß an der TU Braunschweig geplant. Offizielle Unterstützung kommt inzwischen sowohl von den Gewerkschaften ver.di und GEW als auch von der Linkspartei; selbst die Jungsozialisten in der SPD stellen sich mancherorts hinter die Protestierenden.

Analog dem Vorbild Karlsruhe fordern sie die Aufnahme einer Zivilklausel in die Grundordnung ihrer jeweiligen Universität. Erfreut registriert wird in diesem Zusammenhang, daß an mehreren deutschen Hochschulen bereits Selbstverpflichtungen dieser Art existieren. So heißt es beispielsweise in einem Senatsbeschluß der Universität Konstanz von 1991: » (D)er Wissenschaft und Forschung kommt im Hinblick auf die angehäuften Waffenpotentiale in unserer Zeit eine immer größere Verantwortung zu. Der Große Senat der Universität Konstanz erklärt hierzu, daß Forschung für Rüstungszwecke, insbesondere zur Erzeugung von Massenvernichtungswaffen, an der Universität Konstanz keinen Platz hat und auch in Zukunft keinen Platz haben wird.« Vor allzu großer Euphorie allerdings sei an dieser Stelle ausdrücklich gewarnt, denn wie auch immer geartete Zivilklauseln bieten keinerlei Gewähr dafür, daß Kriegs- und Rüstungsforschung nicht doch einen prominenten Platz im Wissenschaftsbetrieb einnehmen. Dies soll im folgenden anhand von drei Beispielen demonstriert werden.

»Interventionskultur«

Beginnen wir mit einer Hochschule, die die Zivilklausel bereits im Namen trägt: Die Universität Oldenburg ist nach dem Publizisten Carl von Ossietzky benannt, der von 1927 bis zur Machtübertragung an die Nazis 1933 die Redaktion der Zeitschrift Die Weltbühne leitete. Für sein politisches Wirken wurde Ossietzky am 23. November 1936 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – in Abwesenheit: Der engagierte Antimilitarist lag zu diesem Zeitpunkt in einem Berliner Gefängniskrankenhaus, in das man ihn nach einem mehrjährigen Aufenthalt in nazistischen Konzentrationslagern eingeliefert hatte. Ossietzky starb am 4. Mai 1938 an den Folgen der während der Lagerhaft erlittenen Mißhandlungen. Einhergehend mit dem Verweis auf ihren Namensgeber erklärt die Universität Oldenburg in ihrer Grundordnung, ausschließlich »friedlichen Prinzipien« verpflichtet zu sein.

Nichtsdestotrotz wird an der Oldenburger Hochschule munter Kriegsforschung betrieben. So beschäftigt sich die am dortigen Institut für Sozialwissenschaften angesiedelte »Arbeitsstelle Interventionskultur« nach eigener Aussage mit den »sozialen Auswirkungen von militärisch gestützten humanitären Interventionen«. Diese werden aber nicht etwa problematisiert oder gar kritisch hinterfragt, sondern als großangelegte »Sozialreformprojekte« verstanden, deren Ziel darin bestehe, eine durchgreifende »Modernisierung« der betroffenen Gesellschaften nach westlichem Vorbild durchzusetzen. Als Lehrbeispiel dient den in der Arbeitsstelle beschäftigten Forschern die französische Kolonialpolitik in Algerien: Zwar fehle bei aktuellen westlichen Besatzungsregimes wie in Afghanistan das »Moment der offenen Kolonisation«, jedoch liefere der »algerische Fall« zahlreiche »wichtige Informationen«, heißt es. So seien etwa die französischen »Reformen« und »Modernisierungsversuche« daran gescheitert, daß sie »mit dem Habitus der Adressaten der Reform zu sehr im Konflikt standen«. Gefordert wird deshalb eine umfassende »Sensibilität für kulturelle Faktoren« auf seiten der Besatzungstruppen. Gerade in Deutschland bestehe ein erheblicher »Nachholbedarf an Wissen, das die ehemaligen Kolonialmächte noch gespeichert haben«, erklärt der Leiter der Arbeitsstelle, Professor Michael Daxner.

Das für Afghanistan anstehende »Modernisierungsprojekt« wird von Daxner und Kollegen denn auch folgerichtig als »Staatsgründung nach westeuropäischem Muster« beschrieben – inklusive eines »Krieg (es) um die Herstellung eines Gewaltmonopols«. Man dürfe nicht vergessen, so heißt es, daß »auch im Westen« die »internen Staatsgründungskonflikte« sowohl »viel Zeit« als auch »viele Opfer« gekostet hätten, was in Afghanistan »nicht anders« sein werde: »Für einen starken westlichen Staat muß man bei Frieden und Sicherheit Abstriche machen – wenigstens während der ›heißen‹ Staatsgründungsphase. Aber die kann sehr lang dauern.« Bei der »Staatsgründung« zu berücksichtigen sei außerdem, daß die vom Westen propagierte »Demokratisierung« der gesellschaftlichen Verhältnisse »nie bereits die Konfliktlösung« sei, »sondern im Gegenteil ein weiterer Katalysator für Unruhe und Gewalt«. Arbeitsstellenleiter Daxner hat seinerseits bereits tatkräftig an der »Modernisierung« Afghanistans mitgewirkt; unter seiner Ägide entstanden 2004 sowohl die Statuten für die Konferenz der afghanischen Hochschulrektoren als auch die Grundordnungen der dortigen Universitäten. Auch steht die Oldenburger Arbeitsstelle keinesfalls allein in der deutschen Hochschullandschaft: Über das »Netzwerk Interventionskultur« ist sie mit weiteren akademischen Institutionen verbunden, die sich ganz der Optimierung westlicher Militäroperationen verschrieben haben – so mit dem Sonderforschungsbereich 700 der Freien Universität Berlin und dem maßgeblich von der Bundeswehr gestalteten Studiengang »Military Studies« an der Universität Potsdam (siehe jW-Thema vom 15.9.2008 und 17.2.2010).

Landeskunde für Soldaten

Begeben wir uns vom niedersächsischen Oldenburg zurück nach Baden-Württemberg – quasi ins Heimatland der Zivilklausel –, finden wir auch hier eine ähnlich widersinnige Situation vor: Die Universität Tübingen verfügt seit Dezember 2009 über eine Regelung, die bestimmt, daß Lehre, Forschung und Studium »friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewußtsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgen« sollen. Dessen ungeachtet hat an der schwäbischen Hochschule das Militär Fuß gefaßt: Zwar gelang es Studierenden im April 2010, eine Podiumsdiskussion mit dem Organisator der NATO-Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, in den Räumlichkeiten der Universität zu verhindern, eine Angehörige der deutschen Streitkräfte jedoch konnte wenig später ungestört eine Lehrveranstaltung abhalten.

Im Sommersemester 2010 gab Monika Lanik, ihres Zeichens Oberregierungsrätin im Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr, ein Hauptseminar zum Thema »Angewandte Ethnologie und Militär«. Zentrales Thema war die »Counterinsurgency-Strategie der NATO« in Afghanistan, die unter der Bezeichnung »Human Terrain System« (HTS) firmiert und von den USA erstmals während des Vietnamkrieges erprobt wurde. Wie einem Bericht der österreichischen Tageszeitung Die Presse zu entnehmen ist, spionierten seinerzeit US-Geheimdienste die vietnamesische Bevölkerung aus und »lieferten Tausende Zivilisten als ›Mitglieder der Vietkong-Infrastruktur‹ ans Messer«. Erklärtes Ziel von HTS ist es bis heute, das Wissen von Ethnologen, Kultur- und Sozialwissenschaftlern über die in den Operationsgebieten des Militärs lebenden Menschen in die Kriegführung einzubeziehen. Bei der Bundeswehr wird diese Aufgabe von sogenannten Interkulturellen Einsatzberatern (IEB) wahrgenommen, die dem für psychologische Kampfmaßnahmen zuständigen »Zentrum für Operative Information« im rheinland-pfälzischen Mayen unterstehen.

Auch die Ethnologin Monika Lanik begann ihre militärische Laufbahn als IEB; in ihren Publikationen empfiehlt sie den deutschen Besatzungstruppen in Afghanistan unter anderem, bei allen Entscheidungen die »unwägbaren Loyalitäten« der lokalen Bevölkerung zu berücksichtigen und stets die »gebotene Distanz zu rituellen Orten« zu wahren. Die Identifikation mit ihrem Arbeitgeber geht so weit, daß sie zusätzlich zu ihren Lehraufträgen gern über die Karrieremöglichkeiten informiert, die die deutschen Streitkräfte für Ethnologen bereithalten. Im Sommer 2010 war die Militärangehörige im Rahmen eines sogenannten Praxisabends bei der Ludwig-Maximilians-Universität München zu Gast; ihr Thema waren die »neuen ethnologischen Betätigungsfelder, die sich im Zuge der Auslandseinsätze der Bundeswehr auftun«. Wer sich für die Bereiche »Landeskunde«, »Interkulturelle Beratung« und »Lagebearbeitung« interessiere, so Lanik bei dieser Gelegenheit, könne nicht nur für das bereits erwähnte »Zentrum für Operative Information« tätig werden, sondern ebenso für die mit der Gestaltung der militärpolitischen Propaganda befaßte »Akademie für Information und Kommunikation« (AIK) in Strausberg bei Berlin, die vormalige »Schule für Psychologische Verteidigung«.

Drohnentechnologie

Apropos Berlin – an der Technischen Universität der Bundeshauptstadt stellt sich die Situation ähnlich widersprüchlich dar wie in Tübingen und Oldenburg. Auch die TU Berlin verfügt über eine Zivilklausel; hier legt ein Senatsbeschluß von 1991 folgendes fest: »Die Mitglieder des Akademischen Senats sind sich darüber einig, daß an der TU Berlin keine Rüstungsforschung durchgeführt werden soll. (…) Jede Antragstellerin und jeder Antragsteller von Forschungsprojekten soll erklären, daß das betreffende Projekt nicht militärischen Zwecken dient.« Nichtsdestotrotz ist die Berliner Hochschule an der Entwicklung unbemannter Flugkörper, sogenannter Drohnen, beteiligt – wie sie unter anderem von den westlichen Besatzungstruppen in Afghanistan für Spionage- und Überwachungsaufgaben, aber auch zum Zwecke extralegaler Exekutionen eingesetzt werden.

Formal allerdings kann die Leitung der TU Berlin immer behaupten, nicht in Forschungsvorhaben der Bundeswehr oder der Rüstungsindustrie eingebunden zu sein, da sie ihre Fördermittel zur Weiterentwicklung der Drohnentechnologie nicht von einer der genannten Stellen, sondern vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erhält: Das entsprechende Projekt firmiert unter der Bezeichnung »AirShield« – »Airborne Remote Sensing for Hazard Inspection by Network-Enabled Lightweight Drones« –, ist Teil des vom BMBF aufgelegten Programms »Forschung für die zivile Sicherheit« und fällt in den Bereich »Integrierte Schutzsysteme für Rettungs- und Sicherheitskräfte«. Erklärtes Ziel ist es, »autonom« und »intelligent« agierende »Flugroboter« sowohl zur Erkundung von »Schadenslagen« als auch zur »Gefahrenprognose und -abwehr« im Inland einzusetzen – ganz gleich, ob es sich um »Störfälle« in industriellen Großbetrieben oder um »terroristische Angriffe« handelt.

Hierzu ist einerseits festzustellen, daß die von offizieller Seite vorgenommene Unterscheidung zwischen »ziviler Sicherheitsforschung« und »wehrtechnischer Forschung« eine künstliche ist: So hat die staatliche Fraunhofer-Gesellschaft ihre auf den genannten Gebieten tätigen Institute in Freiburg, Pfinztal, Karlsruhe und Euskirchen bereits 2002 in dem Verbund »Verteidigungs- und Sicherheitsforschung« zusammengefaßt. Dazu passend forciert die Rüstungsindustrie seit geraumer Zeit das Prinzip des »Dual Use« – die Anwendung bestimmter Technologien für militärische wie zivile Zwecke. Dem trägt auch das Projekt »AirShield« Rechnung: Das daran neben der TU Berlin und anderen Hochschulen beteiligte Siegener Unternehmen Microdrones produziert nach eigenen Angaben jährlich mehr als 100 sogenannte Minidrohnen; wie der Firmenwerbung zu entnehmen ist, sind diese hervorragend für »Überwachungs- und Inspektionsaufgaben« aller Art geeignet und damit nicht nur interessant für Feuerwehren und Rettungsdienste, sondern ebenso für »Grenzschutz, Polizei, Sondereinheiten, Armee«.

Zum anderen dürfte deutlich geworden sein, daß es sich bei der vom BMBF und anderen staatlichen Stellen mit dreistelligen Millionenbeträgen gesponserten »zivilen Sicherheitsforschung« um ein repressives Vorsorgeprogramm für den »Krisenfall« an der »Heimatfront« handelt. Geschützt werden erklärtermaßen »kritische Infrastrukturen«, »Transportwege« und »Warenketten« – und zwar sowohl gegen die Angriffe feindlicher Kombattanten im Inland (»Terroristen«) als auch gegen jedwede »Störungen«, die nicht zwangsläufig Unglücksfällen geschuldet sein müssen, sondern ebenso von streikenden Belegschaften oder protestierenden Kriegsgegnern ausgehen können. Dementsprechend ist man staatlicherseits sehr bemüht, die bundesdeutsche Bevölkerung frühzeitig an den Einsatz der neuartigen Überwachungs- und Repressionstechniken zu gewöhnen und ihr gleichzeitig zu vermitteln, daß diese zuvorderst dem »Gemeinwohl«, also auch ihrem eigenen Wohlergehen, dienen. Alle »sicherheitsrelevanten« Entwicklungsvorhaben werden daher stets von einer ausgeklügelten »Akzeptanzforschung« begleitet; im Falle von »AirShield« hat das Institut für Technologie und Management der TU Berlin diesen Part übernommen.

Fördertöpfe im Visier

Militär- und Sicherheitsforschung sind zwei Seiten derselben Medaille; beide sind Teil und Ausdruck einer umfassenden Militarisierung der Gesellschaft. Diese wiederum ist einer tiefgreifenden Verwertungskrise geschuldet, deren Auswirkungen die an der Peripherie der Europäischen Union gelegenen Staaten gerade mit voller Härte zu spüren bekommen. Kapital findet schlicht nicht in ausreichendem Maße profitable Anlagesphären, was die herrschenden Klassen in den westlichen Metropolen zwingt, immer brachialer gegen soziale Errungenschaften und Unbotmäßigkeiten aller Art vorzugehen: Während den einheimischen Bevölkerungen sogenannte Austeritäts- oder Sparprogramme oktroyiert werden, die selbst vor der Wiedereinführung der Zwangsarbeit nicht zurückschrecken, werden dem Westen nicht wohlgesonnene Regimes in den sogenannten Entwicklungsländern nach Belieben weggebombt, Aufstände niedergeschlagen – stets im Dienste der »Rohstoff- und Versorgungssicherheit« sowie der Aufrechterhaltung oder Schaffung gesellschaftlicher Verhältnisse, die die maximale Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft garantieren.

Die zur Zeit an etlichen deutschen Hochschulen geführten Kämpfe für die Implementierung von Zivilklauseln sollten diesen Tatsachen Rechnung tragen. Sie werden letztlich nur erfolgreich sein, wenn es gelingt, die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse insgesamt nachhaltig zu verändern. Wie gezeigt werden konnte, bietet eine institutionelle Selbstverpflichtung auf ausschließlich »friedliche Zwecke« zudem keinerlei Gewähr dafür, daß dieser auch tatsächlich entsprochen wird; zu stark ist oftmals der professorale Drang zu den von Staat und Rüstungsindustrie bereitgestellten Fördertöpfen und der damit einhergehende Wunsch, die eigene akademische Einrichtung zum »Exzellenzcluster« geadelt zu sehen. Permanente Wachsamkeit ist daher dringend geboten – Zivilklausel hin, Zivilklausel her. Umgekehrt lehrt nicht zuletzt das Beispiel Karlsruhe, daß der Kampf für eine Zivilklausel die an deutschen Universitäten Studierenden und Beschäftigten durchaus dazu motivieren kann, sich kritisch damit auseinanderzusetzen, was und in wessen Interesse an ihrer jeweiligen Hochschule gelehrt und geforscht wird. Das ist dann allen Widrigkeiten zum Trotz immerhin ein Anfang – nicht mehr, aber auch nicht weniger.