IMI-Studie 2010/01

Weniger tödliche Soldaten?

Die Wirkmittel der Weltinnenpolitik

von: Christoph Marischka, Jonna Schürkes | Veröffentlicht am: 13. Januar 2010

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Dieses Dossier ist als Beilage von Wissenschaft und Frieden 4/2009 erschienen.

Weniger letale Waffen (WLW)[1] sind Mittel und Ausdruck eines globalen Bürgerkrieges, in dem Polizei und Militär gegen Terroristen, Piraten, Aufständische, Migranten und Demonstranten vorgehen, um die »öffentliche Sicherheit und Ordnung« aufrechtzuerhalten oder durchzusetzen. Dabei verschwimmen zunehmend die Aufgaben von Polizei und Streitkräften und damit gleicht sich auch die Art der Ausrüstung einander an.

Aufgrund der Komplexität und des Umfangs des Themas haben wir uns dazu entschlossen, in diesem Dossier ausschließlich die Bewaffnung der Streitkräfte mit WLW zu behandeln. Dabei sind wir vor allem der Fragen nachgegangen, welches Konfliktbild der Forderung nach WLW zugrunde liegt, wie der Einsatz dieser Waffen durch Streitkräfte aussieht und welche Akteure die Entwicklung und den Einsatz von WLW vorantreiben. Die Forschungen an WLW erstrecken sich auf (a) kinetische Waffen wie Holz- oder Gummigeschosse, (b) chemische Waffen und Materialtechnologien, diese reichen von Tränengas und Beruhigungsmitteln bis hin zu Schaum-, Klebe- und Gleitstoffen, (c) Technologien gerichteter Energie, insbesondere Laser- und Mikrowellenwaffen, (d) akustische Waffen, die Kommunikation verhindern, Ohrenschmerzen, Übelkeit und Orientierungslosigkeit hervorrufen sollen, (e) elektrische Waffen, wie Schilder und Knüppel oder Schusswaffen, welche Stromstöße aussenden und (f) Sperranlagen, zu denen Zäune und Stacheldraht gehören.[2] In nahezu jeder dieser Kategorien wird auch an Waffensystemen geforscht, die nicht auf den Einsatz gegen Menschen ausgerichtet sind, sondern Infrastrukturen, Fahrzeuge und Waffensysteme zerstören oder vorübergehend außer Funktion setzen sollen. Da diese jedoch kaum qualitative Unterschiede zu den Zielen und zur Anwendung herkömmlicher Waffen in herkömmlichen Konflikten aufweisen, werden sie in diesem Dossier keine Rolle spielen. Bei den WLW, welche für den Einsatz gegen Menschen konzipiert sind, besteht für die technologische Weiterentwicklung aus militärischer Sicht jedoch kaum Bedarf: So spannend und vielleicht auch faszinierend die technologischen Möglichkeiten zwischen Schrei und Schuss, von Fangnetzen, Schaum-, Schall-, und Mikrowellenkanonen sein mögen, spielen diese in den Strategien der Aufstandsbekämpfung bislang eine marginale Rolle gegenüber herkömmlichen Feuerwaffen, Knüppeln, Tränengas und Stacheldraht, deren Anwendung gegenwärtig intensiv trainiert und verfeinert wird. Auch die Fortentwicklungen dieser Strategien betreffen eher Fragen der Aufklärung, der integrierten zivil-militärischen Lagebilder und der Koordination ziviler und militärischer Kräfte, als das mittlerweile technologisch Machbare, an dem in wenigen militärischen Speziallabors, v.a. aber durch die Sicherheitsindustrie, mit dem stetigen Verweis auf deren Eignung für zukünftig unausweichliche Friedenseinsätze, intensiv geforscht wird.

[1] Im offiziellen Sprachgebrauch werden Wirkmitteln, die den Gegner eher kampfunfähig machen oder vertreiben als töten sollen, häufig als »nichtletale Waffen« (NLW) bezeichnet. Dabei handelt es sich jedoch um eine irreführende und verharmlosende Wortwahl, da fast alle diese Zwangsmittel – je nach Umständen und Dosierung – eine tödliche Wirkung entfalten können. Deshalb verwenden wir in diesem Dossier Ausdruck »Weniger letale Waffen«.

[2] Naval Studies Board/ Committee for an Assessment of Non-Lethal Weapons Science and Technology, National Academies Press, 2003.

http://imi-online.de/download/NLW_Dossier_WundF.pdf